Bei der Hamas sind es nur Männer, die das Sagen haben. In Israel bestimmen ebenfalls Männer die Politik. Hier vier Frauenstimmen.

Redaktion INFOsperber

upg. Es waren und sind Männer, die im Nahen Osten seit jeher die Politik bestimmen. Es waren Männer, die in den Kibbuzims an der Gaza-Grenze die jüngsten Gräueltaten verübten. Und es war ein Mann, der alle Palästinenser kürzlich pauschal als «human animals» abqualifizierte.

Die linksliberale israelische Zeitung Haaretz gibt immer wieder Stimmen eine Plattform, die bei den Mächtigen nicht gerne gehört werden. Im Folgenden einige Auszüge aus Artikeln einer in Israel lebenden palästinensischen Journalistin, zwei israelischen Journalistinnen und einer Jüdin aus den USA.

Die palästinensisch-israelische Journalistin Hanin Majadli am 13. Oktober

Man muss kein Gandhi oder eine besonders edle Seele sein, um von den Bildern des Gemetzels und der Gräueltaten im Süden entsetzt zu sein. Die Bilder von ganzen Familien, die ermordet wurden, von den Leichen junger Menschen, die über das Gelände eines Naturfestes verstreut waren, von anderen, die mit schreienden Babys in die Gefangenschaft geführt wurden, von Menschen, die in ihren Autos erschossen wurden und tot am Strassenrand lagen.

Für mich als Palästinenserin, welche die Ungerechtigkeiten der Besatzung und die schrecklichen Taten, welche die israelische Armee seit Jahren tagtäglich an meinem Volk verübt, sieht und auf diesen Seiten [in Haaretz] darüber schreibt, sind die jüngsten Verbrechen moralisch inakzeptabel. Ich war entsetzt.

Aber ich sehe auch den Kontext. Ich weise nicht darauf hin, um diese Gräueltaten zu rechtfertigen, sondern um zu erklären, was die meisten Israelis jahrelang nicht sehen wollten und sich deshalb jetzt überrascht und schockiert zeigen. Das scheint mir jetzt wichtig, denn in Zeiten der «Ruhe» ist niemand daran interessiert, mit den Palästinensern zu sprechen. Und wenn keine «Ruhe» herrscht, will man den Gazastreifen und alle, die dort leben, «plattmachen».

Das ist leider das emotionale Spektrum der Israelis in Bezug auf die Palästinenser. Dieser Kreislauf muss durchbrochen werden.

Auch schreckliche Verbrechen geschehen nicht im luftleeren Raum, sondern dort, wo es einen fruchtbaren Boden dafür gibt. Die Besatzung ist die Wurzel allen Übels und die Wurzel der Verzweiflung der Palästinenser. Die unmenschliche, gewaltsame und brutale Blockade des Gazastreifens schafft eine enorme Bereitschaft, schreckliche Aktionen wie diese zu unterstützen. Es sind etwa tausend Hamas-Kämpfer, welche die Gräueltaten begingen.

Aber fast immer sind es israelische Streitkräfte, die einmarschieren, bombardieren, entführen, schiessen und morden, ohne sich die Hände schmutzig zu machen. Am Grenzzaun sterben palästinensische Zivilisten. Im Viertel Shujaiyeh in Gaza-Stadt und im Flüchtlingslager Al-Shati werden ganze palästinensische Familien getötet. Nach jeder erfolgreichen «Operation» in Gaza sagen meine jüdischen Freunde zu mir: Es ist sehr traurig, Hanin, aber so ist der Krieg. Und ich sage: Nein, auch im Krieg gibt es Moral. Und die muss es geben, damit es Leben geben kann.

Diesen Artikel wird unter den schwierigsten Umständen verfasst, die ich je erlebt habe, seit ich mit dem Schreiben begann. Es ist schon in normalen Zeiten schwierig, eine palästinensische Israeli zu sein. In diesen Zeiten ist es fast unmöglich. Denn seit dem Beginn des Krieges werden ich und 2 Millionen weitere arabische Bürgerinnen und Bürger [in Israel] als schuldig betrachtet. Weil wir schweigen oder Angst haben oder weil wir es wagen, zu vergleichen, oder weil wir — und das ist das Schlimmste — über den Kontext und die Besatzung sprechen.
Ja, es ist beängstigend für uns [Palästinenserinnen in Israel], jetzt unsere Stimme zu erheben. Nicht jede und jeder ist dazu in der Lage. Aber ich empfinde es als meine moralische und universelle Pflicht gegenüber meinem Volk und diesem Ort, an dem ich lebe, wo ich Kolleginnen und Freunde habe, die ich liebe und um deren Leben ich mir Sorgen mache, angesichts der Entmenschlichung der Bewohner von Gaza nicht zu schweigen. Ich halte es für meine Pflicht, mich gegen alle Rufe nach Rache und blinder kollektiver Bestrafung zu wehren: das Abstellen von Wasser und Strom, das massenhafte Aushungern der Zivilbevölkerung, die völlige Zerstörung des Herzens von Gaza. Nichts von alledem ist eine angemessene Reaktion oder eine Lösung. Das sind Kriegsverbrechen.

