„Es wird unter den Menschen keinen Frieden geben, wenn wir als Menschheit nicht Frieden schließen mit der Natur.“

Mit diesen Worten stellt der Neue Erde Verlag die Anthologie „Frieden mit der Natur“ vor, die anlässlich seines 40-jährigen Bestehens erschienenen ist und zu der 19 Autorinnen und Autoren beigetragen haben, darunter die Umweltschützerin und Ökofeministin Vandana Shiva, der Friedensaktivist Satish Kumar sowie der Ökozentriker Fred Hageneder, der auch für Pressenza schreibt.

„Frieden mit der Natur“ sind 19 Annäherungen, 19 verschiedenen Wege, teils aus philosophischer, teils aus naturwissenschaftlicher oder auch spiritueller Sicht, die aber alle zu einem Ziel führen: heraus aus der anthropozentrischen Weltsicht und hin zu einem erweiterten Verständnis, dass wir Teil der Natur sind, Teil des großen Ganzen, und dass wenn wir uns gegen die Natur stellen, wir uns auch gegen uns selbst stellen.

Diese Einsicht ist freilich nicht neu, doch offensichtlich immer noch nicht tief genug in unserer Gesellschaft verankert, denn sonst gäbe es keine Notwendigkeit für all die vielen Umwelt-, Klima-, Naturschutz- und Friedensbewegungen, die immer noch gegen eine von Konzernmacht durchdrungene und patriarchal ausgerichtete Industrie- und Geopolitik kämpfen, die für Macht und Profit weiterhin auf Kriegsfuß mit der natürlich Welt steht – sei es mit Menschen, anderen Nationen, der Flora und Fauna oder dem Planeten selbst.

Wir sind Natur!

Zwischen Frieden und Natur gibt es zwei Verbindungen, von denen die erste die offensichtliche, die physisch manifestierte ist: Krieg verursacht immer auch immense Naturschäden, hinterlässt verbrannte Erde und trägt nicht zuletzt durch Produktion, Transport und Einsatz von riesigen Mengen an Gerätschaften, Kriegsmaterial und Logistik erheblich zum Klimawandel bei. Aber darum geht es nicht in diesem Buch.

Vielmehr geht es um unsere ganz persönliche Beziehung zur Natur, die im Laufe der Zeit verlorengegangen ist. Wer macht sich zum Beispiel schon bewusst, dass letztendlich alles um uns herum aus der Natur stammt? Das Plastik, aus dem die Brille auf der Nase gefertigt wurde (Erdöl), die Keramik, aus der die Kaffeetasse gemacht ist (Ton, Lehm), die Gardinen aus Stoff (Pflanzenfasern), der Bürosessel aus Leder (Tierhaut), die Häuser aus Stahl (Eisen und Kohlenstoff) und Beton (Sand, Gestein, Wasser), das Smartphone aus seltenen Erden (Metalle)… Ja selbst bei Autos besteht jede einzelne Komponente schlussendlich aus Material, das uns Mutter Erde geschenkt hat, so wie auch alles, was wir essen und trinken, die Luft, die wir atmen. Wir sind die Erde, wir sind Natur!

Ohne die Natur gäbe es keine menschliche Zivilisation. Ohne die Natur sind wir nichts. Sie gibt uns alles und wir sind ein Teil von ihr. „Das ist die Haltung, die die Menschen die allerlängste Zeit ihres Hierseins auf der Erde eingenommen hatten und die wir nur aufgrund unseres zivilisatorischen und rationalistischen Panzers abgelegt haben“, sagt Andreas Lentz, Verleger und Initiator des Sammelbands, der es sich seit jeher zum Ziel gesetzt hat, Literatur mit Stimmen herauszugeben, die oft eher leiser, aber dafür umso einfühlsamer und tiefgründiger sind. „Bücher, in denen auf irgendeine Weise die Erde, Frauen oder die Natur herabgesetzt oder verunglimpft werden, werden sich bei mir nie finden.“

Wegweiser in die neue Zeit

Die 19 Beiträge im Buch sind persönliche Reflexionen von Autorinnen und Autoren, die sich alle mit diesem Thema befassen. Sie sind Inspiration und laden ein, sich selbst auf den Weg zu einer persönlichen Beziehung zur Natur zu begeben. Denn erst eine Besinnung auf ein harmonisches Miteinander zwischen Mensch und Natur kann wahren Frieden schaffen. Der Weg dahin mag holprig sein, alte Glaubenssätze müssen überwunden werden, Traumata geheilt und egozentrisches Verhalten transzendiert werden. Doch indem wir uns der Natur wieder zuwenden, uns mit ihr verbinden und ihr wirklich zuhören, ja uns gerade zu verzaubern lassen, schaffen wir einen Zustand des Friedens auch in uns.

Neue Studien aus Japan zum Waldbaden belegen altes indigenes Wissen: Die Natur kann uns nicht nur helfen, unser Gemüt zu beruhigen und unser geistiges Gleichgewicht wiederzuerlangen, sondern auch bis in die Physis hinein den Körper positiv beeinflussen. Das Bewusstsein dafür, dass die Erde ein lebendiges Wesen ist, schafft die Grundlage für eine liebevolle Beziehung zu ihr, von der wir als Menschen nur profitieren können. Es ist an der Zeit, dieses Bewusstsein wieder zu nähren und zu pflegen, nicht zuletzt, um unsere Lebensgrundlage, die die Natur nun mal ist, auch für zukünftige Generationen zu erhalten.

„Frieden mit der Natur“ ist ein Wegweiser in eine neue Zeit, in der wahrer Naturschutz und ein Leben im Gleichgewicht mit der natürlichen Welt nicht mehr als weit entferntes Ziel erscheint, sondern als Zustand fest in die Psyche der Menschheit eingebettet ist. Eine Menschheit, die die Natur respektiert und mit ihr und sich selbst in Einklang lebt. Was für ein wunderbarer Ausblick!

 

Buchinfo

Laura Spies & Andreas Lentz (Hrsg.)

Frieden mit der Natur
19 Annäherungen

Neue Erde Verlag, 2024
ISBN 978-3-89060-853-2
Broschur, 208 Seiten

Mit Beiträgen von Matthias Blaß, Coco Burckhardt, Fabiana Fondevila, Jenny Garrison, Fred Hageneder, Tanis Helliwell, Waltraud Hönes, Derrick Jensen, Lierre Keith, Satish Kumar, Elizabeth E. Meacham, Marko Pogacnik, Mary Reynolds Thompson, Catharina Roland, Dr. Vandana Shiva, Llewellyn Vaughan-Lee, Jack Adam Weber, Andrea Wichterich und Anna Zemann.

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