Der Krieg im Jemen geht in sein sechstes Jahr. Aber nun läuten durch die COVID19 Pandemie, zusätzlich zu 1,2 Millionen Cholerafällen, die Alarmglocken für ein Gesundheitssystem, das bereits am Ende ist. Nur etwa die Hälfte der 3500 Gesundheitseinrichtungen sind funktionsfähig, 20 Millionen Jemenit*innen fehlt es an entsprechender Gesundheitsversorgung und 18 Millionen haben nicht einmal Zugang zu sauberem Wasser und sanitärer Grundversorgung.
Das internationale Rescue Committee (IRC) hat Jemen in die 5 Zonen eingeordnet, in denen COVID19 eine doppelte Notlage schafft. Und wenn die Ausbreitung des Virus nicht eingedämmt werden kann, „wird unschätzbares ziviles Leid riskiert“, sagt die IRC-Yemen-Direktorin Tamuna Sabadze.
“Unsere Organisation hat als erste einen Waffenstillstand gefordert, um medizinische Notversorgung gegen COVID19 und den Choleraausbruch im Jemen zu ermöglichen – noch vor dem UN Generalsekretär“, erklärt Muna Luqmann. Sie leitet die im Jahr 2015 gegründete Food4Humanity Stiftung, eine der ersten und führenden ehrenamtlich von Frauen geführten zivilgesellschaftlichen Organisationen im Jemen. Mit der Unterstützung von Diaspora-Jemenitinnen und von MADRE, einer globalen Frauenrechtsorganisation bezahlt Luqman ein Training von 150 jungen Mediziner*innen im Südwesten in der Stadt Taiz. 50 weitere Ärzt*innen werden in der Hauptstadt Sanaa und in Hudaida, Jemens viertgrößter Stadt und Haupthafen am Roten Meer, ausgebildet. Das internationale zivilgesellschaftliche Netzwerk ICAN unterstützt die Gesundheits- und Sensibilisierungskampagne, die von Jugendlichen geführte Initiativen.
Die militanten Fraktionen– von den Huthi zu den Saudis, von den Emiraten zum Iran – wetteifern alle um die Kontrolle über die Häfen im Süden. Die Bilder vom Krieg, die auf den Fernsehkanälen laufen, berichten nur unzureichend über die Folgen, die der Krieg für die 29 Millionen Einwohner im ärmsten Land des Nahen Osten gehabt hat. Der Jemen steht am Rande der Zerstörung:
- Die Zahl der Todesopfer des Krieges wird auf über 200,000 geschätzt, 85,000 starben an Hunger.
- Fast 80 Prozent der Bevölkerung brauchen humanitäre Hilfe, darunter auch 2 Million unterernährter Kinder – von denen 36,000 unter 5 Jahren sind (UNICEF).
- Über 20 million Jemeni’s sind von Ernährungsunsicherheit betroffen.
- Geschlechtsspezifische Gewalt hat um 70% zugenommen (36% allein zwischen 2016-2017).
- Ungefähr 4.3 Millionen Menschen wurden vertrieben, etwa die Hälfte davon sind Frauen, von denen 27% unter 18 sind.
- Die Zunahme an Kinderheiraten aufgrund extremer Armut beträgt 60%.
“Während etwa 4 Milliarden Dollar durch die Geber und internationalen Hilfsorganisationen ins Land kommen, haben wir es mit einer menschengemachten Hungersnot zu tun, durch korrupte Organisationen, die das Leben von Millionen von Jemenit*innen bedrohen“, so Luqman. “Es gibt theoretisch eine Menge zu essen im Jemen, aber den Menschen fehlt es an Geld, um Essen zu kaufen.”
Da die meisten Jemenit*innen die letzten 3 Jahre kein Einkommen hatten, hat Food4Humanity mit fast 20.000$ Kleinstunternehmer*innen wie z.B. Straßenverkäufer*innen mit Krediten versorgt.
Mit dem Einkommen bezahlen Verkäufer ihre Miete, können Grundbedürfnisse befriedigen und sind damit finanziell und psychologisch entlastet. Zur Ausbildung einer zukünftigen Generation von Kleinunternehmer*innen schult Food4Humanity junge Menschen in kleinen Geschäftsideen. So arbeitet die Organisation z.B. an einem Pilotprojekt für den Aufbau eines Gewächshauses, um Bäuerinnen ein kleines Einkommen zu verschaffen – jedes der Projekte wird etwa 36.000$ kosten.
Angesichts gravierender Ungleichheit frustriert es Luqman, dass selbsternannte Huthi-„Aufseher“ in Sanaa von internationalen Organisationen einen Monatslohn beziehen. Sie frönen eines verschwenderischen Lebensstils, leben in Villen, besteuern Besitzer kleiner Geschäfte und stecken 2% der gesamten internationalen Hilfe die ins Land kommt in ihre eigenen Taschen. Die steht in krassem Gegensatz zu extremer Armut, Hunger und einer nicht mehr vorhandenen öffentlichen Gesundheits-und Sozialversorgung. Da 90% der jemenitischen Nahrungsmittel importiert werden, nutzen Huthi die Millionen von Dollar an Gewinnen aus den Hafengebühren, um Jungen zu militarisieren. Währenddessen bezahlen die Vereinten Nationen keine lokalen Friedenskräfte mehr und internationale Hilfsorganisationen unterstützten nur lokale Organisationen mit einem Jahresbudget von 200.000$, sagt Luqman.
“Sie tun dies, anstatt mit lokalen Frauengruppen zusammenzuarbeiten, die die wahren Ersthelferinnen in der Krise sind und die humanitären Korridore kennen bzw. Zugang organisieren können. Ihnen sind die wirklichen Bedürfnisse der Bevölkerung vertraut. Die internationalen Hilfsorganisationen, die in den Jemen kommen, dachten immer, sie wissen besser als wir, was die Jemenit*innen brauchen, erklärt Luqman.
Dies führte dazu, dass sich internationale Hilfsorganisationen mit „korrupten“ lokalen Organisationen zusammenschlossen, deren Berufung nicht mit dem Wohlergehen der jemenitischen Bevölkerung übereinstimmte.
How Food4Humanity Is Yemen’s Lifeline Amidst War And Covid-19 Pandemic“ auf Forbes und ist von Heidi Meinzolt aus dem Englischen übersetzt worden. Wir danken der Jackie Abramian für die Zustimmung zur Veröffentlichung des Beitrags auf Pressenza.
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