„Falsche Lösungen können Gewalt nicht beenden. Diese Welt steht kurz davor zu explodieren, und es gibt keine Möglichkeit, die Gewalt zu beenden!“ (1)

Ein Satz, der auch für die heutige Zeit gilt? Tatsächlich hat ihn vor 50 Jahren ein junger Mann (mit 31 Jahren ist man in dieser gerontokratischen Gesellschaft noch jung, nicht wahr?) auf dem Gipfel eines Berges gesagt, als er zu zweihundert Freunden sprach und eine Bewegung gründete.

Aber wenn ich diesen Satz und diese Rede lese, fällt mir die Welt von heute ein und ihre stumpfe Unfähigkeit, mit den grundlegenden Problemen umzugehen. Und eines der grundlegenden Probleme, vielleicht DAS grundlegende Problem, ist die Gewalt.

Gewalt manifestiert sich nicht nur im physischen Aspekt der Aggression, Tötung, Selbstmord, Entführung, Prügel usw.. Das ist vielleicht der äußerste, am meisten sichtbare Aspekt von Gewalt. Aber Gewalt durchdringt auch Bereiche wie Wirtschaft, Bildung, menschliche Beziehungen oder Arbeit. Eine besonders offensichtliche Gewalt ist derzeit die Diskriminierung, die zu Rassismus, Sexismus, Ausgrenzung aus ethnischen Gründen, Missbrauch und morphologischer Struktur führt (wie viele Behinderte sind immer noch in Häusern eingeschlossen?).

Wohin ich auch schaue, sehe ich Gewalt als Ursache für alles Leid, für alle Ungerechtigkeit, für all das Unrecht, das jedem und allen Menschen angetan wird.

Junge Menschen fordern Klimagerechtigkeit und werden nicht angehört, Völker fordern soziale Gerechtigkeit und werden nicht angehört, jeder von uns fordert ein besseres Leben, während er damit kämpft, alles am Laufen zu halten, und manch einer fordert gar nichts mehr, weil er den Hungertod gestorben ist, seitdem ich begann, diesen Artikel zu schreiben, obwohl es genügend Nahrung für alle gäbe.

Aber irgendwie scheint es, dass wir nicht dazu in der Lage sind, den Kopf ein wenig zu heben und nach vorne zu schauen, denn die „modernste“ Form aller Gewalt ist die, die uns unsere Zukunft raubt.

Bei den Ereignissen, über die wir in diesen Tagen berichten, gibt es eine klare Trennung zwischen Gewaltfreiheit und Gewalt: die von den Demonstranten geschlagenen Töpfe und Pfannen gegen das Tränengas der chilenischen Carabineros, die entschlossenen Proteste der indigenen Ecuadorianer gegen die Gleichgültigkeit und den Verrat der Regierung, die Augenzeugenberichte in den sozialen Netzwerke über die Proteste überall auf der Welt gegen die manipulierte und propagandistische Narrative der Mainstream-Medien, die nur die Gewalt einiger weniger zeigt, die engagierten Aktionen junger Menschen (und auch Erwachsener), um ein Bewusstsein für das Klima zu schaffen gegen die Untätigkeit der Regierungen und deren Weigerung, effektive Maßnahmen für einen radikalen Systemwechsel zu ergreifen.

Ich glaube, dass jeder selbst kleine persönliche Beispiele hinzufügen könnte, auch aus dem Alltag, bei denen die Reaktionen auf Ereignisse, ob gewaltfrei oder gewaltvoll, immer wichtiger für das eigene Überleben werden.

Aber es ist klar, dass wenn Gewaltfreiheit in jedem von uns wachsen und sich in der Welt ausdrücken soll, es ebenso notwendig ist, dass immer mehr Räume und Bereiche geschaffen werden, in denen sich gewaltfreie Aktionen auch manifestieren können, in denen Menschen zusammenarbeiten, Erfahrungen austauschen und sich gegenseitig durch ihr Handeln und ihr Verständnis gegenüber dem anderen stärken können. Pressenza will einer dieser Räume sein, auf informativen Ebene, wo jede gewaltfreie Aktion, ob groß oder klein, den Raum hat, sich selber auszudrücken und mitzuteilen.

Die Antwort der Gewaltfreiheit ist eine edle Antwort, sie ist nicht unmittelbar, sondern sie braucht Zeit für konstruktives Denken, Fühlen und Handeln, und sie braucht eine starke Absicht zur Veränderung.

Gleichzeitig muss die Notwendigkeit der Gewaltlosigkeit aus der dringenden Feststellung hergeleitet werden, dass dieses auf Gewalt basierende System für niemanden mehr funktioniert und zu einer Katastrophe führen wird, die, wenn sie nicht ökologisch ist, sicherlich menschlich sein wird, weil sie den Sinn des Lebens der Menschen auf diesem Planeten, in diesem Segment unserer Existenz, tief berührt.

So ist es die Aufgabe der Gewaltfreien, die Ärmel hochzukrempeln und unermüdlich daran zu arbeiten, Räume zu bauen, zu trösten, zu ermutigen, zu vertiefen: Denn Gewaltfreiheit ist notwendig und dringend, sie gehört allen und ist für alle.

(1) Silo: „Die Heilung des Leidens“, Rede vom 4. Mai 1969 in Punta de Vacas, Argentinien, am Fuße des Aconcagua. Zu finden im Buch „Discorsi“, Multimage, Florenz 2016

Übersetzung aus dem Italienischen von Evelyn Rottengatter