Daniela Gschweng für die Onlinezeitung Infosperber

September 2022 war der schlimmste Monat seit zehn Jahren. In der Amtszeit von Jair  Brasging die Fläche Belgiens verloren.

In Wahljahren geht in Brasilien besonders viel Amazonasregenwald in Flammen auf. Das legten Studien nahe, schreibt die Presseagentur AP. So ist es auch in diesem Jahr. Bis zum 23. September wurden bereits so viele Feuer registriert wie im gesamten Jahr 2021.

Der Amazonas brennt. Seit Jahren. Seit Präsident Jair Bolsonaro im Amt ist, hat sich die Entwaldung beschleunigt. Zwischen dem 1. August 2019 und 31. Juli 2021 verlor der Amazonas 34 ̓000 Quadratkilometer Wald. Das sind 52 Prozent mehr als in den drei vorangehenden Jahren und entspreche einer Fläche grösser als Belgien, vergleicht VOX. Der September 2022 wird für den Regenwald der schlimmste Monat seit mehr als zehn Jahren sein.

Es stand schon deutlich schlechter für den Amazonaswald

Es war aber auch schon deutlich schlimmer. 2004, kurz nach Amtsantritt von Bolsonaros jetzigem Herausforderer und Ex-Präsident Luiz Inácio Lula da Silva, verlor der brasilianische Amazonas jedes Jahr 28’000 Quadratkilometer Wald. Diese Angaben stammen von der brasilianischen Behörde INPE, die den Wald mit Satellitendaten überwacht.

Lula schaffte es, die Entwaldung bis 2012 auf 4600 Quadratkilometer jährlich zu drücken. Vor allem indem er Institutionen besser finanzierte und dafür sorgte, dass Gesetze zum Schutz des Waldes durchgesetzt wurden.

Brasilien wurde unter Lula vorübergehend zum Vorzeigestaat in Sachen Umwelterhaltung. Wie die meisten Medien, die sich mit Bolsonaros Umweltbilanz beschäftigt haben, hat VOX dazu eine Grafik; diese stammt von «Carbon Brief».

Schätzungsweise 18 Prozent des brasilianischen Amazonas sind aktuell bereits entwaldet. Erreicht die Entwaldung 20 bis 25 Prozent, könnte das Waldgebiet einen Kipppunkt überschreiten. Ein Teil des Amazonasbeckens würde dann unumkehrbar austrocknen (Infosperber berichtete). Die für das Weltklima und die Artenvielfalt enorm wichtigen Wälder würden von einer Kohlenstoffsenke zur CO2-Quelle.

Brasilien wird Zusagen nicht einhalten können

Bolsonaro streitet ab, dass sich die Feuer vermehren, trotz anderslautender Daten seiner Behörden. Seit 2019 reduzierte er nicht nur die Mittel für den Erhalt des Regenwaldes, er kündigte auch Umweltexperten und hörte auf, Schutzgesetze durchzusetzen.

Als Präsident machte er deutlich, dass er vom Erhalt von Schutzgebieten für die indigene Bevölkerung wenig hält. Ein Drittel der Entwaldung wird durch Landräuber verursacht, die öffentlichen Grund in Besitz nehmen, einschliesslich der Gebiete Indigener. Bolsonaro unterstützt und ermutigt sie dabei.

Brasilien wird dabei seine auf der Weltklimakonferenz 2021 gemachten Zusagen zur Reduktion der Treibhausgasemissionen kaum einhalten können. 40 Prozent seiner Emissionen stammen aus Entwaldungsaktivitäten. Brasilien argumentiert, dass die Gesetze Länder diskriminieren, die tropischen Regenwald besitzen.

«Unter Bolsonaro gibt es keine Hoffnung für den Amazonas.»

Cristiane Mazzetti, Greenpeace Brasilien

Wer der nächste brasilianische Präsident wird, wird sich bei der Stichwahl Ende Oktober zeigen. Setzt Bolsonaro seine Präsidentschaft fort und macht weiter wie bisher, bliebe die Entwaldungsrate bei über 10’000 Quadratkilometern im Jahr. Das hat eine Studie errechnet, die «Carbon Brief» bei der Universität Oxford in Auftrag gegeben hat. Wahrscheinlich sei sogar, dass sich die Entwaldung beschleunige.

Falls Lula die Wahl gewinnt und seine in der Vergangenheit strengere Auslegung der Gesetze wiederholt, könnte die Entwaldung in Brasilien bis zum Ende des Jahrzehnts auf rund 1500 Quadratkilometer pro Jahr sinken, rechnen die Forschenden aus.

Besser als Bolsonaro bekäme es jeder hin

Die Messlatte für die Erhaltung der Amazonaswälder liege aber unglaublich niedrig, schreibt VOX. Besser für die Umwelt als Bolsonaro bekäme es jeder hin.

Unter Bolsonaro gebe es für den Amazonas keine Hoffnung, sagt Christiane Mazzetti von Greenpeace Brasilien gegenüber dem «Daily Mirror», der in einer Reportage aus dem Amazonasgebiet berichtet. Unter anderem leiden dort grosse Teile der Bevölkerung unter der durch Brände verursachten schlechten Luftqualität. Indigene werden bedroht, vertrieben und teilweise sogar ermordet.

Die Wählenden setzen andere Schwerpunkte

Für die Bevölkerung Brasiliens haben Wald und Klima dennoch eine eher geringe Priorität. Ausser den Präsidenten wählte Brasilien am 2. Oktober auch in den Bundesstaaten. Umweltthemen hätten im Wahlkampf kaum eine Rolle gespielt, berichtet AP. In Para, einem der Staaten mit grosser Entwaldung, seien diese in einer TV-Debatte kaum berührt worden. Wichtiger sei nach den Jahren der Pandemie die kränkelnde Wirtschaft.

Paul Barreto, der für das Amazon Institute of People and the Environment (Imazon) forscht, sieht einen wichtigen Hebel bei den Medien. «Die Tatsache, dass Journalisten nicht nach dem Umweltschutz fragen, ist ein noch grösseres Problem», sagt der Forscher der Non-Profit-Organisation.

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