Ich gebe zu, dass ich keine Lösung weiss. Aber Israel hat nicht nur nichts getan, um den Menschen im Gazastreifen unter seiner Militärblockade ein normales Leben zu ermöglichen, sondern es hat alles getan, um ihr Leben zu erschweren. Die Palästinenser verdienen Gerechtigkeit und Freiheit, und ich wünsche mir von ganzem Herzen, dass die Freiheit meines Volkes nicht mit israelischem Blut getränkt wird, und ich hoffe sehr, dass es noch ein paar Israelis gibt, die genauso denken.

Die Abrechnung muss mit der Hamas erfolgen, nicht mit allen Menschen im Gazastreifen

Die in Israel lebende palästinensische Journalistin Tamar Kaplansky am 12. Oktober

… Jeder, der an diesem verfluchten Ort lebt, hat wahrscheinlich gehört, was mit den Gefangenen geschieht. Kürzlich sprachen in der Fernsehserie «The One» des israelischen Staatsfernsehens Piloten des Jom-Kippur-Krieges über ihre Tage in ägyptischer und syrischer Gefangenschaft. Das Trauma, das sie erlitten haben, war in ihren Gesichtsfalten eingebrannt.
Angesichts der Bilder in den Social Media und grossen Medien klingen ihre Geschichten nach, ebenso wie die wahrscheinlichen Horrorszenarien. Ein Gedanke überschattet und erschüttert plötzlich meine Seele: So viele Frauen sind in den Gazastreifen verschleppt worden.
Doron Asher war mit ihren Töchtern Raz, 4,5 Jahre, und Aviv, 2,5 Jahre, zu ihrer Mutter, Efrat Katz nach Nahal Oz gefahren. Sie wurden alle gekidnappt…

Dikla Arva wurde mit ihrem Sohn Tomer und ihren Töchtern aus ihrem Haus in Nahal Oz verschleppt. Ihr Sohn Tomer, die Töchter Dafna und Ella und ihr Partner Noam Eliakim wurden aus ihrem Haus in Nahal Oz entführt. Ihre Tochter Odine hatte sich selbst in einem sicheren Raum versteckt, als sie ein Live-Video der Mutter sah, das Hamas-Mitglieder auf Facebook hochgeladen hatten…
Auf herzzerreissenden Fotos umarmt eine andere Mutter ihren Sohn, ein Baby in einem Tragetuch auf ihrer Brust. Die Kinder, der 4‑jährige Ariel und der 9 Monate alte Kfir, sind rothaarig. So klein. Später veröffentlicht die Hamas ein Video von ihnen. Sie weint. Ihr Mann und ihre Eltern werden vermisst und sind wahrscheinlich ebenfalls entführt worden, schreibt ein Verwandter. Ihre Mutter ist krank und braucht Medikamente…

Dutzende von Frauen werden vermisst. Ich schaue mir zwanghaft ihre Bilder an. Die jungen Leute von der Friedenspartei sind schön und lächeln. Ihre Eltern sind verzweifelt.

Ich denke an die Mutter von Abera Mengistu, die achteinhalb Jahre lang in der Gefangenschaft der Hamas auf ein Lebenszeichen gewartet hatte. Vor sechs Monaten veröffentlichte die Hamas ein Video von ihm, und seither ist nichts mehr zu sehen.

Ich las Berichte von Kriegsgefangenen, von Dutzenden von Männern, die mit Narben zurückkamen. Aber das ist nicht dasselbe. Mütter mit ihren Kindern, mit ihren Töchtern, junge Frauen, die auf «Vorher»-Fotos lächeln. Grossmütter, die ihre Enkel und Urenkel umarmen.

Der Gedanke lässt sich nur schwer artikulieren: Frauen zahlen in Kriegen einen anderen Preis. Sexuelle Gewalt ist eine Waffe in den Händen der Männer. Das ist immer so, und im Krieg ist es noch offensichtlicher. Die Körper der Frauen werden zu einem Instrument, mit dem die Männer den Besitz, den Sieg und die Demütigung des Feindes beweisen.

