Fossiles Erdgas, welches hauptsächlich aus Methan besteht, ist über einen Betrachtungszeitraum von 20 Jahren etwa 85 mal klimaschädlicher als CO2. Die Konzentration von Methan in der Atmosphäre ist in jüngster Vergangenheit so stark angestiegen wie nie zuvor.

von Anika Bausch

Obgleich Erdgas bei der Verbrennung in CO2 (und Wasser) umgewandelt wird, entweichen erhebliche Mengen von Methan bei der Förderung und dem Transport von Erdgas in die Atmosphäre. Das hat verheerende Folgen für das Klima. Diese sogenannten Leakages (Lecks) werden viel zu selten berücksichtigt, wenn es um die Klimabilanz von Erdgas geht.

Häufig wird Erdgas als Brückentechnologie und als die klimafreundliche Alternative zu Kohle und Öl dargestellt. Berücksichtigt man jedoch die Methan-Verluste und Emissionen beim Transport, so ist Erdgas ähnlich klimaschädlich wie Kohle. Klar ist, dass für die Stabilisierung des Klimas die Emissionen von CO2 auf null gesenkt werden müssen. Damit ist auch klar, dass Erdgas keine Brücke in die Zukunft darstellt, sondern ein Teil der fossilen Vergangenheit und Gegenwart ist, die wir dringend überwinden müssen.

Die Zeit läuft ab. Bereits in wenigen Jahren werden wir so viel Methan, CO2 und andere Treibhausgase in der Atmosphäre haben, dass die Erwärmung 1,5°C übersteigen wird. Jenseits des 1,5°C-Limits ist die Stabilität des Klimas in Gefahr. Mit jedem weiteren zehntel Grad steigt diese Gefahr weiter an. Ein stabiles Klima ist das Fundament unserer Zivilisation. Ein instabiles Klima bringt sie auf vielfache Weise durch Verteilungskämpfe, Flucht und Krieg ins Wanken und irgendwann zum Einsturz. Unser Handeln in den nächsten Jahren entscheidet, wie groß diese Gefahr für unsere Kinder, Enkelkinder und alle weiteren Generationen sein wird.

Derzeit wird in Europa, auch bedingt durch den menschenverachtenden Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine, in übertriebenem Maße in neue Gasinfrastruktur investiert. Ungeachtet der Lehren, die man aus den Ereignissen des letzten Jahres ziehen müsste, propagieren politische und wirtschaftliche Akteure in Europa bis heute das Festhalten und den Ausbau an Infrastruktur für fossiles Erdgas. Diese Politik ist bar jeder wissenschaftlicher Grundlage und Vernunft und kann nur durch blindes Festhalten an alten Ideologien erklärt werden.

Aus wissenschaftlicher Sicht sind die Ängste und Befürchtungen all jener, die diese politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen mit Sorge sehen und ihnen aktiv entgegentreten, völlig gerechtfertigt. Der Protest gegen den weiteren Ausbau von Erdgas-Infrastruktur und für einen Ausstieg aus Erdgas sowie allen fossilen Energieträgern auf dem allerschnellsten Weg zeugt von Vernunft, das Festhalten an Kohle, Öl und Gas hingegen zeugt von ideologischer Verblendung. Um diese Verblendung rechtzeitig zu überwinden, sind angesichts der enormen Bedrohungslage und Dringlichkeit sämtliche gewaltfreien Protestformen aus Sicht der unterzeichnenden Wissenschaftler:innen gerechtfertigt.

Koordinationsteam der Scientists for Future Wien

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