Wir haben für Sie die interessantesten Momente des Gesprächs mit Oscar Lafontaine zusammengestellt. Tom J. Wellbrock sprach mit Oskar Lafontaine über den aktuellen Konflikt in der Ukraine, seine wirtschaftlichen Auswirkungen auf die deutsche Produktion und die Bürger, Waffenlieferungen an die Ukraine und das Protestpotenzial Deutschlands. Außerdem diskutierte er darüber, was der Welt bevorsteht, wenn der „wankende Riese “ USA die entgleitende Chance ergreift, eine unipolare Welt aufrechtzuerhalten und die einzige Supermacht zu bleiben, ohne die Konkurrenz mit China, Russland und Indien zu beachten.

Dieser Auszug aus unserem Podcast mit Oskar Lafontaine wird in Medien in Tschechien und in Polen erscheinen.

neulandrebellen: Der Krieg in der Ukraine hätte verhindert werden können. Offenbar bestand daran aber aufseiten des Westens kein Interesse. Würden Sie da mitgehen?

Oskar Lafontaine: Der Krieg ist ja seit Jahrzehnten vorbereitet durch die Vereinigten Staaten. Die außenpolitischen Vordenker der Vereinigten Staaten, ich nenne einmal Kissinger oder auch Brzeziński, haben ja schon lange darauf hingewiesen, dass die Ukraine, wenn sie unter Einfluss der USA gerät, sicherstellen würde, dass Russland keine Weltmacht mehr sei. Auch heute wird der Konflikt von den USA als eine geostrategische Auseinandersetzung mit Russland bewertet. Die Ukraine ist praktisch nur das Schlachtfeld. Auch in der Ukraine kämpfen die USA gegen Russland, um den Weltmarktstatus Russlands zu untergraben.

Der überwiegende Teil der Länder ist weder an einer Kriegsverlängerung noch an Sanktionen interessiert. Deutschland geht da ja offensichtlich einen anderen Weg. Ich habe vor kurzem mit einem Kollegen gesprochen, der sagte, dieses Land wird kaputt gemacht. Am Ende wird nichts mehr übrigbleiben. Und die Ukrainer werden uns irgendwann nicht dankbar sein für die Waffenlieferung, oder?

Ja, wer glaubt, mit Waffenlieferungen könne man diesen Konflikt beenden, müsste doch jetzt nach einem Jahr darüber nachdenken, ob das der richtige Weg war. Hunderte, Tausende, Zigtausende sind gestorben. Die Ukraine ist mehr und mehr zerstört und es soll immer so weitergehen, ohne dass ein Ende absehbar ist. Daher ist es erstaunlich, dass in Deutschland immer noch diese törichte Politik verfolgt wird, während doch größere Teile der Welt, Gott sei Dank, längst zu einem anderen Ergebnis gekommen sind.

Jetzt sieht es so aus, als ob die deutsche Politik das Land quasi flächendeckend gegen die Wand fährt, so dass am Ende von dem Industriestandort Deutschland kaum noch was übrigbleibt. Oder übertreibe ich da?

Auf jeden Fall gibt es Gründe, diese Befürchtung zu haben. Was mich wundert ist, dass die deutsche Industrie nicht Alarm schlägt. Man könnte jetzt sagen, die Beteiligung von US-Firmen oder US-Vermögensverwaltungsfirmen innerhalb der deutschen Industrie ist mittlerweile so weit fortgeschritten, dass eben diese Widerstandskräfte nicht mehr in ausreichendem Maße vorhanden sind. Auf jeden Fall kann man sagen, dass der Einfluss der USA in der Bundesrepublik viel zu groß ist. Wir sind praktisch ein kläglicher Vasallen-Staat geworden. Kennzeichen für diese Behauptung war eben die Szene, als der Scholz wie ein begossener Pudel neben Biden stand und Biden gesagt hat, wir werden diese wichtige Energieversorgungsleitung zerstören.

