Der Wiener Demokratische Frauenverein forderte 1848 die gesellschaftliche und politische Gleichstellung für Frauen. An der europaweiten Vorbildwirkung konnte auch die Skepsis der männlichen Revolutionäre wenig ändern.

Von Johannes Greß

Es war der Kampf für Freiheit und Gleichheit, für ein allgemeines Wahlrecht, für die Emanzipation der Arbeiter_innen, der rechtlichen Gleichstellung von Jüdinnen und Juden. Dieses klassenübergreifende Bündnis wurde 1848 als „Völkerfrühling“, als Kampf des gesamten Volkes gegen das restriktive Habsburger Regime in Zeitungsartikeln und Festen gefeiert. 50 Prozent hatte man offenbar vergessen: Frauen waren beim „Volk“ meist nicht mitgemeint, gleich und frei sollten zunächst nur die Männer werden.

Die offizielle Quellenlage zu den revolutionären Ereignissen, die sich in Österreich von März bis Oktober 1848 abspielten, ist dürftig. Noch dürftiger steht es um die Revolutionärinnen. In den wenigen Medienberichten und Dokumentationen, die es zum Thema gibt, wäre es schon übertrieben von einer „Nebenrolle“ zu sprechen. Meistens tauchen Frauen einfach gar nicht auf.

„Da werden Sie nie was finden!“

Wer genauer hinschaut, erkennt, dass Frauen in der Revolution von 1848 zwar eine ambivalente, aber keineswegs unwichtige Rolle spielten. Genauer hingeschaut hat insbesondere Gabriella Hauch. „Da werden Sie nie was finden!“, lautete die Antwort, als sie Anfang der 1980er an der Universität Salzburg ein Seminar zur Rolle von Frauen in der Revolution von 1848 besuchte und ihre Seminararbeit zu dem Thema schreiben wollte. Hauch, die heute als Professorin für Geschichte der Neuzeit an der Universität Wien tätig ist, sollte ihren damaligen Professor eines Besseren belehren.

Frauen spielten im Jahr 1848, insbesondere in Wien, sehr wohl eine Rolle, komponierten revolutionäre Lieder, stickten Fahnen oder kämpften auf den Barrikaden. Schon 60 Jahre zuvor, während der Französischen Revolution 1789, konterten die Revolutionärinnen die zuvor verabschiedete „Erklärungen der Menschen- und Bürgerrechte“ mit der „Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin“. „Die Französische Revolution von 1789 war eine gemischtgeschlechtliche Revolution“, erklärt Hauch. Doch bis zum erneuten europäischen Aufbäumen 1848 sollten Differenzen entlang der Geschlechtertrennung deutlicher in den Vordergrund rücken.

„Frauen passten damals noch nicht in die Köpfe“

„Die Gleichheit“, so Hauch, „endete 1848 an der Geschlechterlinie“. Das entsprach der sich im Laufe des 19. Jahrhunderts durchsetzenden Konstruktion, wonach „der Mann“ für das Öffentliche und Politische, „die Frau“ hingegen für den privaten Bereich zuständig sei. Diese Vorstellung reproduzierten auch die meisten Revolutionär_innen in ihren Forderungen: Sie kämpften zwar für gleiche Rechte unabhängig von Klasse, Stand und Schicht – sahen im Ausschluss von Frauen meistens aber keinen Widerspruch zu ihren Idealen.

Auch wenn Frauen vor allem ab Mai 1848 in Wien mit auf den Barrikaden kämpften, „die Forderung nach einem allgemeinen Wahlrecht, das auch Frauen umfasst, passte damals noch nicht in die Köpfe“, erläutert Brigitte Mazohl, emeritierte Professorin für Österreichische Geschichte an der Universität Innsbruck. Mit der Forderung nach „Gleichheit“ war weniger die politische Partizipation als vielmehr „Gleichheit in privatrechtlicher Hinsicht“ gemeint. Viele ihrer männlichen Kollegen begegneten dem politischen Engagement von Frauen daher mit gemischten, teilweise dezidiert ablehnenden Gefühlen.

Der Fund schlechthin“

In anderen europäischen Ländern – die Revolution breitete sich von Paris rasch über den Kontinent aus – zeichnete sich ein ähnliches Bild ab. Frauen sollten in der Revolution maximal eine unterstützende, das heißt fürsorgliche Rolle spielen. Wobei Wien eine historische Besonderheit aufweisen kann, nämlich das, was Hauch im Rahmen ihrer Archivrecherchen in den 1980ern als „der Fund schlechthin“ bezeichnet: Der Wiener Demokratische Frauenverein.

Der von Karoline von Perin im August 1948 gegründete und in der Wiener Dorotheergasse ansässige Verein, war der erste dezidiert politische Zusammenschluss von Frauen – „im europäischen Revolutionsspektrum von 1848, neben Paris, ein Einzelfall“, bekräftigt Hauch. In den demokratisch und egalitär ausgelegten Vereinsstatuten fordern die Mitglieder allgemeine Schul- und Ausbildung für Mädchen, Zugang zu politischer Bildung für Frauen und die umfassende gesellschaftliche Gleichstellung von Frauen. Die Mitgliedschaft sollte allen Frauen unabhängig ihres sozialen oder familiären Standes möglich sein. „In der offenen politischen Kultur der Revolutionsmonate“, so Hauch, „tauchten aber auch zahlreiche Forderungen auf, wie nach dem Wahlrecht für Frauen, nach einem Universitätsstudium oder nach dem Recht für Frauen, abends allein ins Kaffeehaus gehen zu können, ohne angepöbelt zu werden“.

Rückschläge im Neoabsolutismus

Der Wiener Demokratische Frauenverein formulierte fortan Petitionen, hielt Demonstrationen und Diskussionsveranstaltungen ab und verteilte Flugblätter. Außerdem wurde der Verein in den Zentralausschuss aller demokratischen Vereine aufgenommen, Vereinsfrauen konnten an den öffentlichen Sitzungen des Ausschusses teilnehmen.

So wie die revolutionären Bemühungen als Ganzes mussten auch die Frauenemanzipation herbe Rückschläge einstecken, als die Truppen des Kaisers das Aufbegehren im Oktober 1848 niedermetzelten. Vereinsgründerin von Perin verlor ihr Eigentum und das Sorgerecht für ihre Kinder, ihr Lebensgefährte Alfred Julius Becher wurde als einer der führenden Köpfe der Revolution am 9. November erschossen. Mit der Rückkehr in den Absolutismus war es Frauen fortan verboten, sich zu politischen Vereinen zusammenzuschließen. Was in den folgenden Jahrzehnten dazu führte, dass viele der Vereine als nach außen hin „nicht politisch“ auftraten, im Inneren jedoch weiterarbeiteten wie bisher.

Doch insgesamt betrachtet, auch angesichts der Niederlagen, „ist es bemerkenswert, dass so etwas zu dieser Zeit überhaupt möglich war“, hebt Mazohl hervor. Denn auch wenn viele der männlichen Revolutionäre ihre Kolleginnen lieber am Herd gesehen hätten, waren Frauen vorne mit dabei: wenn es darum ging, Forderungen als Frauen zu stellen, Strategien der Revolution zu diskutieren oder in der Wiener Innenstadt Barrikaden zu errichten. Seit kurzem erinnert ein Gedenkstein im Wiener Volksgarten an die Gründung des Wiener Demokratischen Frauenvereins, immerhin.

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