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Nikos Stergiou: Wir haben die Chance, die Anti-Atomkraft-Bewegung in Griechenland wiederzubeleben

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Nikos Stergiou: Wir haben die Chance, die Anti-Atomkraft-Bewegung in Griechenland wiederzubeleben
Der Präsident der Organisation Welt ohne Krieg und Gewalt, Nikos Stergios.

Anlässlich der Kampagne gegen Atomwaffen #SaveTheCity sprechen wir mit Nikos Stergios, Präsident und Gründungsmitglied des griechischen Büros der Organisation Welt ohne Krieg und Gewalt.

Wir wissen, dass Welt ohne Krieg und Gewalt eine Initiative gestartet hat, um das Bewusstsein für Atomwaffen in Gemeinden in ganz Griechenland zu schärfen. Kannst du uns sagen, wann die Initiative ins Leben gerufen wurde und was sie den Stadträten vorschlägt?

Welt ohne Krieg und Gewalt ist eine internationale Organisation der Humanistischen Bewegung. Sie ist ein internationaler Partner der Internationalen Kampagne für die Abschaffung von Atomwaffen (ICAN), die 2017 den Friedensnobelpreis erhalten hat. In diesem Zusammenhang haben wir uns zum Ziel gesetzt, dass Griechenland den Vertrag über das Verbot von Nuklearwaffen (AVV) ratifiziert. Deshalb haben wir 2019 die Kampagne #SaveTheCity gestartet, die sich an die Kommunen des Landes richtet. Wir rufen sie auf, eine Petition zu verfassen, in der die griechische Regierung aufgefordert wird, den Atomwaffenverbotsvertrag (AVV) zu unterzeichnen und zu ratifizieren und sich der internationalen Initiative der Bürgermeister von Hiroshima und Nagasaki, „Mayors for Peace“, anzuschließen. Wir fordern sie auf, sich den globalen Bemühungen der Demokratien anzuschließen, ihre Bürgerinnen und Bürger auf der ganzen Welt vor einem möglichen nuklearen Holocaust zu schützen. Wir bitten sie, sich auf die Seite der Geschichte zu stellen, die aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt hat, ausserdem die Werte des Friedens und der Gewaltlosigkeit zu fördern und die tiefsten Sehnsüchte der Bürgerinnen und Bürger nach einer Welt ohne die Gefahr einer nuklearen Katastrophe zum Ausdruck zu bringen.

Welche Ergebnisse habt ihr bisher erzielt?

Bereits 7 Gemeinden haben Resolutionen verabschiedet, in denen die griechische Regierung aufgefordert wird, den AVV zu unterzeichnen und zu ratifizieren. Ein wichtiger Meilenstein unserer Kampagne ist auch die Verabschiedung einer ähnlichen Resolution durch den Vorstand des griechischen Gemeindeverbands, in der alle Gemeinden des Landes aufgefordert werden, sich der Kampagne anzuschließen. Gleichzeitig haben wir etwa die Hälfte der Gemeinden des Landes über die Kampagne informiert, und wir gehen davon aus, dass die Einladung bald alle Gemeinden erreichen wird. Anlässlich der Kampagne und nach dem ersten positiven Ergebnis haben wir begonnen, einen großen Teil der Bevölkerung zu informieren und neue Kontakte zu Institutionen und anderen Organisationen zu knüpfen.

Haben die russische Invasion in der Ukraine und das erhöhte Risiko eines möglichen Atomangriffs eine Rolle bei den jüngsten Erfolgen gespielt?

In unseren Kontakten mit den Gemeinden des Landes bestreitet niemand die Notwendigkeit, Atomwaffen abzuschaffen. Ich wünschte, der Krieg in der Ukraine wäre nie passiert. Seit dem Einmarsch Russlands haben mehrere Gemeinden ihre Ansicht über die Dringlichkeit des Themas revidiert und ihre internen Prozesse zur Unterstützung des AVV und zur Forderung nach seiner Ratifizierung durch die griechische Regierung schneller als in der Vergangenheit vorangetrieben. Wie Vertreter:innen der Gemeinden in Diskussionen sagten, gab es zwar schon vor dem russischen Einmarsch in der Ukraine Atomwaffen, und Drohungen, solche einzusetzen, wurden auch schon von anderen Ländern ausgesprochen. Aber zum ersten Mal seit dem Kalten Krieg scheint das Risiko eines Atomschlags in Europa wahrscheinlicher denn je. Ich glaube, dass wir in Europa in eine Phase der Wiederbelebung der Anti-Atomkraft-Bewegung eingetreten sind, die schneller zu einer nuklearen Abrüstung führen könnte, ohne ihren Schwung zu verlieren, auch wenn der Krieg in der Ukraine vorbei sein wird.

Was sind die nächsten Schritte?