Deutschland ist ja ein Industrieland und ein Industrieland muss immer darauf achten, dass es wettbewerbsfähige Energiepreise hat. Und das Ergebnis des Ukraine-Krieges, um es kurz zu formulieren, ist ja, dass Deutschland viel schlechtere Energiepreise hat als beispielsweise die Vereinigten Staaten. Aber wenn eben das Ziel der US-Politik war, Deutschland und Russland gegeneinander zu hetzen, dann ist es in großem Ausmaß gelungen. Und das ist ja auch das eigentlich Ärgerliche, und wenn man so will, epochal Schädliche, was jetzt eingetreten ist: Auf lange Jahre hat eben Deutschland keine guten Beziehungen mehr zu Russland, obwohl das zwingend geboten wäre. Und das ist der schwerste Fehler der jetzigen Regierung, warum sie besser heute als morgen verschwinden sollte. Der schwerste Fehler ist, dass sie all das zerstört hat innerhalb kürzester Zeit, was eben viele Regierungen im Verhältnis zu Russland seit Adenauer aufgebaut haben.

Das sieht natürlich der Westen und sehen die USA logischerweise anders bzw. verfolgen andere Ziele. Befürchten Sie da tatsächlich einen Weltkrieg, mit atomaren Gefahren bzw. vielleicht auch einen heißen Krieg auf Europa reduziert?

Ja, es ist so, dass man immer befürchten muss, dass solche scheinbar regionalen Konflikte sich ausweiten, in diesem Fall eben auf Europa ausweiten. Die Konstante der US-Politik seit vielen Jahren ist ja, wir wollen die einzige Weltmacht bleiben. Und wenn ein Land die einzige Weltmacht bleiben will, gerät es notwendigerweise in Konflikt mit denen, die ebenfalls Weltmacht sein wollen, wie China oder Russland oder demnächst auch Indien.

Oder wenn tatsächlich Russland und die Vereinigten Staaten echt aneinandergeraten würden, es zu einem Weltbrand kommen würde. Aber diese Gefahr ist immer gegeben und sie ist im Ukraine-Konflikt jetzt echt gegeben, da ja mittlerweile klar ist, dass auch China sorgfältig beobachtet, was dort passiert und mittelbar verwickelt ist in diesen Konflikt. Und da die USA ja den Ukraine-Konflikt mittlerweile auch behandeln als eine Vorstufe zu einer Auseinandersetzung mit China. Die sogenannte Rand Corporation hat ja vor einigen Wochen geschrieben, man soll den Konflikt beenden in der Ukraine, damit die USA sich gegen ihren Hauptgegner wenden könnten. Und das sei China.

Die Medien geben halt das politisch orchestrierte Narrativ wieder und unterstützen es. Dieses Zusammenspiel von Politik und Medien – führt das tatsächlich dazu, dass die Bevölkerung hilflos ist?

Ich würde Ja sagen, wenn die Propaganda der Regierenden sich durchsetzt – und das ist ja leider so, denn sonst wäre es ja so, dass eben die Leute in Massen auf die Straße gehen müssten und sagen: Wann hört das denn auf? Wir können doch nicht zulassen, dass in diesem Ausmaß unser eigenes Land aufs Spiel gesetzt wird. Denn wenn es wirklich zu einem europäischen Krieg käme, würden sie ja einsehen, wir können das nicht weiter tun, denn wir sind zunächst einmal verpflichtet, die Sicherheit unseres Landes im Auge zu haben. Und da gäbe es ja eben nur eine Antwort: Europa muss sich selbstständig machen und aus diesen US-Kriegen in aller Welt lösen. Dass die USA, dass Senat und Kongress ja von der Waffenindustrie gesteuert werden, kann ja ein Informierter nicht mehr in Abrede stellen. Und wenn es Kriege gibt und wenn es eben soziale Verwerfungen gibt, und wenn es viele Leute in Armut gibt, dann setzen sich die Interessen der Mehrheit nicht durch.

Der Auszug vom Interview geführt von Tom J. Wellbrock wurde von Neuland Rebellen übernommen.

Der Originalartikel kann hier besucht werden