Die Anfänge des Kolonialismus sind untrennbar verbunden mit den Eroberungen amerikanischer, asiatischer und afrikanischer Gebiete durch Spanien, Portugal und England. Dank ihrer Feuerwaffen betraten die Besatzungen der Karavellen ohne größere Hindernisse die Gebiete und erklärten die Gebiete von nun an zum Eigentum ihrer Könige. Das sei gottgewollt.

Die Erklärungen erfolgten in ihrer eigenen Sprache und bedeuteten, dass die Einwohner von nun an dem König und seinen Beauftragten Dienste zu leisten haben. Die Bewohner seien dem König steuerpflichtig und erklärten die Bedeutung der Grundbücher für den Besitz. Die Indigenen verstanden die Sprache zwar nicht, aber das war für die Eroberer unwichtig, schrieb Bernal Diaz del Castillo in seiner „Wahrhaften Geschichte der Eroberung Mexikos“ und klagte Bartolomè de Las Casas im „Kurzgefassten Bericht“ an.

Später brachten Schiffe Erze, Nahrungsgüter und Edelmetalle u.v.a. aus den Kolonialländern nach Europa. Sehnsuchtsprodukt war das Gold, ein Wort das Kolumbus in seinem Logbuch der ersten Fahrt 141-mal erwähnte.

Von dieser Zeit an galt in der internationalen Arbeitsteilung das Prinzip: Kolonien sind Rohstofflieferanten und Empfänger von verarbeiteten Erzeugnissen. Der wirtschaftliche Nutzen aber lag in der viel stufigen Verarbeitung der Rohstoffe für die Ländern Europas. Jede neue Verarbeitungsstufe brachte dem Staatshaushalt Mehrwert- und Lohnsteuer, sowie Arbeitsplätze für die Bevölkerung.

Die Kolonialländer erhielten weitere Entwicklungsimpulse aus den Steuereinnahmen für die Forschung, Bildung und zur Finanzierung weiterer Staatsaufgaben.

Der wirtschaftlich und militärisch stärkste Staat der Welt verdankt seine Entwicklung nur zum Teil dem Kolonialismus. Des Weiteren resultiert sie aus kriegerischen Unternehmungen gegen Mexiko. Texas, Arizona, New Mexiko, Kalifornien wurden den USA eingegliedert. Die ursprüngliche Akkumulation zum Start der Industrialisierung verdanken die USA einer annähernd entschädigungslosen Enteignung der Indianer von Land und Boden.

Nach den beiden gleichfalls von Europa ausgehenden katastrophalen Weltkriegen schien es so, dass die Ära des Kolonialismus mit der Kraft der UNO der Vergangenheit angehört. Die Weltgemeinschaft teilte die Welt neu in drei Bereiche ein: Die erste Welt (kapitalistische Industrieländer, meist ex. Kolonialherrn), die zweite Welt (aufkommenden sozialistische Länder) und die dritte Welt (ex. Kolonien/ Entwicklungsländer).

Ganze Völker in politische und wirtschaftliche Abhängigkeit zu versetzen, entspricht nicht mehr der humanistischen Grundhaltung, die sich weltweit ausgebreitet hat.

Das sahen und sehen die Vertreter der ersten Welt unter Führung der USA und Englands anders. Der inzwischen erreichte Stand ihrer eigenen Industrialisierung erfordere Economic Growth, mehr Wachstum ihrer eigenen Länder zum Wohle aller. Der Markt wird es schon richten. Sie nahmen sich das Recht, mit den Empfehlungen von George Kennan, Hauptarchitekt der US-Außenpolitik von 1946 (Neokolonialismus, weiße Vorherrschaft und die Herausforderung durch China) und der Truman- Doktrin von 1947 den weiteren Verlauf der Welt zu bestimmen. Ende des 20. Jahrhunderts waren es Steve Bennon und sein Präsident Trump.

Ein Konzept des Neokolonialismus sollte im Prinzip die alte internationale Arbeitsteilung aufrechterhalten. Das ging jedoch nur unter Beachtung der UNO. Die Einrichtung der ständigen Konferenz für Welthandel und Entwicklung (UNCTAD) der UNO erhielt ein starkes Mitspracherecht für neue Formen der internationalen Arbeitsteilung.

