Die Gesetzesänderung erschwert Recherchen über Schwedens Beziehungen mit anderen Staaten oder Organisationen wie der NATO.

Pascal Sigg für die Online-Zeitung Infosperber

Der Reichstag, das schwedische Parlament, änderte am Mittwoch sein Grundgesetz. Neu macht sich strafbar, wer Informationen weitergibt, welche die Beziehung Schwedens zu anderen Nationen oder Organisationen wie UNO oder NATO schwächt. Dies bedeutet: Whistleblower oder Medien sind nicht mehr länger durch die Mitteilungsfreiheit geschützt. Sie könnten nun wegen Auslandsspionage angeklagt werden.

Weil diese Gesetzesänderung das Grundgesetz betrifft, musste ihr der Reichstag zweimal – und zwar vor und nach einer Reichstagswahl – zustimmen. Dies geschah zum ersten Mal 2021. Damals stimmten einzig die Liberalen und die linke Partei Vänsterpartiet dagegen. Am Mittwoch stimmten die Liberalen dafür. Diesmal stellte sich neben der Vänsterpartiet die grüne Miljöpartiet als einzige gegen die Vorlage.

In einem Beitrag in der Tageszeitung Dagens Nyheter stellten sich zehn ExponentInnen der Medienbranche gegen die Gesetzesänderung. Sie warnten davor, dass beispielsweise Recherchen über die Bedingungen der Türkei zur schwedischen NATO-Mitgliedschaft, wie die Aufhebung des Waffenlieferungsembargos, illegal sein könnten. Oder dass sich der Schwede Anders Kompass, der möglicherweise einen internen UN-Bericht über Kindsmisshandlungen französischer Friedenstruppen im Kongo weitergegeben hat, strafbar gemacht hätte. Auch die 2013 veröffentlichten Recherchen über die Unterstützung der schwedischen Regierung beim heimlichen Bau einer Waffenfabrik in Saudi-Arabien wären wohl illegal gewesen.

Der schwedische Meinungsfreiheitsexperte Nils Funcke kritisierte den Parlamentsentscheid im Fernsehsender SVT: Um derartige Grundgesetzänderungen zu machen, bräuchte es ein gut dokumentiertes Bedürfnis. Die Gesetzesänderung sollte sodann nur dieses Bedürfnis feinchirurgisch behandeln. Man sollte keine derart breiten Bestimmungen erlassen.

Tatsächlich macht Schweden gerade Erfahrungen mit Ausslandsspionage und Journalismus. Wie Dagens Nyheter jüngst berichtete, wurden in den letzten Wochen und Monaten wiederholt geflüchtete Exiljournalisten in einer türkischen Zeitung an den Pranger gestellt und inklusive Wohnadresse in Schweden genannt. Worauf Präsident Erdogan in den NATO-Verhandlungen mit Schweden deren Auslieferung verlangte. Viele der betroffenen Personen glauben, dass der türkische Geheimdienst an den Untersuchungen beteiligt ist.

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