Die Philippinen, militärischer Kooperationspartner Deutschlands, verschärfen den Konflikt mit China und beanspruchen Territorium Malaysias. USA wollen dort Raketen stationieren. Berlin kündigt Ausweitung der Zusammenarbeit an.
Die Philippinen, ein enger, auch militärischer Kooperationspartner Deutschlands, verschärfen den Konflikt mit China sowohl um Taiwan wie um Inseln im Südchinesischen Meer. Bereits am 8. November hat Manila zwei neue Gesetze in Kraft gesetzt, die die philippinischen Ansprüche im Südchinesischen Meer festschreiben; sie überlappen sich mit denjenigen Chinas. Allerdings reklamiert Manila auch Inseln und Seegebiete, auf die Malaysia Anspruch erhebt; aus dessen Sicht könnten die Philippinen als „Hauptstörenfried“ im Südchinesischen Meer gelten, urteilt ein Experte, auch mit Blick darauf, dass Manila zudem die Hoheit über Teile des malaysischen Bundesstaats Sabah beansprucht. Die USA haben mit Manila ein Abkommen über den Austausch geheimer Militärinformationen geschlossen und entwickeln Pläne, auf den Philippinen und in Japan im Fall einer krisenhaften Entwicklung im Konflikt um Taiwan hochmoderne Raketen zu stationieren; diese bedrohten die Volksrepublik China so unmittelbar wie einst sowjetische Raketen auf Kuba die USA. Deutschland beteiligt sich an der Entwicklung, indem es die Militär- und Rüstungskooperation mit den Philippinen intensiviert.
Stützpunkte und Raketen
Die Philippinen bauen ihre Militärkooperation mit den Vereinigten Staaten systematisch aus. Nach der Erlaubnis, insgesamt neun philippinische Militärstützpunkte bei Bedarf zu nutzen – darunter vor allem solche, die nahe an Taiwan bzw. am Südchinesischen Meer liegen, den zentralen Konfliktschauplätzen der Region –, nach einer Ausweitung gemeinsamer Manöver und weiteren Schritten haben US-Verteidigungsminister Lloyd Austin und der philippinische Verteidigungsminister Gilberto Teodoro am Montag vergangener Woche (18. November) ein Abkommen über den Austausch geheimer Militärinformationen geschlossen. Es erhöht die Interoperabilität der Streitkräfte beider Länder und verschafft den Philippinen faktisch Zugang zu bestimmten US-Rüstungsgütern, die ohne entsprechende US-Daten nicht sinnvoll funktionieren – etwa Mittelstreckenwaffen. Für die Beschaffung des US-Raketensystems Typhon, mit dem Marschflugkörper des Typs Tomahawk abgefeuert werden können, hat sich erst im August der Oberbefehlshaber der philippinischen Streitkräfte, Romeo Brawner, ausgesprochen.[1] Um die Weitergabe der US-Daten an philippinische Truppen zu regeln, ist ebenfalls am 18. November ein gemeinsames Kontrollzentrum eingeweiht worden, das im Hauptquartier der philippinischen Streitkräfte, Camp Aguinaldo in Manila, angesiedelt ist.[2]
Vorgeschobene Posten
Darüber hinaus nehmen die Vereinigten Staaten zunehmend eigene Militäraktivitäten auf vorgeschobenen Posten in den Philippinen ins Visier. So traf Verteidigungsminister Austin am 19. November mit Soldaten der US Task Force Ayungin zusammen, die auf der Insel Palawan im Südwesten der Philippinen stationiert ist. Ayungin ist der philippinische Name einer Sandbank im Südchinesischen Meer, die international vor allem als Second Thomas Shoal bekannt ist und die in China, das ebenfalls Anspruch auf sie erhebt, Ren’ai Jiao genannt wird. Aufgabe der Task Force Ayungin ist es, Aufklärungs- und Überwachungsdaten über die Sandbank zu sammeln und sie an die philippinischen Streitkräfte weiterzuleiten.[3] Damit stützt Washington Manila ganz konkret in den eskalierenden militärischen Streitigkeiten rings um die Sandbank. Darüber hinaus haben die USA mit den Philippinen, aber auch mit Japan vereinbart, dass sie im Fall einer Krise um Taiwan hochmoderne Raketen in beiden Staaten stationieren werden – auf den südwestlichsten Inseln Japans und in den nördlichsten Gebieten der Philippinen, um möglichst nahe am Konfliktgebiet operieren zu können.[4] Wie ein Sprecher der philippinischen Streitkräfte ausdrücklich bestätigt, sind konkrete Vorbereitungen für die Maßnahme bereits im Gange.