Die Vertreter der ersten Welt besaßen die Fähigkeit, trotz Existenz der UNO, die Abhängigkeiten weitgehend aufrecht zu erhalten und neue Strukturen einzuführen. Es galt, den Waren-, Finanz- und Dienstleistungsmarkt weiter im Interesse ihrer Logik unter Kontrolle zu halten. In den 60 bis 80ziger Jahre des 20. Jahrhunderts entstand ein ganzes Bündel neuer Strukturen und Vereinbarungen:

  1. Der Warenmarkt wurde weitgehenden Veränderung unterworfen. Das Schutzzollsystem der Entwicklungsländer (EL) erhielt mit Veränderungen des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens (GATT) neue Schwerpunkte zugunsten des Fertigwarenexports der Industrieländer (KiL). Im Handel mit landwirtschaftlichen Produkten (Kaffee, Zucker u.a.) wurden in Abkommen Quoten festgelegt, die am Ende zu Preissenkungen führten. Die unsichtbaren Handelsbarrieren (Patentschutz, Etikettierung, Zertifizierung u.ä.) erschwerten den Export der EL. Im realen Geschehen des Handelsaustausches wurde der Rückstand nicht aufgeholt. Unter anderem, weil das System der Steuerrückvergütung für Exporte Deutschland einen vorderen Platz der Exportnationen einbrachte. Ähnliche Verfahren der EL werden als kritikwürdiges Dumping eingestuft. Im Vergleich der Preisentwicklungsverhältnisse (Terms of Trade) befinden sich die EL weiter auf der Verlierer Straße.
  1. Die Länder der 3. Welt benötigten hohe Kreditsummen für ihre staatlichen Aufgaben, einschließlich der Förderung der Industrialisierung. Die überbordende Staatsverschuldung wurde zum Geschäftsmodell entwickelt. Der Finanzmarkt ist zum Kernbereich der Wirtschaftsbeziehungen der KiL der neokolonialen Zeit geworden. Großbanken, zusammengeschlossen im des Pariser Klub, wählten den Internationalen Währungsfonds (IWF) zum Verhandlungsführer, um mit den EL die Kreditsummen, die Konditionen und das Forderungsmanagement zu vereinbaren. Es ist gut zu wissen, dass in der Weltbank/IWF nicht das Prinzip ein Land, eine Stimme herrscht, sondern das eingebrachte Kapital die Entscheidungsmacht besitzt. Ein Rankingssystem zur Bonität des Kreditsuchenden (Standard &Poors, Moodys, Fitsch) mit bis zu 27 Stufen (AAA+++, BBB+++ etc.) bestimmen Zinshöhen. Die KiL werden überwiegend mit AAA eingestuft, die EL liegen überwiegend im C-Bereich. Die Börsensprache belegt den C-Bereich mit dem Wort Ramschniveau. Das Problem für die EL: Sie erhalten nur Neukredite, wenn die Tilgung noch laufender Verbindlichkeiten gesichert ist und wenn Kürzungen in den sozialen Bereichen akzeptiert wurden. Ein Teil der Neukredite dient zur Tilgung der Altschulden. Für andere Aufgaben des Staates (Forschungsförderung u.ä.) steht in der Regel nur ein Rest zur Verfügung. Der IWF verlangt die vollständige Offenlegung der internen Bilanzen der EL und den Zugang zur Prüfung durch IWF-Experten. Das bedeutet Kolonialismus in Reinkultur.
  1. Der Dienstleistungsmarkt nutzte die kolonialen Folgen mit seinen Leistungsprofilen. Sachversicherungen werden von internationalen Konzernen betrieben. Ihre gesammelten Geldfonds stehen nicht der Akkumulation zur Industrialisierung zur Verfügung. Der Seetransport der Rohstoffe liegt überwiegend in der Hand der KiL. Venezuela verfügt über keine nennenswerte eigene Tankerflotte für ihr Hauptexportprodukt. In bestimmten Marktsituationen muss das Land Benzin importieren. Die Zahlbeträge, für die Verwendung von Technologien, Patenten, für Gutachten und Beraterleistungen, die ins Ausland abfließen, bezeugen die Abhängigkeiten. Die Dienstleistungsbilanz der Zentralbank Venezuelas belegt, dass das Land jährlich etwa 20% bis 30% seiner Exporterlöse für Dienstleistungen des Auslandes einsetzen muss. (Informe economico, Banco central de Venezuela). Mit bilateralen Investitionsabkommen versuchen die großen KiL erreichte Positionen zu bewahren und ihre Direktinvestitionen vor dem Zugriff der EL zu sichern.
  1. Zum Bündel der Instrumente gehört weiterhin die Monopolisierung der Währungsflüsse durch den US-Dollar als Hauptwährung in der internationalen Zusammenarbeit, verbunden mit der Digitalisierung der Datenflüsse und ihrer Speicherung. Ein Kontrollinstrument erster Güte. Seit 2009 wird die Welt darauf vorbereitet, die Spekulation als ein Hauptelement im Börsenhandel zu etablieren. Hatte schon der Börsenhandel mit Derivaten nur noch eine indirekte Bindung zu den Realwerten der Arbeit im Produktionsprozess der Länder und zu den nationalen Währungen, so schweben Bitcoins zu 100 Prozent in einer Sphäre der Spekulation.

