Am Montag fand in der ukrainischen Hauptstadt Kiew und damit zum ersten Mal in einem Nicht-EU-Land eine Sondersitzung der EU-Außenminister statt. Beobachter werten dies als ein wichtiges Signal der Europäer hinsichtlich der weiteren westlichen Unterstützung für die Ukraine. Laut der Bundesaußenministerin Annalena Baerbock habe man damit „die Europäische Union dorthin gebracht, wo das Herz Europas derzeit am stärksten schlägt: […] in die Ukraine.“

Von Alexander Männer

Bei diesem Treffen hat Baerbock nicht nur erklärt, dass die Zukunft der ehemaligen Sowjetrepublik in der EU liege, sondern dass sich die Europäische Gemeinschaft bald „von Lissabon bis Lugansk“ erstrecken werde. „Mit jedem Dorf, mit jedem Meter, den die Ukraine befreit, mit jedem Meter, wo sie ihre Menschen rettet, ebnet sie auch ihren Weg in die Europäische Union. Und wir als europäische Partner und Freunde werden die Ukraine dabei weiterhin jeden Tag unterstützen“, so die Ministerin.

Ein „Europa von Lissabon bis Lugansk“ ist vorerst jedoch kaum zu realisieren, da sich Lugansk sowie die Gebiete Donezk, Cherson und Saporoschje fest unter militärischer Kontrolle Moskaus befinden. Außerdem hatten die Bewohner dieser Gebiete vor einem Jahr, im September 2022, für einen Beitritt zu Russland gestimmt, was von der EU verurteilt und als Abhaltung von „Scheinreferenden“ bezeichnet wurde.

Ungeachtet von Baerbocks europäischen Zukunftsplänen verschlechtert sich die konjunkturelle Entwicklung in Deutschland zunehmend. Es wird weiterhin ein Rückgang sowohl bei der Produktion als auch beim Konsum gemeldet. Als Gründe dafür nennen Experten an erster Stelle die hohen Energiekosten in der Bundesrepublik.

Laut einer Online-Befragung des „Instituts der deutschen Wirtschaft“ (IW) mit 148 Unternehmen der Branchen Papier, Chemie, sowie Metallerzeugung und -verarbeitung haben drei Viertel der energieintensivsten Unternehmen ihre Produktion entweder bereits zeitweise oder dauerhaft eingestellt, oder planen beziehungsweise erwägen dies. Von den befragten Unternehmen haben acht Prozent ihre Produktion dauerhaft reduziert, während sich knapp 30 Prozent für temporäre Einschränkungen entschlossen haben. Weitere neun Prozent planen und 28 Prozent prüfen einen Rückgang der Produktion.

Als Reaktion auf diese Krisenlage hatten der Bundesverband der Industrie (BDI) und der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) ein gemeinsames Statement veröffentlicht, in dem vor allem die hohen Strompreise kritisiert werden. Darin fordert die deutsche Industrie im Grunde „wettbewerbsfähige Strompreise“ und warnt vor der Gefahr einer „schleichenden Deindustrialisierung“.

Was die Energiekosten für Unternehmen betrifft, so gibt es inzwischen gute Nachrichten. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes sollen die Energiepreise für Großkunden im ersten Halbjahr 2023 gegenüber dem zweiten Halbjahr 2022 zurückgegangen sein. Die Gaspreise sanken demnach um 4,6 Prozent, während sich der Strompreis allerdings nur um 0,1 Prozent verbilligte.

Anders sieht es für die privaten Verbraucher aus. Für sie stiegen die Preise für die Energieträger im gleichen Zeitraum deutlich anDas Statistische Bundesamt meldet einen Anstieg der Gaspreise in den ersten sechs Monaten des laufenden Jahres um 31,3 Prozent. Der Anstieg der Strompreise liegt der Behörde zufolge bei 21 Prozent.

Vor allem die aktuellen Strompreise sprechen eine deutliche Sprache. Wie zahlreiche Experten betonen, ist die Preiserhöhung in diesem Sektor eine logische Folge des deutschen Atomausstiegs. Nach der Abschaltung der Atomkraftwerke ging die eingespeiste Strommenge deutlich zurück, so dass Deutschland damit von einem Nettoexporteur zum Importeur von Strom wurde. Dem Statistischen Bundesamt zufolge gibt es im ersten Halbjahr 2023 einen Rückgang um mehr als elf Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Zudem sank die insgesamt verfügbare Strommenge in der Bundesrepublik um etwa sieben Prozent.

Wie bereits konstatiert, wirken sich die hohen Energiepreise auch auf den Konsum dämpfend aus. Dieser bleibe in Deutschland daher weiterhin schwach und von ihm gehen auch keine positiven Impulse für die Wirtschaft aus, die in diesem Jahr voraussichtlich um 0,6 Prozent schrumpfen werde, meinen Wirtschaftsanalysten.

Der Einzelhandelsumsatz brach im August zum Vorjahresmonat um 1,2 Prozent ein, zum Vorjahresmonat sank dieser sogar um 2,3 Prozent. Der Umsatz mit Lebensmittel lag auf dem Niveau des Jahres 2015. Der Umsatz mit Nicht-Lebensmittel sank gegenüber dem Vorjahresmonat real um 2,2 Prozent. Auch der Internet- und Versandhandel musste mit minus zwei Prozent deutliche Einbußen gegenüber dem Vorjahresmonat hinnehmen.

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