Ein US-Gericht verurteilt Bayer/Monsanto zu Milliarden-Schadenersatz. Die EU lässt den Unkrautvertilger für weitere zehn Jahre zu.

Redaktion INFOsperber

upg. Zehntausende Verfahren sind in den USA noch offen – nun hat Bayer erneut eine Niederlage in einem Glyphosat-Prozess erlitten. Ein Geschworenengericht im US-Bundesstaat Missouri hat die Bayer-Tochter Monsanto zur Zahlung von mehr als 1,5 Milliarden Dollar Schadensersatz an drei Kläger verurteilt. Die Kläger führen ihre Krebserkrankung auf die jahrelange Verwendung des umstrittenen Unkrautvernichtungsmittels Glyphosat zurück.  Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Bayer kündigte Rekurs an.

EU gibt Glyphosat mit wenigen Auflagen für weitere zehn Jahren frei

Weil sich die EU-Staaten nicht einig waren, hat die zuständige EU-Kommission Glyphosat für weitere zehn Jahre freigegeben. Es werde einige Auflagen geben, so die Behörde.

Deutschland enthielt sich in den Verhandlungen zu Glyphosat der Stimme, weil sich die Bundesregierung nicht auf eine gemeinsame Position einigen konnte. Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) wollte eine verlängerte Zulassung ablehnen, die FDP dagegen begrüsste den Vorschlag der EU-Kommission. Die liberalen MinisterInnen Stark-Watzinger und Wissing änderten ihre Meinung und zwangen Deutschland in der EU zur Enthaltung. In der Abstimmung am 16. November enthielten sich nach Angaben von Diplomaten sechs weitere Mitgliedsländer, darunter Frankreich und die Niederlande.

Österreich, Luxemburg und Kroatien lehnten eine Neuzulassung ab.

Streit gab und gibt es innerhalb der EU unter anderem darüber, ob Glyphosat möglicherweise krebserregend ist. Zudem stehen Gefahren für die Umwelt im Raum. Eine aufwendige Untersuchung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa) hatte jüngst keine «inakzeptablen» Gefahren gesehen – aber auf Datenlücken in mehreren Bereichen hingewiesen.

Vorgesehene Auflagen

Vorgesehen, aber noch nicht beschlossen, sind folgende Massnahmen:

  • Glyphosat soll nicht mehr als Trocknungsmittel (z.B. mit der Absicht, den Erntezeitpunkt besser zu steuern) eingesetzt werden dürfen.
  • Für fünf Verunreinigungen, die in Glyphosat vorkommen können, sollen Grenzwerte definiert werden, um Menschen und Umwelt besser zu schützen.
  • Glyphosat-Hersteller (wie Bayer) sollen verpflichtet werden, innerhalb eines bestimmten Zeitraums Informationen über mögliche indirekte Auswirkungen ihres Unkrautvernichters auf die biologische Vielfalt vorzulegen.
  • Es sollen Höchstausbringungsmengen festgelegt werden. Diese dürfen allerdings überschritten werden, wenn konkrete Risikobewertungen für bestimmte beantragte Verwendungszwecke vorliegen, die nachweisen, dass kleine pflanzenfressende Säugetiere (wie Wühlmäuse) dadurch nicht zu Schaden kommen.

«Ein Skandal»

Die Zeitschrift Öko-Test informiert seit Jahren über Nachteile und Risiken von Glyphosat. Chefredakteurin Kerstin Scheidegger:

«Die EU hat eine riesige Chance vertan. Dass Glyphosat für weitere zehn (!) Jahre erlaubt bleiben soll – und das ohne qualifizierte Mehrheit im EU-Ministerrat –, ist ein Skandal. Wie grossflächig das Herbizid gesprüht wird, sehen wir in unseren Tests, in denen wir regelmässig auf Glyphosat stossen – ob es dabei um Müesli geht, SpaghettiHummus oder schwarzen Tee, um nur einige wenige Lebensmittel zu nennen.»

Im Koalitionsvertrag der Ampel-Parteien ist festgehalten: «Wir nehmen Glyphosat bis Ende 2023 vom Markt.» Der jetzt in der Regierungskoalition unterlegene Cem Özdemir kommentierte:

«Ich bedauere das sehr. Wenn man für eine Wiederzulassung ist, hätte man dies auch sehr restriktiv für einen kürzeren Zeitraum machen können.»

Die Verbraucherorganisation Foodwatch nannte die Entscheidung auf X (früher Twitter) eine «Katastrophe für Umweltschutz und Artenvielfalt».

Christine Vogt vom Umweltinstitut München kritisierte, der Kommission fehle das politische Mandat, das Pestizid weiterhin zuzulassen.

Und die Umweltorganisation Greenpeace meinte:

«Es ist ein trauriger Tag für Europa, denn Regierungen haben sich entschieden, die Wissenschaft zu ignorieren und die Menschen im Stich zu lassen, insbesondere die Opfer von Glyphosat.»

SRF-Recherche: Chemiekonzerne wie Bayer oder Syngenta hielten Studienergebnisse zu Pestiziden zurück – auch zum Glyphosat-Salz Trimesium.