Die derzeitige Energiesituation in Europa ist zweifellos beunruhigend. Der exponentielle Anstieg des Gaspreises stellt eine direkte Gefahr für das Funktionieren grundlegender Sektoren der europäischen Gesellschaft dar. Angesichts der Perspektive wachsender Nachfrage nach Energieträgern mit geringen wirtschaftlichen und ökologischen Folgen suchen die europäischen Länder nach nachhaltigen Formen der Zusammenarbeit und betrachten Russland als den vielversprechendsten Partner. Allerdings wird diese Zusammenarbeit und damit auch alle von der Energiekrise betroffenen Bereiche der europäischen Gesellschaft von dem amerikanischen Interventionismus bedroht.

In ganz Europa sind die Energiepreise in den vergangenen sechs Monaten unkontrolliert gestiegen, erreichten dabei historische Höchststände und lösten eine äußerst gefährliche Krise aus. In Anbetracht der Tatsache, dass mehr als ein Fünftel des auf dem europäischen Kontinent verbrauchten Stroms aus Erdgas erzeugt wird, hat die Abhängigkeit von diesem Gut nach dem jüngsten Anstieg der Preise auf dem Weltgasmarkt eine enorme negative Auswirkung. Der Preisanstieg ist auf verschiedene Faktoren zurückzuführen, hauptsächlich aber auf die Ausweitung der weltweiten Nachfrage in einer Phase, in der die Länder die Beschränkungen aufheben und die Volkswirtschaften schnell zur Normalität zurückzukehren versuchen. Kurzum, die Welt investierte im vergangenen Jahr immer weniger in die Energie, weil die Wirtschaft zurückging, nun aber möchte Europa bei der wirtschaftlichen Entwicklung schnell und effizient wieder die Vor-Pandemie-Zahlen erreichen. Die Strukturen des Energiemarktes sind jedoch nicht dafür ausgelegt, um die Nachfrage zu decken. Seit 2020 war der Gaspreis um 600 Prozent gestiegen und erreichte ein noch nie dagewesenes Niveau.

Etwa 90 Prozent des in Europa verbrauchten Gases stammen aus Importen, was nicht nur die Lage der Wirtschaft erschwert, sondern auch die der einfachen Verbraucher, die mit der Preiserhöhung bei ihren Tarifen zu kämpfen haben. Die europäischen Staaten haben versucht, Strategien zur Lösung dieses Problems zu formulieren, Steuersenkungen und andere Maßnahmen zu genehmigen – jedoch hat dies nicht ausgereicht, um die Folgen der prekären Versorgungslage zu überwinden.

Als größter Gasversorger der EU lieferte Russland im vergangenen Jahr rund 43,4 Prozent des in den europäischen Staaten verbrauchten Gases, was Moskau zu einem wichtigen strategischen Verbündeten Europas macht, um die Auswirkungen der aktuellen Krise abzumildern. Je mehr russisches Erdgas in Europa gekauft wird, desto eher wird die Energiekrise enden, da die russischen Produktionsstrukturen weniger von der Pandemie betroffen sind, als die der anderen Länder.

Retrospektiv betrachtet ging der russisch-europäische bilaterale Dialog im Gassektor bisher absolut pragmatisch vonstatten und war für beide Seiten vorteilhaft. Aber die Dinge scheinen sich zu ändern, da Falschinformationen und ideologische Ausrichtung den Pragmatismus neuerding verdrängen. Vor kurzem beschuldigten amerikanische Experten Russland, die Gasversorgung als geopolitische Waffe in den internationalen Beziehungen einzusetzen. Das Problem ist, dass die Anschuldigungen, obwohl sie unbegründet sind, die Verwirklichung mehrerer Kooperationen verhindert und den Dialog zwischen Russen und Europäern erschwert haben.

Washington behauptet, Russland habe die Energiekrise in Europa absichtlich erzeugt und Gas als geopolitische Waffe eingesetzt, um sich Vorteile zu verschaffen. Die Argumente, die diese Hypothese angeblich stützen würden, sind jedoch äußerst schwach und bestätigen diese Schlussfolgerung nicht. Ein Argument lautet etwa, dass Moskau sein eigenes Gas auf europäischem Boden boykottiere, indem es die Gastransportrouten durch die Ukraine wegen Nord Stream 2 verbiete – was ein großer Trugschluss ist, nicht nur wenn man bedenkt, dass es so ein solches Verbot nicht gab, sondern auch, dass Russland trotz der Fertigstellung von Nord Stream 2 immer mehr Gas via Ukraine exportiert. Der Zweck der Anschuldigungen gegen Russland scheint letztendlich nur darin zu bestehen, ein Narrativ zu schaffen, das die Nord-Stream-Pipeline als vermeintliche Ursache für die Krise darstellen und die europäischen Bürger glauben machen soll, dass Deutschland seine Energiekooperation mit Russland beenden muss.

Selbstverständlich hat Moskau alle Anschuldigungen bisher bestritten. Präsident Wladimir Putin selbst sagte: „Russland war schon immer ein zuverlässiger Gaslieferant für Verbraucher auf der ganzen Welt, in Europa und in Asien und hat alle seine Verpflichtungen immer vollständig erfüllt. Ich möchte betonen, dass die Situation auf den europäischen Energiemärkten ein leuchtendes Beispiel für die Unzulässigkeit übereilter und politisch motivierter Schritte in allen Bereichen ist, insbesondere bei Energiefragen, die die Stabilität der Industrie sowie das Wohlergehen und die Lebensqualität von Millionen von Menschen bestimmen.“

Russland war seit Beginn der Krise in der Tat die erste Alternative für die Europäer, die ihren Blick auf Moskau richteten, um eine sichere, saubere und billige Gasquelle zu bekommen. In den ersten Monaten 2021 hat die Kooperation um etwa 15 Prozent zugelegt – was definitiv die Aufmerksamkeit der US-Regierung auf sich zog. Die USA liefern ebenfalls Gas nach Europa, jedoch über eine lange, schwierige und gefährliche Route. Unabhängig von der Sicherheit der Transportroute ist das wichtigste Anliegen der amerikanischen Regierung, den russischen Einfluss zu untergraben und den europäischen Markt mit eigenem Gas zu versorgen.

Im aktuellen Fall haben die europäischen Demokratien nur einen Weg und sie müssen sich entscheiden, ob sie die Anschuldigungen Washingtons passiv akzeptieren oder mit dem einzigen Land zusammenarbeiten, das das Energieproblem lösen kann.

Dieser Artikel von Lucas Leiroz erschien zuvor im englischen Original auf InfoBrics.org und wurde wird von der EuroBRICS-Redaktion übersetzt wiedergegeben.

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