Mit der Initiative Taxmenow setzen sich Vermögende aktiv für Steuergerechtigkeit ein. Eine Mitinitiatorin und Millionenerbin, Marlene Engelhorn, erklärt, worum es dabei geht.

Von Marlene Engelhorn

Es ist Februar 2021, es ist Corona, es ist Zeit für die Strategiewerkstatt der Bewegungsstiftung. Dieses Jahr mit einer AG Steuergerechtigkeit, in der Stifterinnen und Stifter sich zu dem Thema austauschen können, wer weiß…

Das Thema schlägt tatsächlich mit voller Wucht ein. Kein Wunder, nur Österreich überbietet Deutschland in Fragen der Ungleichheit innerhalb der Eurozone. Ein Prozent der Bevölkerung hält in Deutschland 35 und in Österreich sogar 40 Prozent des Vermögens, die Hälfte der Bevölkerung kommt in beiden Ländern auf keine drei Prozent oder hat sogar Schulden – laut DIW und AK. Die Zahlen sind unmissverständlich, also kommt die Gruppe in unterschiedlicher Aufstellung immer wieder, um auch in Deutschland und Österreich die Stimme der Vermögenden organisiert in den Diskurs einfließen zu lassen und um Solidarität zu zeigen, denn: Wir wollen einen gerechten Beitrag leisten, indem wir unser Vermögen nicht einfach nur gemeinnützigen Organisationen spenden, sondern indem wir uns dafür einsetzen, gerecht besteuert zu werden. Was das heißen soll und worauf sich alle einigen können, wird in einem Appell bewusst offen formuliert, um deutlich zu machen: Wir erkennen das Problem und wir haben Ansätze, aber wir wollen nichts vorschreiben, lösen können wir es nur gemeinsam, demokratisch.

Mitte Juni wird der Appell veröffentlicht und findet große Resonanz, denn es ist Wahlkampf, es ist immer noch Corona und es ist Zeit: taxmenow! Auf unserer Webseite steht: Wir sind eine Initiative von Vermögenden, die sich aktiv für Steuergerechtigkeit einsetzt, indem wir mit einer Online-Petition um Unterstützung werben und uns aktiv am Diskurs beteiligen. Und der Kern des Appells lautet: Wir fordern die Wiedereinführung der Vermögenssteuer für Millionen- und Milliardenvermögen, eine Begrenzung von Ausnahmen für Betriebsvermögen und anderen Sonderregelungen bei der Erbschafts- und Schenkungssteuer, progressive Steuersätze statt des Einheitssatzes bei der Kapitalertragssteuer, eine Vermögensabgabe für Millionen- und Milliardenvermögen, falls aufgrund der Schuldenbremse staatliche Aufgaben nicht finanziert werden können und striktere Regeln gegen Steuervermeidung und -hinterziehung sowie bessere Ausstattung der Steuerbehörden.

Wir verbinden unser Vermögen mit Verantwortung

Dieses „wir” ist wichtig, denn da stecken Unternehmerinnen, Gesellschafter und Erbinnen drin, aber auch Angehörige der oberen Mittelschicht aus den klassischen Berufsgruppen, etwa der Medizin oder dem Recht. Wir studieren und sind in Pension, wir arbeiten Voll- und Teilzeit und ehrenamtlich, wir sind Eltern und Kinder, wir gehen in die Kirche und sind Mitglieder in Vereinen, wir kennen uns mit dem Internet aus und lesen gern Gedichte – kurz: wir gehören überall irgendwie dazu und sind nicht einfach nur Vermögende.

Es ist zwar das, was uns in diesem Fall vordergründig eint. Tatsächlich führt uns aber zusammen, dass wir unser Vermögen mit Verantwortung verbinden, dass wir gesellschaftliche Teilhabe als ein Recht und im Rahmen eines respektvollen und bemühten Miteinanders vielleicht auch ein wenig als eine Pflicht und nicht als ein Privileg erleben.

Und jetzt steht doch tatsächlich die Frage im Raum, ob wir Vermögen teilen wollen. Aber eigentlich müsste die Frage weg vom „Ob?” und hin zum „Wie?” zeigen. Wie wollen wir Vermögen verteilen? Wollen wir es gerecht verteilen? Wer sagt, was gerecht ist? Wieviel ist genug? Was ist das gute Leben für alle? Wer darf entscheiden?

