Im Iran sind 2023 laut einem Bericht 834 Menschen hingerichtet worden. Das ist ein Anstieg von rund 40 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Menschenrechtsorganisationen kritisieren das Regime, die Todesstrafe zur Unterdrückung zu nutzen. 

Von Helmut Ortner

Sie sind Opfer staatlicher Willkür und Gewalt. Sie werden verfolgt, verurteilt, getötet. Hunderte, Tausende im Iran. So wie Mohammad Ghobadlou, ein junger Mann, der während der landesweiten Proteste im Herbst 2022 verhaftet und in zwei Gerichtsverfahren durch Folter erzwungene „Geständnissen“ zum Tode verurteilt wurde. Vorsätzlich soll er mehrere Sicherheitskräfte überfahren haben. Ihm waren Medikamente gegen seine Erkrankung vorenthalten worden, um ihn dazu zu bringen, zu „gestehen“. Im Januar 2023 war seine Hinrichtung wegen seiner Krankheit vorerst ausgesetzt worden. Seither hatte er im Gefängnis auf seinen Tod gewartet und trotz geringer Aussicht immer noch darauf gehofft, dass der Oberste Gerichtshof auf seine Einwände hört, das Urteil aussetzt und ihn begnadigt. Nun, Anfang dieses Jahres wurde vor einem islamischen Revolutionsgericht erneut gegen ihn verhandelt. Diesmal unter dem Vorsitz eines Richters, der für seine vielen Todesurteile bekannt ist: Abolquasem Salvati. Obwohl mehrere Mediziner bescheinigten, dass der 24-Jährige unter einer bipolaren Störung litt, verurteilte er ihn Salvati zum Tode. Am 23. Januar emdete das Leben von Mohammad Ghobadlou. Er wurde erhängt.

Es war die neunte Hinrichtung im Zusammenhang mit den Mahsa-Amini-Protesten von Herbst 2022. Das erste Opfer damals war der prominente Rapper Mohsen Shekari, gerade einmal 23 Jahre alt. Ihn tötete die Justiz nach einem Schnellverfahren bereits am 8. Dezember 2022, als Proteste gegen das Mullah-Regime noch viele Menschen auf die Straßen trieb. Die Hinrichtung sollte allen eine Warnung sein. Das Urteil fällte schon damals Richter Salavati. Seitdem folgten viele seiner Kollegen seinem fanatischen Beispiel und fällten Todesurteile gegen alle, die gegen das Regime aufbegehrten.

Ein Bericht, den die Menschenrechtsorganisationen »Iran Human Rights« und »Together Against the Death Penalty« nun veröffentlichten, dokumentiert das Ausmaß staatlicher Gewalt und Willkür. Mindestens 834 Menschen sind laut den Menschenrechtlern 2023 im Iran hingerichtet worden. Dies entspricht einem Anstieg der Exekutionen von 41 Prozent im Vergleich zum Jahr 2022. Eine Bilanz des Grauens.

Viele Urteile ergingen von den Revolutionsgerichten, die mit Richtern besetzt sind, die gegen alle vorgehen, die an öffentlichen Protesten gegen die Regierung und Mullahs teilnehmen. So werden Teilnehmer an einer Demonstration schnell als »Verbrechen gegen Gott« geahndet, auf das die Todesstrafe steht. Auf der langen Liste der Todeskandidaten in iranischen Gefängnissen stehen noch viele. Das staatliche Morden findet kein Ende.

Die Androhung und Anwendung der Todesstrafe sei im Iran ein Instrument der Unterdrückung, heißt es in dem Bericht. „Das Schüren von Angst in der Gesellschaft ist die einzige Möglichkeit des Regimes, sich an der Macht zu halten, und die Todesstrafe ist sein wichtigstes Instrument“, sagt Iran Human Rights-Direktor Mahmood Amiry-Moghaddam – und die Hinrichtungszahlen steigen weiter.


Buch-Hinweis:

Helmut Ortner, OHNE GNADE Eine Geschichte der Todesstrafe, Nomen Verlag, 320 Seiten, 20 Euro