Marianne Hainisch – die Frau, die Bildung zur Frauenfrage machte. Sie war keine Rebellin im klassischen Sinn. Keine, die laut auftrat oder Schlagzeilen suchte. Aber sie veränderte Österreich – leise, konsequent und mit langem Atem. Marianne Hainisch glaubte an Bildung als Voraussetzung für Gleichberechtigung. Und sie handelte, als andere noch diskutierten.

Geboren 1839 in Baden bei Wien als Marianne Perger, entstammt sie selbst einer gebildeten und wohlhabenden Familie. Ihr Mann, Michael Hainisch, ist erfolgreicher Textilindustrieller. Doch Marianne Hainisch schreibt ihre eigene Geschichte – als Frau, die die Grundsteine für Bildungsgerechtigkeit legte und die bürgerliche Frauenbewegung in Österreich entscheidend prägte.

1866 wird sie Mitglied des Wiener Frauen-Erwerb-Vereins, 1870 hält sie ihren vielbeachteten Vortrag „Zur Frage des Frauenunterrichts“ – und fordert nichts weniger als einen gleichberechtigten Bildungsweg für Mädchen. In einer Zeit, in der Frauen kaum Rechte haben, ist das revolutionär.

Als Marianne Hainisch 1870 forderte, Mädchen den Zugang zu Gymnasien und Universitäten zu ermöglichen, lachte man sie aus – oder ignorierte sie. Doch sie blieb unbeirrt. Was als Antwort auf das Schicksal einer Freundin begann, wurde zum Anfang einer Bewegung. Diese Freundin – deren Mann durch die Baumwollkrise nach dem Amerikanischen Bürgerkrieg in wirtschaftliche Not geraten war – durfte keine Erwerbsarbeit aufnehmen, weil es als unpassend für ihre gesellschaftliche Stellung galt. Eine Ausbildung hatte sie nie erhalten. Für Hainisch war das der Moment, in dem ihr klar wurde: Solange Frauen keine Bildung erhalten, bleiben sie rechtlos, abhängig – und angreifbar.

Doch Hainisch bleibt nicht bei Worten. Gemeinsam mit dem Wiener Frauen-Erwerb-Verein setzt sie sich für ein sechsklassiges Mädchenschulmodell ein, das 1891 offiziell anerkannt wird. 1892 entsteht daraus das erste öffentliche Mädchengymnasium im deutschsprachigen Raum – ein Meilenstein. Der Unterricht beginnt in der Hegelgasse 12, später übersiedelt die Schule in die Rahlgasse 4. Bildung für Mädchen ist von nun an keine Ausnahme mehr.

Hainisch denkt größer: 1902 gründet sie den Bund Österreichischer Frauenvereine, den sie über zwei Jahrzehnte leitet. Sie bringt hunderte Vereine unter ein Dach, führt den Bund in den International Council of Women ein und vertritt Österreich bei internationalen Kongressen. Als Bertha von Suttner stirbt, übernimmt Hainisch 1914 die Leitung der Friedenskommission des Bunds – als überzeugte Pazifistin.

Auch im Sozialen ist sie engagiert: Ab 1907 arbeitet sie im Österreichischen Bund für Mutterschutz, gemeinsam mit Ärzten, Reformpädagog:innen und Juristen. 1912 übernimmt sie die Präsidentschaft des „Mädchengymnasiums für erweiterte Frauenbildung“, 1927 gründet sie die Zeitschrift „Die Österreicherin“ – als Stimme für die Frauen des Landes. Politisch bleibt sie aktiv: 1919 kandidiert sie für das Parlament (erfolglos), 1929 gründet sie die Österreichische Frauenpartei, um den Anliegen von Frauen eine parteipolitische Heimat zu geben.

Marianne Hainisch stirbt 1936 im Alter von 97 Jahren. Sie hinterlässt ein Land, in dem Frauen wählen, studieren und sich politisch engagieren können – vieles davon durch ihre unermüdliche Vorarbeit. Heute erinnern Schulen, Straßen und der Marianne-Hainisch-Hof an ihr Lebenswerk.

Marianne Hainisch hat gezeigt: Bildung ist nicht nur der Schlüssel zur Emanzipation – sie ist der Beginn des langen Wegs zur Gleichberechtigung.

* 25. März 1839 Baden bei Wien, † 5. Mai 1936 Wien, Österreichisches Volkshochschularchiv, Public domain, Wikimedia