Zunächst einmal werden wir weiterhin Gemeinden dazu aufrufen, sich unserer Kampagne anzuschließen, um den politischen Druck auf die griechische Regierung zur Unterzeichnung und Ratifizierung des AVV zu erhöhen. Außerdem werden wir unsere Zusammenarbeit mit den Gemeinden, die bereits entsprechende Beschlüsse gefasst haben, vertiefen und versuchen, gemeinsam Aktionen auf lokaler Ebene zu organisieren, um die Einwohner:innen besser über den Atomwaffenverbotsvertrag und die dringende Notwendigkeit der atomaren Abrüstung zu informieren. Gleichzeitig beginnen wir einen neuen Zyklus der Zusammenarbeit mit anderen Organisationen in unserem Bemühen, die Anti-Atom-Front in Griechenland zu verbreitern und dabei alle Aspekte der verheerenden Folgen eines möglichen Atomkonflikts zu berücksichtigen. Solange es Atomwaffen gibt, motiviert uns die Bedrohung eines möglichen Einsatzes – und sei es nur aufgrund eines menschlichen oder technischen Fehlers – unsere Bemühungen um ihre Abschaffung zu verstärken.

Glaubst du, dass Kommunen die Macht haben, die politische Führung auf nationaler Ebene zur Unterzeichnung und Ratifizierung des Atomwaffenverbotsvertrags zu mobilisieren?

Die Kommunalverwaltung hat unter anderem die wichtige Aufgabe, auf politischer Ebene die Erwartungen und Entscheidungen der Bürgerinnen und Bürger für eine Zukunft in Sicherheit, Wohlstand und Frieden zum Ausdruck zu bringen. Die Zusammenarbeit zwischen den Kommunen und der Zivilgesellschaft hat bewiesen, dass sie in dieser Richtung Bedingungen schaffen kann, die gesellschaftlich breit abgestützt sind, einen langen Zeithorizont haben und nicht nur die lokale Bevölkerung, sondern auch die gemeinsame Zukunft schützen. Es ist der Ausdruck des „Gemeinsamen“, der über die Ebene unseres Zuhauses oder unserer Nachbarschaft hinausgeht, große Gebiete und Bevölkerungsgruppen umfasst und damit potenziell auch weiter entfernte Orte und Zeiten. Obwohl in den meisten Fällen, und nicht nur in Griechenland, Gemeinden die Politik bestimmter Parteien zum Ausdruck bringen, wird die Absurdität von Atomwaffen bereits deutlich. Atomwaffen werden niemals fragen: „Welche Partei hast du bei den letzten Wahlen gewählt?“, bevor sie über einer Stadt explodieren und alles in einem Umkreis von 2-4 km auslöschen. Und das Verständnis für diese Wahrheit kommt von denjenigen, die in ihrer Existenz bedroht sind, nämlich den Bürgerinnen und Bürgern. Gemeinden sind also nicht nur Wahlstatistiken, und alle Regierungen wissen das genau. Gerade wegen ihrer unmittelbaren Beziehung zu den Bürgerinnen und Bürgern haben sie die Macht, auf eine Änderung der Haltung unseres Landes gegenüber dem AVV zu drängen und die Sicherheit von uns allen in den Vordergrund zu stellen.

Was ist der erwartete Nutzen der #SaveTheCity-Kampagne?

Erstens rückt sie das Thema Atomwaffen in die richtige Dimension, nämlich die dringende Notwendigkeit, sie abzuschaffen. Sie bringt diese Debatte auf eine lokale und politische Ebene und räumt mit der Illusion der Abschreckung auf, denn es gibt keine andere Antwort auf die Aussicht auf Atomwaffen als ihre Abschaffung. Und das ist wichtig, denn in den letzten Jahren war die Debatte über die dringende Notwendigkeit der Denuklearisierung vor allem in Europa recht begrenzt, da die Anti-Atomkraft-Bewegung in der nebulösen Sicherheit des Atomwaffensperrvertrags gefangen war. Wir haben daher auch die Möglichkeit, die Anti-Atomkraft-Bewegung in Griechenland wiederzubeleben und die Trägheit der letzten Jahrzehnte zu überwinden.

Zweitens ist es eine Gelegenheit für die Kommunen und die Zivilgesellschaft, gemeinsam die Werte Frieden und Gewaltlosigkeit zu pflegen und politisch zu unterstützen und damit den Grundstein für künftige Aktionen und regionale Zusammenarbeit zu legen, die den tiefgreifenden Bedürfnissen der Bürgerinnen und Bürger entsprechen.

Und schließlich ist natürlich die Unterzeichnung und Ratifizierung des Atomwaffenverbotsvertages durch Griechenland immer ein Ziel. Es ist ein Akt, der unsere Grenzen überschreitet und die gesamte Menschheit einer Zukunft ohne nukleare Bedrohung näher bringt.

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