Selbst in der normalen Welt, wenn man sie so nennen kann, wird eine von fünf Frauen vergewaltigt. Eine von drei Frauen wird im Laufe ihres Lebens sexuell missbraucht. Eines von fünf Mädchen wird sexuell missbraucht; der Prozentsatz steigt mit dem Alter. Bis zum Alter von 12 Jahren sind Jungen in gleichem Masse betroffen.
Das ist die «normale» Realität. Das ist der Alltag. Was wird in der Hölle, deren Tore am Samstagmorgen geöffnet wurden, mit den gefangenen Frauen geschehen?

Unterdessen tagte das israelische Kabinett erst am Samstagnachmittag in aller Ruhe. Wie in einer Regierung mit dem niedrigsten Frauenanteil seit Jahren nicht anders zu erwarten, gab es eine beeindruckende und aufgeblasene Demonstration von Testosteron.

Die wenigen Frauen, die es schafften, einen Kabinettssitz in Israels schlechtester Regierung zu bekommen, haben nicht einmal zur Kenntnis genommen, dass zum ersten Mal in Israels Kriegen nicht nur Zivilisten entführt wurden, sondern darunter offenbar auch viele Frauen.

Die israelische Journalistin Amira Hass am 12. Oktober

Die israelischen Sicherheitskräfte haben die Verteidigung der Gemeinden in der Nähe des Gazastreifens vernachlässigt, weil sie damit beschäftigt waren, die Siedler im Westjordanland, ihre Landnahme und ihre Riten der Stein- und Altaranbetung zu verteidigen.
Dies ist eine der unausweichlichen Schlussfolgerungen, die aus den Gräueltaten vom Samstag gezogen werden müssen.

Diese Vernachlässigung steht in engem Zusammenhang mit einem der Hauptziele der Justizreform und ihrer religiös-zionistischen Unterstützer — der Beschleunigung der De-facto-Annexion des grössten Teils des Westjordanlandes und der Vergrösserung der jüdischen Siedlerpopulation. Dieses Ziel ist nicht nur nach wie vor auf dem Tisch, sondern lässt sich jetzt noch leichter verwirklichen.

Die israelischen und internationalen Medien ignorieren das Westjordanland, während die erschütternden Aussagen der Überlebenden der Anschläge vom Samstag allmählich an die Öffentlichkeit gelangen und das israelische Militär tödliche Vergeltungsbombardements auf den Gazastreifen durchführt und ihn von der Wasser‑, Strom- und Lebensmittelversorgung abschneidet.

Die ungenügende Aufmerksamkeit, die das Westjordanland in den Medien erhält, ermöglichte es den Siedlern und ihren offiziellen (Militär und Polizei) und halboffiziellen (Sicherheitsbeamte der Siedlungen und rechtsgerichtete Freiwillige, die als Eskorte fungieren) Vollstreckungsorganen, ihre Angriffe gegen palästinensische Hirten und Landwirte mit einem klaren Ziel zu eskalieren: noch mehr Gemeinschaften von ihrem Land und ihren Häusern zu vertreiben.

Wie brisant die Lage ist, zeigte sich am 11. Oktober, als drei Bewohner des Dorfes Qusra südöstlich von Nablus — zwei von ihnen Jugendliche — durch scharfe Waffen getötet und acht weitere verletzt wurden. Nach Angaben der Dorfbewohner handelte es sich bei den Schützen um maskierte Siedler, die mit drei Geländewagen in das Dorf eindrangen. Später, als es nach den Beerdigungen zu Zusammenstössen kam, wurde ein weiterer Jugendlicher in Qusra getötet, wobei noch unklar ist, ob dies durch die Armee oder andere geschah. Eine palästinensische WhatsApp-Gruppe, die Angriffe von Siedlern in Echtzeit dokumentiert, insbesondere in der Gegend nördlich von Ramallah, berichtete minütlich über die Ereignisse in Qusra. Diese Informationen fanden ihren Weg in die israelischen Nachrichten. Über andere Vorfälle, bei denen es keine Opfer gab, wurde jedoch nicht informiert.

Berichte gab es am 11. Oktober auch über Siedler, die auf Bauern schossen, die in dem Dorf Marda südwestlich von Nablus auf ihrem Land arbeiteten. Um 3:00 Uhr morgens wurde berichtet, dass Siedler in das Dorf Qaryout westlich von Jalud eindrangen und junge Palästinenser, die sich ihnen näherten, zur Rede stellten, bevor das Militär in das Gebiet eindrang und auf Häuser schoss.

