Die Große Koalition hat ihre Corona-Maßnahmen mit einer neuen Grundlage im Infektionsschutzgesetz (IfSG) rechtlich abgesichert und im Eiltempo eine entsprechende Gesetzesänderung durch das Parlament gebracht. Das Institut für soziale Gegenwartsfragen kritisiert Tempo und Prozedere, mit dem das „Dritte Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ am 18.11. im Bundestag beschlossen worden ist.

Seit Monaten hält die Corona-Krise unsere Demokratie in Atem. Aber die Dringlichkeit zu treffender Maßnahmen kann nicht rechtfertigen, dass Bundestag und Landtage eine Novelle des Infektionsschutzgesetzes in einem Tour de Force-Verfahren beschließen und somit letztlich einfach durchwinken. Die von der Bundeskanzlerin und den Ministerpräsidenten beabsichtigten Gesetzesänderungen hätten vielmehr gründlich in den Parlamenten beraten, Experten unterschiedlicher Disziplinen und die Öffentlichkeit in die Debatte umfassend einbezogen werden müssen.

Dazu erklärt Ulrike von Wiesenau, im Vorstand des Freiburger Instituts für soziale Gegenwartsfragen:

„Die Bundesregierung hat, obwohl sie eine zweite Corona-Welle für möglich halten musste, die entspannteren Monate nicht genutzt, um einen nachhaltigen und verfassungskonformen Gesetzgebungsprozess zu organisieren und eine umsichtige und längerfristig tragfähige Strategie zu erarbeiten. Nun hat sie eine schnell gezimmerte Gesetzesänderung durch das Parlament gebracht, die die Grundrechte der Bürger umfassend einschränken und alle Macht im Bundesgesundheitsministerium konzentrieren wird. Angesichts der weitreichenden Folgen der Gesetzesbeschlüsse – die ja nicht nur in der gegenwärtigen Krisenlage gelten – untergraben Eilverfahren und mangelnde Transparenz einmal mehr unsere Demokratie. Eingriffe in die Grundrechte dürfen, zumal wenn sie auf Dauer angelegt sind, nur vom Parlament in einer sorgsamen Güterabwägung getroffen werden. Doch die Regierung, deren Aufgabe als Exekutive darin besteht, das auszuführen, was die Legislative des gesetzgebenden Parlaments ihr aufträgt, wird in Zeiten der Krise mit einer bedenklichen Macht ausgestattet. Die Rolle der demokratischen Kontrollinstanzen dagegen beschränkt sich immer häufiger auf das formale Beglaubigen dessen, was in Koalitionsrunden oder anderen Kontexten abseits öffentlicher Debatten beschlossen wurde, zum Schaden unserer Demokratie.“