In Deutschland und in der Welt ist nach Ausbruch der Corona-Epidemie die akute Angst wieder präsent. In den Vorjahren waren Angstgefühle hier im Land wenig ausgeprägt und in die hinteren Abschnitte des Kopfes gerückt. Der Klimawandel und todbringende Kriege schienen in Zeit und Ort fern. Probleme aus der Arbeitslosigkeit oder Steigerung der Preise waren überwindbar. Angst tauchte nur bei schwersten Erkrankungen auf.

Reale Sorgen über die Folgen der Epidemie zwangen 2020 zunächst alle, besonders aber Mediziner, Politiker und Wirtschaftslenker mit großer Ernsthaftigkeit über wirksame Gegenmaßnahmen nachzudenken und sie durchzuführen.

Die gelebte europäische Geschichte musste nach den Epidemien der Pest und der Spanischen Grippe 1918 viele Millionen Menschenleben und große materielle Verluste beklagen. Epidemien ohne erprobten Impfstoff, wie gegenwärtig, erfordern höchste Alarmstufen.

Vor 75/80 Jahren herrschten in Deutschland Todesängste vor Bomben, heranrückende Kriegsfronten, Verrat durch Nachbarn und Einlieferungen in ein Konzentrationslager. Es waren Ängste vor menschengemachten Todesursachen, die irgendwie anders bekämpft werden können. Ohne Abstandhaltung oder Gesichtsmasken, aber mit Aufklärung und Wahlen zu den gesetzgebenden Gremien. Vor allem mit aktiver Aufmerksamkeit und Teilnahme an Aktionen, die Kriege verhindern. Bedenklich ist die gegenwärtige Debatte, dass die Definition des 8. Mai als Befreiungstat wieder gekippt werden soll. Die Befreiung von Mördern darf nicht umgedeutet werden, wie auch nicht die Kriegsschuld.

Die Angst ist seit uralten Zeiten in den Genen von Mensch und Tier verankert. Sie hat unterschiedliche Phasen. Bevor die letzte, eine lähmende einsetzt: „wir können nichts ändern“, „wir sind machtlos“, „wir müssen es geschehen lassen“, hat der Homo sapiens seinen Verstand, sein Erfahrungswissen entwickelt. Auch das ist Teil der Gene geworden.

Epidemien wirken persönlich und unmittelbar. Solche Ängste werden anders wahrgenommen als Ursachen, die sich langsam aufbauen (Krieg, Arbeitslosigkeit).

Die gegenwärtige Angst treibt zur Abwehr. Wie erfolgt die Verbreitung der Viren? Was kann gegen die Epidemie unternommen werden?

Es stärkt das Vertrauen, wenn Wissenschaftler und Technologen konzentriert nach Impfstoffen suchen, das Personal in den Krankenhäusern aufopfernd arbeitet. Wenn Politiker Verhaltensregeln zum Schutz anordnen.

Weniger Vertrauen signalisiert zur Zeit die Wirtschaft mit lauten Rufen nach Geld aus der Gemeinschaftskasse. Verantwortlich ist sie zunächst selbst, für störungsfreie Kreisläufe ihrer Unternehmen zu sorgen. Dazu gehört eigene Vorsorge über Bilanzen und durch Versicherungen zu treffen. Das Grundgesetz verpflichtet sogar die Wirtschaft im Art. 14 (2) Verantwortung zu übernehmen. Sie jongliert mit dem eigenen Grundmotto: „Der Markt wird es schon richten“. Die Regierung wird durch eine mögliche massenhafte Arbeitslosigkeit gedrückt. Der Egoismus ist eine Bremse bei der Entwicklung der ganzen Gemeinschaft.

Die Angst erschüttert in einer Epidemie ohne erkennbare Gegenlösung die gewohnte Sicherheit der Bevölkerung. Sie favorisiert überwiegend, dass alles so bleibt wie es ist. Zunehmende nationale Sichten und Fremdenfeindlichkeit jedoch hindern die Solidarität mit Flüchtlingen. Die Sperrung der Grenzen ist für die Wirtschaft fatal. Sie bewirkt Rückschlageffekte für die deutsche Abhängigkeit vom Welthandel und für die Lage am Arbeitsmarkt.

Die Angst als Zustand kennt Unterschiede. Die Todesangst übt den stärksten Druck aus. Sie führt zur Flucht aus der Heimat, der Aufgabe des Erreichten. Das Schicksal der Juden in ihrer Geschichte belegt die tiefe Wirkung der Todesangst. Und das mit Grund, Angesicht des Holocaust deutscher Nazi.

Leichter sind Angstfolgen vor Schmerzen bei der Geburt oder beim Zahnarzt zu ertragen. Folgen von Arbeitslosigkeiten oder von Preissteigerungen können ebenfalls heftig werden, sind aber meist überwindbar.

Unterschiede bestehen auch darin, ob die Ursachen der Gefahren von menschlichen Handlungen ausgehen. Theoretisch können Menschen sie auch vermeiden, wenn sie es aktiv wollen. So beispielsweise den Frieden dauerhaft zu organisieren oder die Natur zu respektieren.

Der wissende Mensch bleibt bei seinen Erkenntnissen nicht stehen. Die gegenwärtige Bekämpfung der Coronakrise schöpft aus den Erfahrungen, die Wissenschaftler und Politiker im Kampf gegen frühere Virusepidemien gewonnen haben. Das macht Mut.

Die Soziologin Teresa Kolome Beck meint, dass Angstzustände in unterschiedlicher Ausprägung weiter bleiben werden (Berliner Zeitung, 07.05.2020). Wir müssen lernen mit ihnen zu leben und möglichst Ursachen, die Gefahren, die Angst auslösen, ausschalten.

Die nächsten Wahlen bieten sich an, beispielsweise um den Kräften, die Kriege als eine Option ansehen, die „Rote Karte“ zu zeigen. Die Angst vor dem Krieg sollte nicht mehr auftauchen.