Ansprüche zementiert
Unterdessen heizen die Philippinen die eskalierenden Konflikte im Südchinesischen Meer auch eigenständig weiter an. Manila hat am 8. November zwei neue Gesetze in Kraft gesetzt, von denen das eine – der Philippine Maritime Zones Act – die Ansprüche des Landes auf Inseln und Seegebiete im Südchinesischen Meer erstmals in Gesetzesform fasst, während das andere – der Philippine Archipelagic Sea Lanes Act – bestimmt, welche Seewege Schiffe fremder Staaten nehmen sollen, die die von Manila beanspruchten Gewässer durchqueren.[5] Faktisch zementieren die Philippinen damit ihren Konflikt mit China. Die Volksrepublik hat entsprechend gegen die Verabschiedung der zwei Gesetze protestiert; eine Sprecherin des Außenministeriums in Beijing sagte, der Schritt beeinträchtige „die territoriale Souveränität und die maritimen Rechte und Interessen“ Chinas.[6] Die Vereinigten Staaten wiederum loben Manilas Vorpreschen; so wird ein Sprecher des State Department mit der Äußerung zitiert, man „schätze die Führung der Philippinen in der Wahrung des internationalen Rechts, ganz besonders im Südchinesischen Meer“; Washington werde Manila in Zukunft bei der Realisierung der Gesetze unterstützen.[7]
„Der Hauptstörenfried“
Tut es dies, dann gerät es demnächst mit Malaysia in Konflikt. Ursache ist, dass einige Inseln und Teile der Seegebiete, die Manila für sich reklamiert, von Kuala Lumpur als malaysisches Territorium beansprucht werden. Entsprechend kündigte Malaysias stellvertretender Außenminister Mohamad Alamin am 14. November an, die Regierung des Landes werde umgehend offiziell Protest in den Philippinen gegen die Gesetze einlegen.[8] Wie Benjamin Blandin, ein Mitarbeiter des Yokosuka Council on Asia-Pacific Studies, einräumt, sind aus der Perspektive Malaysias die Philippinen sogar „der Hauptstörenfried“ im Südchinesischen Meer. So hätten sie schon in den 1970er Jahren, als der Vater des derzeitigen Präsidenten, Ferdinand Marcos, diktatorisch über die Philippinen geherrscht habe, Souveränitätsmarkierungen im Südchinesischen Meer, die Malaysia dort angebracht habe, zerstört und später sogar eines der Riffe, das eindeutig in malaysischen Gewässern liege – Commodore Reef –, besetzt.[9] Hinzu kommt, dass Manila bis heute Teile von Malaysias Bundesstaat Sabah im äußersten Nordosten der Insel Borneo beansprucht – mit der Begründung, der letzte Sultan von Sulu, Jamalul Kiram II. (1894 bis 1915), habe es einst den Philippinen übertragen. Ferdinand Marcos senior zog einst sogar die militärische Annexion von Sabah in Betracht.[10]
Die Deutsche Marine in Manila
Für Deutschland ist all dies nicht zuletzt deshalb von Bedeutung, weil die Bundesregierung die Zusammenarbeit mit den Philippinen intensiviert und insbesondere auch auf eine enge militärische Kooperation zielt: im gemeinsamen Vorgehen der westlichen Staaten und ihrer asiatischen Verbündeten gegen China. So ist Berlin nicht nur bemüht, Arbeitskräfte – meist Pflegepersonal – aus den Philippinen in die Bundesrepublik zu holen. Anfang August hielt sich als erster bundesdeutscher Verteidigungsminister überhaupt Boris Pistorius zu Gesprächen mit seinem Amtskollegen Teodoro in Manila auf. Man wolle den Beziehungen zwischen beiden Ländern „neuen Schwung … verleihen“ und dazu „in Kürze eine bilaterale Ressortvereinbarung unterzeichnen“, erklärte Pistorius in der philippinischen Hauptstadt. Dies laufe auf „langfristige Beziehungen zwischen den Streitkräften“ hinaus, teilte die Bundeswehr mit, aber auch auf „mögliche Kooperationen im Bereich der Rüstung“.[11] Es könne dabei etwa um „Luftverteidigung, Küstenschutz“ und die gemeinsame Beschaffung von Transportflugzeugen gehen, aber auch um „Ausbildungskooperationen und Expertengespräche im Zuge von bilateralen Aktivitäten“. Dabei sind bereits erste praktische Schritte gestartet worden – nicht zuletzt mit dem Besuch der Fregatte Baden-Württemberg und des Einsatzgruppenversorgers Frankfurt am Main im Rahmen ihres diesjährigen Asien-Pazifik-Trips in Manila.[12] Weitere Schritte sollen folgen.
Mehr zum Thema: Drohnen gegen China und Spiel mit dem Feuer.
[1] Jeoffrey Maitem: Philippines to host advanced US missile unit as China slams move to ‘heighten tensions’. scmp.com 26.11.2024.
[2] Austin Marks Deepening U.S.-Philippine Ties During Visit to Manila. defense.gov 18.11.2024.
[3] Raissa Robles: ‘A clear signal to China’: US task force backs Philippine operations in South China Sea. scmp.com 26.11.2024.
[4] Jeoffrey Maitem: Philippines to host advanced US missile unit as China slams move to ‘heighten tensions’. scmp.com 26.11.2024.
[5], [6] Jim Gomez: Philippine president angers China with new laws to demarcate South China Sea territories. apnews.com 08.11.2024.
[7] Bea Cupin: US touts ‘PH leadership’ after Marcos signs law that defines maritime zones. rappler.com 09.11.2024.
[8] Sebastian Strangio: Malaysia to Protest Passage of Philippine Maritime Laws, Government Says. thediplomat.com 15.11.2024.
[9] Iman Muttaqin Yusof: Malaysia protests new Philippine maritime laws for South China Sea encroachment. benarnews.org 14.11.2024.
[10] Sebastian Strangio: Malaysia to Protest Passage of Philippine Maritime Laws, Government Says. thediplomat.com 15.11.2024.
[11] Amina Vieth: Pistorius in Manila: Engere Kooperationen bei Rüstung und Ausbildung vereinbart. bmvg.de 04.08.2024.
[12] Manila: Die Marine auf den Philippinen. bmvg.de.