Wenige Minuten vor 13 Uhr wurde über eine Gruppe bewaffneter Siedler informiert, die in die Stadt Qarawat Bani Hassan im Gouvernement Salfit, südwestlich von Nablus, eingedrungen war. Auf Videos, die der Meldung beigefügt waren, waren Schüsse zu hören. Ein Bewohner berichtete: «Siedler und drei Soldaten versuchten, Familien bei der Olivenernte zu vertreiben. Es kam zu einer Konfrontation, und [die Soldaten] schossen mit scharfen Waffen auf die Jugendlichen und zogen ab.»
Um 14.30 Uhr erschien ein Bericht über einen palästinensischen Anwalt, der aus Salfit herausfuhr und in der Siedlung Ariel von einem Wachmann oder einem anderen israelischen Zivilisten erschossen wurde. Als Grund wurde der Verdacht angegeben, er wolle einen Anschlag mit einem Auto verüben.
Um 14.35 Uhr ging eine Warnung ein, dass Siedler in der Nähe von Ni’lin auf palästinensische Autos schiessen. Um 15.30 Uhr kam ein Bericht über einen Siedlerangriff auf die Stadt Einabus, die westlich von Hawara liegt und an die Siedlung Yitzhar und ihre Aussenposten grenzt.

«Die Siedler versuchen, in eines der Häuser einzudringen», sagte die Stimme in dem beigefügten Video und warnte die Bewohner, sich vom Fenster fernzuhalten. Zwei Bewohner wurden durch die Schüsse verletzt, wie später berichtet wurde.

Die Möglichkeiten der Palästinenser, bedrohten Gemeinden zu helfen, sind eingeschränkter denn je. Seit dem 17. Oktober hat die israelischen Streitkräfte IDF viele Ein- und Ausgänge zu palästinensischen Städten und Dörfern blockiert, indem sie Betonblöcke und Erdhügel aufstellten und bereits vorhandene Eisentore verriegelten.

Die Städte und Dörfer sind voneinander abgeschnitten, wobei die Abriegelung in der Nähe von Jerusalem besonders streng ist. Ein Beamter einer internationalen Hilfsorganisation erklärte gegenüber Haaretz, dass es unmöglich sei, zwischen dem Norden und dem Süden des Westjordanlandes zu reisen. Die Strasse zwischen Bethlehem und Hebron ist für Palästinenser nahezu unzugänglich.

Eines der wichtigsten Ziele der Siedler ist es, palästinensische Fahrzeuge von den Hauptstrassen des Westjordanlandes zu verdrängen. Manchmal setzen sie dieses Ziel um, indem sie die Zufahrtsstrassen in und aus den Städten blockieren.

Die Abriegelung der palästinensischen Städte und das Fehlen palästinensischen Verkehrs auf den Hauptstrassen erleichtern dem Militär in diesem angespannten Moment die Kontrolle des Gebiets. Und als Nebenprodukt setzen sie den Plan der religiösen zionistischen Führer, die Palästinenser verschwinden zu lassen, in die Tat um.

Die jüdische US-Präsidentschaftskandidatin Marian Williamson,  am 13. Oktober

Die Situation in Israel und im Gazastreifen ist derzeit extrem gefährlich, nicht nur für die Menschen in diesen beiden Regionen, sondern für die ganze Welt. Schwarz-Weiss-Denken hilft niemandem und hat keinen Platz in einer ernsthaften Analyse der aktuellen Situation. Hier gibt es viele Wahrheiten gleichzeitig.

Gräueltaten, wie sie von der Hamas an Zivilisten in Israel begangen wurden, waren Akte des puren Bösen, die gegen die grundlegendsten Gebote einer moralischen Welt verstossen. Die Invasion hat die Sache der Gerechtigkeit für die Palästinenser nicht vorangebracht. Wenn überhaupt, hat sie die Sache der Gerechtigkeit für die Palästinenser um Jahrzehnte und möglicherweise länger zurückgeworfen. Die Hamas ist eine terroristische Organisation. Es war ein terroristischer Angriff. Ihr erklärtes Ziel ist die vollständige Auslöschung des Staates Israel. Sie wird sich mit nichts Geringerem zufriedengeben.

Während oft – fälschlicherweise – behauptet wird, das Ziel Israels sei die Ausrottung der Palästinenser, ist das erklärte Ziel der Hamas die Ausrottung der Juden. Es ist klar, dass sie es versuchen, und man kann nicht erwarten, dass Israel nicht darauf reagiert. Niemand hat erwartet, dass die USA nach dem 11. September nicht gegen Al-Qaida vorgehen würden. Und so sollte niemand erwarten, dass Israel gegen die Hamas nicht vorgehen würde.

