Der umstrittene haitianische Interims-Premierminister Ariel Henry hat sich am 11. Oktober mit Menschenrechtsorganisationen in Verbindung gesetzt, um drei mögliche Kandidat*innen für die Wahlkommission Haitis CEP (Conseil Electoral Provisoire) zu benennen, nachdem die vorherigen Mitglieder entlassen worden waren.

Die Neubildung des CEP ist der erste Schritt für die geplanten Wahlen, deren Datum indes noch nicht feststeht. Zuvor möchte der aktuelle Staatschef jedoch über eine neue Verfassung abstimmen lassen und eine Verfassunggebende Versammlung einberufen.

Henry zeigte sich entschlossen, „freie, gerechte und transparente“ Wahlen in der zweiten Jahreshälfte 2022 durchzuführen. Die dann gewählten Regierungsmitglieder, Abgeordneten und Bürgermeister*innen sollen demnach Anfang 2023 ihre Ämter antreten.

In einem Schreiben an Sant Karl Levêque betonte Henry, die neuen Mitglieder des CEP sollten für „ein gewisses Vertrauen in der Bevölkerung“ sorgen. Eine starke Beteiligung der Bevölkerung bei den anstehenden Abstimmungen sei wichtig, „um die Legitimität der zukünftig Gewählten zu garantieren.“

Druck aus der Zivilgesellschaft

Dennoch nimmt der zivilgesellschaftliche Druck zu, zunächst eine Übergangsregierung zu fordern und ein Kontrollorgan einführen. Erst wenn die staatlichen Strukturen gestärkt seien, seien Wahlen möglich. Der Premierminister seinerseits sieht sich von mehr als 500 politischen und sozialen Institutionen und Gruppierungen in seinem Plan unterstützt, den Vorsitz der aktuellen Regierung bis zu einem Regierungswechsel beizubehalten.

Einflussreiche Allianzen wie der Demokratische Basissektor, die erbitterte Gegner*innen des ermordeten Präsidenten Jovenel Moïse waren, zählen zu den Unterstützer*innen des neuen Präsidenten, wohingegen die Partei Fanmi Lavalas des Expräsidenten Jean Bertrand Aristide den Vorschlag Henrys ablehnt und sich auf die Seite der Zivilgesellschaft schlägt.

Neue Spirale der Gewalt

Nach einer Stärkung staatlicher Strukturen sieht es ohnehin nicht aus. Ebenfalls am 11. Oktober wurden mehrere Straßen in der haitianischen Hauptstadt Port-au-Prince blockiert, während bewaffnete Gruppen erneut den Stadtteil Martissant im Süden der Hauptstadt belagerten.

Im Stadtteil Montagne Noire wurden Barrikaden aus Reifen und anderen Gegenständen errichtet, nachdem laut Medienberichten mindestens fünf Anwohner*innen entführt worden seien. Auch am Viadukt von Delmas blockierten Anwohner*innen eine der wichtigsten Zufahrtsstraßen der Stadt.

In Martissant wiederum stoppten Bewaffnete den Verkehr und durchsuchten die Fahrzeuge. Am Vortag hatte „Izo“, Anführer der Bande Village de Dieu angekündigt, die Durchfahrt durch dieses Gebiet zu stoppen, in der auch der Justizpalast liegt. Außerdem verbindet die Straße die Hauptstadt mit den südlichen Departments Sud-Est, Sur, Nippes und Grand Anse, die letzten drei wurden von dem vergangenen Erdbeben mit über 2.200 Toten besonders schwer getroffen. Auf der Nationalstraße 1 bei Gonaïves haben wiederum Lastwagenfahrer den Verkehr blockiert.

Kein Frieden in Sicht

In jüngster Zeit wurde in Haiti ein signifikanter Anstieg an Entführungen und Morden registriert, die mutmaßlich auf Kosten von kriminellen Banden gehen. Diese Gewaltspirale hat dafür gesorgt, dass über 19.000 Menschen ihre Häuser verlassen mussten.

Die Banden in der Hauptstadt haben die von ihnen kontrollierten Gebiete ausgeweitet. Die Polizei hat sich ihnen nicht entgegenstellt, trotz Beteuerungen der Regierung, den Frieden im Land wieder herstellen zu wollen. Mitte September hatte Premierminister Ariel Henry versprochen, die Banden in den Armenvierteln Martissant, Cité Soleil, Bas Delmas oder Bel Air bekämpfen zu wollen. Bisher allerdings ohne jeglichen Erfolg.

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