„Gemeinwohl-Ökonomie etablieren“. Mit diesem Schritt bekennt sich die frisch formierte Koalition aus Bündnis90/Die Grünen/GAL, SPD und Volt in Münster zur Gemeinwohl-Ökonomie. Als erster Stadtrat überhaupt richtet Münster seine Wirtschaftspolitik damit umfassend an dem innovativen und nachhaltigen Wirtschaftsmodell aus.

„Nach der Gemeinwohl-Bilanzierung von drei Städten im Kreis Höxter hat Münster als erste Stadt beschlossen, die Wirtschaftspolitik generell auf Gemeinwohlkurs zu bringen und für sämtliche städtischen Betriebe eine Gemeinwohl-Bilanz zu erstellen. Damit hat die Stadt in sozialen und ökologischen Umbruchzeiten ein klares Zeichen gesetzt, das international ausstrahlen wird“, kommentiert Christian Felber, Mitbegründer und Initiator der internationalen Gemeinwohl-Ökonomie-Bewegung, die Entscheidung.

Wirtschaft soll dem Wohle aller Menschen dienen

Mit der Aufnahme der Gemeinwohl-Ökonomie in den Koalitionsvertrag unterstreicht der Stadtrat in Münster die Überzeugung, dass die Wirtschaft dem Wohl von Mensch und Umwelt dient. Vor diesem Hintergrund wird eine zentrale Anlaufstelle für Gemeinwohl-Ökonomie künftig Konzepte für Gemeinwohl und Kreislaufwirtschaft erarbeiten und umsetzen. Gleichzeitig unterstützt ein Förderprogramm Unternehmen bei der Erstellung einer Gemeinwohl-Bilanz. Kommunale Finanzhilfen und die öffentliche Beschaffung werden perspektivisch an diesen Bilanzen ausgerichtet, ebenso werden Gemeinwohlkriterien zukünftig bei der Vergabe von Gewerbeimmobilien eingesetzt.

Städtische Unternehmen gehen mit gutem Beispiel voran

Vorreiter sollen nach den Plänen der Koalition die städtischen Unternehmen wie beispielsweise die Stadtwerke sein. Bereits im Geschäftsjahr 2022 könnten diese unabhängig auditierte Gemeinwohl-Bilanzen erstellen und damit zum Zugpferd für eine bewusste und nachhaltige Wirtschaftsweise werden.

Zukunftsfähige Wirtschaft

„Für den Wandel zu einer enkeltauglichen Wirtschaft braucht es Systemanreize“, erklärt Tobias Daur, GWÖ-Berater und Koordinator der Regionalgruppe Münsterland, und freut sich über den Beschluss: „Die Koalition nutzt zentrale kommunalpolitische Werkzeuge wie die öffentliche Beschaffung, Förderprogramme, die Flächenvergabe und die Gemeinwohl-Bilanzierung aller städtischen Unternehmen, um einen wirkungsvollen Beitrag für ein gutes Leben für alle zu leisten.“

 

Über die Gemeinwohl-Ökonomie

Die weltweit agierende Gemeinwohl-Ökonomie-Bewegung nahm 2010 von Österreich, Bayern und Südtirol ihren Ausgang. Sie setzt sich für die generelle Ausrichtung wirtschaftlicher Aktivitäten am Gemeinwohl und der entsprechenden Messung von Erfolg mit einem Gemeinwohl-Produkt (Makroebene/Volkswirtschaft), einer Gemeinwohlbilanz (Mesoebene/ Betriebswirtschaft) und Gemeinwohl-Prüfung (Mikroebene/Finanzwirtschaft) ein.
Sie basiert auf den Ideen des österreichischen Publizisten Christian Felber.

Aktuell umfasst die Gemeinwohl-Ökonomie-Bewegung weltweit rund 11.000 Unterstützer*innen, rund 5.000 Aktive in 200 Regionalgruppen, 35 GWÖ-Vereine, etwa 800 bilanzierte Unternehmen und andere Organisationen, über 50 Gemeinden und Städte sowie 200 Hochschulen weltweit, die die Vision der Gemeinwohl-Ökonomie verbreiten, umsetzen und weiterentwickeln. An der Universität Valencia wurde 2017 ein GWÖ-Lehrstuhl eingerichtet, in Österreich brachte die Genossenschaft für Gemeinwohl 2019 ein Gemeinwohlkonto auf den Markt, und im Herbst 2020 wurden im Kreis Höxter die drei ersten Städte gemeinwohlbilanziert. Seit Ende 2018 gibt es den Internationalen GWÖ-Verband mit Sitz in Hamburg. Der EU-Wirtschafts- und Sozialausschuss nahm 2015 eine eigeninitiierte Stellungnahme zur GWÖ mit 86% Stimmenmehrheit an und empfahl ihre Umsetzung in der EU.

Weitere Informationen unter: ecogood.org

 

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