Im praktischen Verlauf der wirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen Industrie- und den Entwicklungsländern bis zum Beginn des 21. Jahrhunderts sind noch zahlreiche Elemente der Kolonialzeit zu erkennen. Das Gold als Zielmarke jedoch hat sich gewandelt. Der Besitz von Informationen gehört zu den erstrebenswerten Gütern des Neukolonialismus. Mit Facebook, Google u.a. haben die KiL wieder gute Karten. Die Begehrlichkeiten nach Rohstoffen und Absatzmärkten haben nicht abgenommen. Mit Lithium aus Bolivien, Argentinien, Peru kommt im 21. Jahrhundert ein neuer gefragter Grundstoff für Autobatterien hinzu.

Auf der VI. Konferenz der nicht paktgebundenen Länder der UNO 1979 beklagte Fidel Castro, dass für Lateinamerika ein verlorenes Jahrzehnt zu Ende geht; mit einem durch wirtschaftliche Leistungen nicht zurückzahlbaren Schuldenberg und mit einem geringen Fortschritt der Industrialisierung. Militärputsche mit Unterstützung der USA haben die Wünsche auf ein würdiges Leben nicht aufhalten können.

Die Entwicklungsländer nahmen die Situation nicht ohne Widerspruch hin und unterbreiteten der UNO eigene Ideen. Sie unterstützten Mexikos Vorschläge zur Errichtung einer „Neuen Weltwirtschaftsordnung“ vom 9.5.1974 und einer „Charta über die wirtschaftlichen Rechte und Pflichten der Staaten“ vom 12.12.1974. Die Weltgemeinschaft votierte in der UNO mit den Mehrheiten der Dritten und Zweiten Welt. Beide Projekte verschwanden auf Druck der ersten Welt von den Tagesordnungen der UNO. Ecuador regte 2014 die Einrichtung einer Beobachtungsstadion zum Verhalten Transnationaler Konzerne an. Der südamerikanische ALBA Verbund beginnt mit Projekten zur Süd/Süd Integration. Die KiL benutzen zunehmend Elemente aus dem juristischen Bereich. Etwa für versuchte und gelungene Amtsenthebungen (Venezuela, Brasilien) Veränderung von Richtersprüchen (Ecuador, Argentinien). Wahlsiege linker Präsidenten werden grundsätzlich angezweifelt.

Das kapitalistische Ordnungssystem, auch seine neokoloniale Variante, hat in ihrer Ambivalenz viele nützliche Dinge entwickelt, aber auch Waffen und die Produktwerbung mit verheerenden Folgen. Sein Weg säumt Ungleichheiten, Kriege, Flüchtlinge und die Drohung von Klimakatastrophen.

Für die weltweite Aufmerksamkeit sorgen die wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Erfolge des Entwicklungslandes Chinas und die 2011 erfolgte Formierung des CELAC-Verbundes in Süd- und Mittelamerika. 33 Entwicklungsländer mit 580 Millionen Einwohnern haben sich zusammengeschlossen, mit dem Ziel, ihre Entwicklung selbst zu bestimmen. Das Wohlwollen dazu gab der Generalsekretär der UNO auf der Gründungskonferenz in Caracas. Voller Unruhe sind afrikanische und arabische Staaten und fordern Veränderungen.

Das Ordnungssystem des Kapitals muss sich nicht mehr neu justieren. Alternativen stehen mit Wissenschaften, sowie gepaart von sozialen und humanen Logiken bereit. Erste Praxisphasen brachten bereits Erfolge.


Der Autor beschreibt in seinem neuen Buch „Hat die Welt eine Zukunft?“ Verlag am Park, ISBN 978-3-947094-79-0, Alternativen der Planung, in einer humanen Welt.
„Hat die Welt eine Zukunft?“