Johanna Dohnal war nicht angepasst. Sie war laut, kantig, klug – und sie war die Erste: die erste Frauenministerin Österreichs. Johanna Dohnal verstand Politik nicht als Karriereschritt, sondern als Werkzeug für Gerechtigkeit. Sie war eine der sichtbarsten Feministinnen des Landes – und eine, die genau wusste, wovon sie sprach.
Geboren 1939 als Johanna Dietz im 14. Wiener Gemeindebezirk, wuchs sie unter schwierigen Bedingungen auf. Ihre Mutter war schwer krank, der Vater abwesend, sie selbst ein uneheliches Kind – damals ein gesellschaftliches Stigma. Aufgewachsen bei ihrer Großmutter, erlebte sie den Krieg, die Nachkriegsarmut, die restaurative Wende der 1950er-Jahre. Eine höhere Bildung war nicht möglich, also machte sie eine Lehre zur Industriekauffrau und arbeitete in einer Kunststofffabrik.
1956 trat sie in die Sozialistische Partei Österreichs (SPÖ) ein, ein Jahr später heiratete sie den Chauffeur Franz Dohnal. Kurz darauf war sie Mutter von zwei Kindern – und lebte mit ihrer Familie auf 48 Quadratmetern in einer Wiener Gemeindewohnung. Nach der Geburt ihres ersten Kindes musste sie sofort wieder arbeiten; nach dem zweiten wurde ihr gekündigt. Kinderbetreuung? Gab es nicht. Also nähte, bügelte und verpackte sie zuhause – Heimarbeit, wie so viele Frauen damals, still, unsichtbar, unverzichtbar.
Während viele Frauen unter diesen Umständen stillschweigend ausharrten, begann Dohnal, sich einzumischen – erst leise, dann entschlossen. Sie wurde Bezirksrätin, später Frauensekretärin der SPÖ Wien und Gemeinderätin – eine Frau aus einfachen Verhältnissen, die Politik für andere Frauen machte. Ihr Ziel war klar: Politik sollte kein Selbstzweck sein, sondern ein Werkzeug für soziale Gerechtigkeit – besonders für Frauen.
„Ich bin Feministin – nicht, weil ich Männer hasse,
sondern weil ich Frauen liebe.“
Johanna Dohnal
1978 gründete sie mit Mitstreiterinnen den Verein, der das erste Wiener Frauenhaus aufbaute – ein revolutionärer Schritt in einer Zeit, in der häusliche Gewalt noch tabuisiert wurde. Trotz großer Widerstände, Häme und des langen Schweigens rund um das Thema setzte sie damit ein starkes Zeichen für den Schutz von Frauen.
1979 holte sie Bundeskanzler Bruno Kreisky als Staatssekretärin für Frauenfragen in die Bundesregierung. Dohnal nutzte den zunächst belächelten Posten als effektives Machtinstrument. Sie kämpfte für Gesetze gegen sexuelle Belästigung, setzte Gleichbehandlung im öffentlichen Dienst durch, erreichte Quotenregelungen für Universitäten und Ministerien und machte die Rechte von Frauen sichtbar, hörbar und verhandelbar.
1991 wurde sie zur ersten Frauenministerin Österreichs ernannt – ein Amt, das es ohne sie vermutlich nie gegeben hätte.
In ihrer Amtszeit setzte sie zentrale Reformen durch:
- Abschaffung der Amtsvormundschaft für ledige Mütter
- Betretungsverbot bei häuslicher Gewalt
- gesetzliches Verbot sexueller Belästigung
- Gleichbehandlungsgesetze für den öffentlichen Dienst
- Quotenregelungen für Universitäten und Ministerien
- Anrechnung der Kindererziehungszeiten
- Karenzgeld und Kündigungsschutz
Doch mit dem Erstarken rechtspopulistischer Kräfte in den 1990er-Jahren änderte sich der Ton. Dohnal wurde zur Zielscheibe konservativer Polemik – auch in der eigenen Partei. 1995 wurde sie gegen ihren Willen aus der Regierung entfernt. Sie kandidierte nie wieder, blieb aber politisch aktiv: mit Vorträgen, Publikationen, Netzarbeit und als engagierte Stimme für Frauenrechte – bis zuletzt.
Privat lebte sie ab 1981 mit Annemarie Aufreiter zusammen. Als die eingetragene Partnerschaft 2010 gesetzlich möglich wurde, heirateten die beiden – wenige Wochen vor Dohnals Tod. Sie starb am 20. Februar 2010 in ihrem Landhaus in Mittergrabern. Ihre Urne wurde im Ehrengrab der Stadt Wien beigesetzt – in direkter Nachbarschaft zu Rosa Jochmann und Hertha Firnberg.
Ihr Einsatz bleibt auch im Stadtbild sichtbar: In Wien erinnern heute mehrere Orte an Johanna Dohnal. Eine städtische Wohnhausanlage im 14. Bezirk trägt seit 2011 ihren Namen, ebenso ein Platz im 6. Bezirk, der 2012 nach ihr benannt wurde. In der Donaustadt entstand zudem ein Frauenwohnprojekt, das sie ehrt. Mit dem Kunstprojekt „Birken für Johanna“, bei dem in allen 23 Wiener Gemeindebezirken Bäume gepflanzt wurden, wurde ein lebendiges Zeichen ihres Vermächtnisses gesetzt.
Johanna Dohnal war unbequem – und genau deshalb so wichtig: Sie veränderte nicht nur Gesetze, sondern prägte nachhaltig das Bewusstsein für Frauenrechte, Selbstbestimmung und soziale Verantwortung. Sie hat das Land verändert. Für viele Frauen. Für immer.

* 14. Februar 1939 in Wien als Johanna Dietz; † 20. Februar 2010 in Grabern,










