Ich kenn‘ Sie doch – Sie wundern sich über gar nischt mehr! Womöglich könnten Sie nicht mal taktische Atomwaffen aus der Ruhe bringen. Verständlich also, wenn sich keine Sau darüber aufregt, dass Ihre eigene Regierung in diesen Zeiten der Lobby der Haus- und Grundbesetzer doppelt so oft Gehör schenkt wie der Armee der Mieter. Das sind zu viele. Vonovia kann jetzt wieder mal frohgemut ihren Kunden ans Eingemachte gehen, solange noch was da ist. Schon meine Omi Glimbzsch aus Zittau wusste: Wer sich nicht wehrt, lebt verkehrt oder landet auf der Straße. 50 000?

Genaues weiss keiner nicht genau, denn in den Nächten ist nicht viel zu sehen, auch wenn der Letzte immer noch nicht das Licht ausgemacht hat.

In den Gossen von heute suhlen sich inzwischen wohlig die grünen Bahnfahrenden mit ihrem sozialdemokratischen 9-Euro-Tick. Auf liberaler Seite setzt man eher auf Daimler: Mit einer konsequenten Luxusausrichtung sowie dem Fokus auf E-Antrieb und exzellenter Software will man Christian Lindner ans Leder fesseln.

Daimler hat dabei auch die knorrigen Eisenbahner an seiner Seite. Die setzen alles dran, um die Menschen zum Autofahrer erziehen: Sie pumpen jedes Jahr mehr als 9 Milliarden EU in die Deutsche Bahn – genau das Geld, das für Ihre Verteidigung jetzt fehlt, aber hier wie dort nicht hilft, es sei denn, unsere Leute besiegen Putin für immer und die Ukraine wird deutsch. Übrigens, im Gegenzug zu den 9 Bahn-Milliarden kommen die Züge immer unpünktlicher an. Ausgefallen. Auf diese Weise kommen Sie aber auch nie zu spät, aber eben auch nie an.

Damit wir uns richtig verstehen: Ich bin ein ausgewiesener, gewaltbereiter Bahnfreund. Meine Freundschaft umfasst den gesamten europäischen öffentlichen Nahverkehr ohne private PKWs nebst Fahrrad-Mitnahme und die Nachtzüge nach Dresden und Berlin wie damals. Private PKW erlaube ich Ihnen ausnahmsweise nur dort, wo keine Busse und Bahnen mehr fahren. Die Bahn hat – das müssen Sie doch noch wissen, Sie haben die doch gewählt! – jahrelang dafür gesorgt, dass es immer mehr Ausnahmen gibt. Streckenmord, und das ist fast so grausam wie Privatisierung oder Stuttgart21 samt Gäubahn-Desaster. Hier schießt sich der Kreis: Die nun wirklich und nicht nur im Bahnvideo einmalig schönen Panoramastrecken mit einem idealen Zulauf in den Stuttgarter Kopfbahnhof muss wohl oder übel zugunsten von Immobilien-Interessen schließen. Eher übel. Zum Mitsingen: Schuld ist nur der

Bossa Nova, der ist schuld daran …

Für die Daimler-Fans unter ihnen, die umsteigen wollen, weil ihnen selbst das billigste Modell (100.000 Euro, aber noch ohne Räder) zu teuer ist: Vorsicht an der Bahnsteigkante, Zurücktreten bitte! Bis in die neunziger Jahre (die waren erst neulich) gab’s die Tages- und Nachtverbindung Stuttgart – Prag, gab’s durchgehende D-Züge wie Hof – Strasbourg. Bayreuth – Zürich – Milano, gab’s durchgehende Verbindungen Stuttgart – Nürnberg – Berlin, Stuttgart – Hof – Leipzig, gab’s Karlsruhe – Görlitz, gab’s Gera – Zwickau – Hof – Stuttgart – Karlsruhe, gab es Schnellzug Stuttgart – Aalen – Donauwörth – München. Jetzt gibt’s 9-Euro-Ticket.

Hopfen und Malz, – aber Gott erhalt’s.

Peter Grohmann’s „Wettern der Woche“