Aber «Auge um Auge» macht nicht nur alle blind, sondern in diesem Fall auch alle tot. Während ich tagelang über das Ereignis weinte, bei dem zehnmal mehr Juden ausgelöscht wurden als in der Kristallnacht starben, weine ich jetzt dieselben wütenden und hilflosen Tränen für die über zwei Millionen Menschen, die im Gazastreifen leben und von denen über die Hälfte Kinder sind.

Es müssen sofort humanitäre Korridore eingerichtet werden. Die Belagerung muss beendet und die Stromversorgung sofort wiederhergestellt werden, damit die Krankenhäuser mehr als nur Friedhöfe sein können. Der Zivilbevölkerung des Gazastreifens und ausländischen Staatsangehörigen muss sicheres Geleit gewährt werden.

Die Hamas ist nicht das palästinensische Volk. In Wirklichkeit übt die Hamas eine diktatorische Macht über ihr eigenes Volk in Gaza aus. Unschuldige Palästinenser zahlen bereits einen schrecklichen Preis für die Ereignisse. Ihre Sicherheit muss für die Welt eine ebenso hohe Priorität haben wie die Sicherheit unschuldiger Israelis.

Die Hamas kündigte an, dass sie eine nach der anderen der 150 Geiseln hinrichten werde, wenn Israel militärisch gegen den Gazastreifen vorgehe. Das hat die Angehörigen der Geiseln und die gesamte israelische Nation in einen Zustand schrecklichen Traumas versetzt. Kein Mensch guten Willens irgendwo auf der Welt möchte, dass diese Geiseln hingerichtet werden. Der durch einen solchen Wahnsinn erzeugte Hass würde nur die Feindseligkeit verstärken, die bereits zwischen viel zu vielen Israelis und Palästinensern besteht – zwei Völkern, die, wie wir uns erinnern sollten, jahrhundertelang in Frieden gelebt haben und hoffentlich eines Tages wieder in Frieden miteinander leben werden.

Eine der tragischen Folgen dieser Situation ist, dass Viele Palästinenser und Israelis jahrelang auf einen besseren Weg hingearbeitet haben – nur um jetzt zu sehen, wie ihre Träume vom Frieden durch die Ereignisse zunichte gemacht werden.

Als Präsidentin [der USA] hätte ich mich in den Jahren davor viel aktiver für die Vermittlung eines Friedens zwischen Israel und den Palästinensern eingesetzt. Israel militärisch zu unterstützen, ohne auf die nötige Gerechtigkeit für Palästinenserinnen und Palästinenser zu pochen, war ein Versagen der amerikanischen Führung und ein Verstoss gegen unsere eigenen Werte.

Sobald Trump aus dem Amt war, hätte ich die US-Botschaft zurück nach Tel Aviv verlegt. Ich hätte nicht zugelassen, dass das Abraham-Abkommen [zwischen den USA und den Emiraten] die Sache der Gerechtigkeit für das palästinische Volk auf ein Minimum reduziert. Ich hätte Gerechtigkeit für [die palästinensisch-amerikanische Journalistin] Shireen Abu Akleh gefordert. Ich hätte gefordert, dass die militärische Unterstützung Israels – die durch eine Vereinbarung des Kongresses geschaffen wurde, die bis 2028 gilt – nicht in einer Weise verwendet wird, welche die Besetzung des Westjordanlandes, die Siedlungen oder die Blockade des Gazastreifens unterstützt. Ich hätte alle Bemühungen um die Wiederbelebung der Pläne für eine Zweistaatenlösung unterstützt. Ich hätte die amerikanische Macht genutzt, um mich auf die Seite unseres wichtigsten Verbündeten zu stellen: der Menschheit selbst.

Ich schätze die moralische Klarheit der Rede von Präsident Biden vom 10. Oktober. Sie kam eindeutig aus seinem Herzen. Meine Klarheit und mein Mitgefühl wären jedoch universeller gewesen. Ich hätte dem amerikanischen Volk gegenüber betont, dass die Hamas nicht das palästinensische Volk ist, und das palästinensische Volk ist nicht die Hamas. Die palästinensischen Amerikaner hätten ebenso wie die jüdischen Amerikaner in meiner Rede sowohl Respekt als auch Unterstützung erfahren. Als Amerikanerin und als Jüdin stehe ich auf der Seite Israels. Aber ich stehe nicht weniger für die legitimen Bestrebungen des palästinensischen Volkes ein.