In der Verteilungsdebatte stellen sich Grundsatzfragen, denn Verteilungsgerechtigkeit geht alle in der Gesellschaft etwas an, unabhängig davon, wieviel Vermögen sie haben. Und Umverteilung ist ohnehin der Fall, denn nichts anderes ist Steuerpolitik. Wie wir die Ressourcen verteilen, die wir alle brauchen, um gut leben zu können, trifft somit ins Herz der Demokratie.

Soziale Ungleichheit berührt überdies die Teilhabe an der Gesellschaft auf allen Ebenen, daher ist es wichtig, dass alle mitentscheiden dürfen. Dafür haben wir die Demokratie, sie ist buchstäblich das Mittel der Wahl. Wir wollen uns dafür einsetzen, dass auch jene mit Vermögen stärker einbezogen werden, einen gerechten Beitrag zu leisten, zumal wir alle auch von der staatlichen Infrastruktur profitieren, die über Steuern finanziert wird: Rechtsstaat, öffentlicher Verkehr, Kindergärten, Schulen, Krankenhäuser, Grundlagenforschung, etc.

Es lässt sich gut streiten, was davon wie gut funktioniert, das ändert aber nichts daran, dass es all das braucht für eine Gesellschaft. Es ist wichtig, dass wir Vermögende nichts vorschreiben, denn die demokratischen Prozesse bilden ohnehin auch unsere Meinung ab. Unsere Vorstellungen sind genauso viel wert wie jene aller anderen Wahlberechtigten. Der Vorteil der Auseinandersetzung in unseren Demokratien ist, dass sie idealerweise öffentlich und transparent gestaltet werden und alle einbeziehen. Das braucht noch viel Arbeit, aber es ist möglich, damit die Politik nicht dominiert wird von jenen, die ohnehin ganz oft die Deutungshoheit innehaben. Das heißt, Menschen mit Vermögen sollten nicht allein vorgeben, wie Vermögen durch Steuern verteilt wird und wenn die Mehrheit sie bittet zu teilen, muss sie folgen.

Es fehlen die Stimmen derer, die wenig haben oder gar nichts

Trotzdem drängt sich das „Wie?” immer wieder auf. Wie würden wir es machen? Wir fragen einander, überlegen und merken, hier fehlen Stimmen. Hier fehlen die Stimmen derer, die wenig haben oder gar nichts. Es fehlen die Stimmen jener, die strukturell unterdrückt, ausgegrenzt und ignoriert werden. Es fehlen jene, die von Ungleichheit tatsächlich betroffen sind, im Gegensatz zu uns Vermögenden, die wir nur vermeintlich betroffen sind von einer Steuerpolitik, die es so schnell wohl nicht geben wird, was aber kein Argument gegen den Einsatz dafür ist. Und Steuerrecht ist vergleichsweise flexibel, quasi darauf ausgelegt, in jeder Legislaturperiode eine Reform durchzumachen.

Besonders wandelbar ist Steuerrecht vor allem dann, wenn Vermögen welcher Art auch immer noch geringer besteuert werden soll. Als besonders rigide erweist sich Steuerrecht bei genauerer Betrachtung der Steuerpolitik der letzten Jahr(zehnt)e hingegen, wenn Vermögen vielleicht doch mal wieder höher besteuert werden sollte. Das sogenannte „Race to the bottom” ist keine Erscheinung, die sich auf internationale Besteuerung von Unternehmensgewinnen beschränkt, es kann auch so aussehen: Jeder sechste Deutsche ist einkommensarm, neun von zehn Arbeitslosen leben in Österreich unter der Armutsgrenze.

In der Regel ist es so, dass die Menschen, die in der Machtposition sitzen, selbst mindestens zu den „obersten” zehn Prozent gehören und umgeben sind von Menschen, die ebenfalls meistens sehr privilegiert und vermögend sind. Unabhängig davon, ob sie ihre Interessen gut vertreten, wenn sie Vermögen (im Gegensatz zu Arbeit) kaum bis nicht besteuern, steht damit fest, wessen Interessen nicht vertreten sind: die von 90 Prozent der Bevölkerung.

