Am 9. September wird in London die Auslieferungsanhörung des WikiLeaks-Gründers Julian Assange wieder aufgenommen, dem in den USA bis zu 175 Jahre Haft drohen. Amnesty International fordert die US-Behörden auf, die gegen Julian Assange wegen der Veröffentlichung von geheimen Dokumenten erhobenen Anklagen fallenzulassen. Von Grossbritannien fordert die Menschenrechtsorganisation die Ablehnung des US-amerikanischen Auslieferungsantrags.

«Diese Anhörung ist die jüngste besorgniserregende Attacke in einem grossangelegten Angriff gegen das Recht auf freie Meinungsäusserung. Wenn Julian Assange strafrechtlich verfolgt wird, könnte dies beunruhigende Auswirkungen auf die Medienfreiheit haben. Verleger und Journalisten werden dann möglicherweise aus Furcht vor Vergeltungsmassnahmen zur Selbstzensur veranlasst», so Nils Muižnieks, Europadirektor von Amnesty International.

«Wenn Julian Assange strafrechtlich verfolgt wird, könnte dies beunruhigende Auswirkungen auf die Medienfreiheit haben.» Nils Muižnieks, Europadirektor von Amnesty International

«Die Auslieferung von Julian Assange würde weitreichende Auswirkungen auf die Menschenrechte haben und den Schutz von Personen gefährden, die im Namen des öffentlichen Interesses geheime Informationen veröffentlichen.»

Der Auslieferungsantrag der USA gegen Julian Assange beruht auf Anklagen, die direkt auf die Veröffentlichung von geheimen Dokumenten im Rahmen seiner journalistischen Arbeit mit WikiLeaks zurückzuführen sind. Die Veröffentlichung derartiger Informationen ist ein Grundstein der Medienfreiheit und des Rechts auf Zugang zu Informationen von öffentlichem Interesse. Diese Aktivitäten sind daher zu schützen und nicht zu kriminalisieren.

In den USA könnte Julian Assange auf der Grundlage von 18 Anklagen vor Gericht gestellt werden. 17 dieser Anklagepunkte werden unter dem Spionagegesetz (Espionage Act) und einer unter dem Cybergesetz (Computer Fraud and Abuse Act) erhoben. Darüber hinaus könnten ihm schwere Menschenrechtsverletzungen drohen, so zum Beispiel Haftbedingungen, die Folter und anderer Misshandlung gleichkommen. Dies schliesst verlängerte Einzelhaft mit ein. Julian Assange ist der erste Verleger, der sich wegen Anklagen unter dem Spionagegesetz verantworten muss.

«Die britische Regierung muss ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen nachkommen und darf Personen nicht an ein Land ausliefern, in dem ihnen schwere Menschenrechtsverletzungen drohen würden.» Nils Muižnieks.

In den USA wurde auf höchster Regierungsebene eine gezielte Kampagne gegen den WikiLeaks-Gründer geführt, wodurch sein Recht auf Unschuldsvermutung stark untergraben wurde und er Gefahr läuft, kein faires Gerichtsverfahren zu erhalten.

«Die britische Regierung muss ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen nachkommen und darf Personen nicht an ein Land ausliefern, in dem ihnen schwere Menschenrechtsverletzungen drohen würden», betonte Nils Muižnieks.

Das Gerichtsverfahren beginnt am 7. September vor dem Zentralen Strafgerichtshof (Old Bailey) in London.

Hintergrund

Amnesty International ist ausserdem besorgt um die körperliche und geistige Gesundheit von Julian Assange, insbesondere vor dem Hintergrund der COVID-19-Pandemie. Die Bedingungen in britischen Gefängnissen und Hafteinrichtungen sind unzulänglich. Es müssen dringend Massnahmen für Sicherheit und Gesundheitsschutz umgesetzt werden, um das Risiko einer Ansteckung mit COVID-19 zu reduzieren.

Hierbei ist darauf zu achten, dass die Rechte der Gefangenen und Inhaftierten gewahrt werden. Gefangene bzw. Inhaftierte, die schwere Vorerkrankungen aufweisen und daher einem besonderen Risiko ausgesetzt sind, sollten wenn möglich auf Kaution freigelassen oder gänzlich aus der Haft entlassen werden.

Original-Pressemitteilung