Die Darstellung ist vielleicht vereinfacht, aber letzten Endes zeigen Umfragen deutlich, dass es in der Regel Zwei-Drittel-Mehrheiten für die Besteuerung von Vermögen gibt, zumindest in Deutschland und Österreich. Wenn also eine Mehrheit, die im Parlament groß genug wäre, um sogar die Verfassung zu ändern, sich für die Besteuerung von Vermögen ausspricht, fragt sich, warum es nicht geschieht.

An dieser Stelle ließe sich eine wunderbare Schleife ziehen, nach dem Motto: Menschen mit Vermögen können sich Einfluss auf Politik, Wirtschaft und Medien leisten, Lobbyisten und Beraterinnen finanzieren, um möglichst wenig des Reichtums, den sie der Gesellschaft verdanken – denn wir wirtschaften arbeitsteilig, es gibt schlicht keine One-WoMan-Shows – auch wieder in die Gesellschaft fließen zu lassen. Muss das sein? Wer hat das entschieden?

So landen wir bei taxmenow auch sehr bald bei den größten Hebeln, die wir uns denken können: Vermögenssteuer, Kapitalertragssteuer, Schenkungssteuer, Erbschaftssteuer und Demokratie. Das Beispiel der Erbschaftssteuer ist ein beliebtes und nicht grundlos: Innerhalb der 2020er Jahre wird sich der größte Vermögenstransfer durch Erbschaften in der Geschichte vollziehen. Das bedeutet, eine privilegierte Gruppe von Menschen, die beim Geborenwordensein viel Glück hatten, könnte die Ungleichverteilung von Vermögen nochmal zementieren und somit ihre politische und wirtschaftliche Macht festigen, (ob sie diese will oder nicht, denn sie geht in unserem System unweigerlich mit dem Vermögen Hand in Hand).

Gerechtigkeit ist komplex

Wenn Entscheidungsgewalt über Fragen, die alle in der Gesellschaft etwas angehen, bei wenigen gebündelt wird, hat das einen neo-feudalistischen Charakter, für den in der Demokratie kein Platz ist. Sie gilt ja eigentlich als unsere gesellschaftspolitische Antwort auf die Machtfrage und beinhaltet bei uns nicht umsonst auch die Gewaltenteilung. So, und um das Ganze rund zu machen, fehlt nur noch eins: der Fehler im System. Was und wo ist er?

Albert Camus hat schon dargelegt, dass es ein Irrtum sei zu glauben, dass schlicht formulierte Fragen mit einfachen Lösungen einhergingen oder dass Evidenz Evidenz impliziere. Soll heißen, es gibt keine einfache Antwort auf das Problem der Verteilungsgerechtigkeit, dafür ist Gerechtigkeit viel zu komplex. Weniger komplex ist Verteilung, mit der wir uns durchaus vergleichsweise gut auseinandersetzen können. Dieses „wir” meint alle in einer demokratischen Gesellschaft und „auseinandersetzen” bedeutet öffentlich und transparent. Das heißt, wir müssen uns mit den Antworten aller auf folgende Fragen befassen und die entsprechenden Konsequenzen ziehen: Wie wollen wir Vermögen verteilen? Wieviel ist genug? Was ist das gute Leben für alle? Wer darf entscheiden?

Bei taxmenow sind wir uns einig: Wir wollen Vermögen gerecht verteilen lassen, und zwar mittels eines demokratischen und transparenten Prozesses einer fairen Steuerpolitik, damit alle genug haben, um gut zu leben, und das haben alle zu diskutieren und gemeinsam zu entscheiden. Wir wünschen uns eine sozialökologisch gerechte und zukunftsfähige Gesellschaft und sind gern bereit unseren Beitrag zu leisten.

 

Marlene Engelhorn studiert Germanistik in Wien. Nebenbei hat sie Deutsch, Englisch und Französisch unterrichtet und freiberuflich Textarbeit gemacht. Sie ist im Volontariat bei der Guerrilla Foundation tätig und engagiert sich politisch bei taxmenow. Außerdem arbeitet sie an der Gründung einer Organisation nach dem Modell von Resource Generation für den DACH-Raum. 

Der Beitrag von Marlene Engelhorn, Bewegungsstifterin der Initiative taxmenow, erschien erstmals auf MAKROSKOP. Wir bedanken uns für die freundliche Genehmigung zur Publikation.

 

Link zur Petition „Millionär*innen fordern höhere Besteuerung von Millionenvermögen“ auf Change.org