Rafael Correa über die Strategie der konservativen Restauration und Probleme der Linken an der Macht

Von Rafael Correa
Übersetzung von Vilma Guzmán
amerika21

Der Epochenwandel

Nach der langen und traurigen neoliberalen Nacht der 1990er Jahre, an der ganze Nationen wie Ecuador zerbrochen sind, und seitdem Hugo Chávez Ende 1998 die Präsidentschaft der Republik Venezuela gewann, begannen die rechten und unterwürfigen Regierungen des Kontinents wie Kartenhäuser zusammenzubrechen und in Unserem Amerika kamen popuare Regierungen auf, die sich dem Sozialismus des Buen Vivir (würdiges, gutes leben) verschrieben hatten.

Auf dem Höhepunkt dieser Entwicklung hatten im Jahr 2009 von zehn Ländern Südamerikas acht linke Regierungen. Außerdem gab es in Zentralamerika und der Karibik die Front Farabundo Martí in El Salvador, den Sandinismus in Nicaragua, Álvaro Colom in Guatemala, Manuel Zelaya in Honduras und Leonel Fernández in der Dominikanischen Republik. In Ländern wie Guatemala, mit Álvaro Colom, oder Paraguay, mit Fernando Lugo, war es das erste Mal in der Geschichte, dass die Linke an die Macht gelangte, im letzten Fall durchbrach sie sogar eine jahrhundertealte Konstante des Zweiparteiensystems.

Im Mai 2008 entstand die Union südamerikanischer Nationen (Unasur ) und im Februar 2010 wurde die Gemeinschaft lateinamerikanischer und karibischer Staaten (Celac) geschaffen, mit 33 Mitgliedern. Von den 20 lateinamerikanischen Ländern der Celac hatten 14 linke Regierungen, also 70 Prozent.

Der erste Teil des 21. Jahrhunderts sind zweifellos gewonnene Jahre gewesen. Die wirtschaftlichen, sozialen und politischen Fortschritte waren historisch und setzten die Welt in Erstaunen und all das in einer Atmosphäre der Souveränität, der Würde, der Autonomie, mit eigener Präsenz auf dem Kontinent und in der ganzen Welt. Natürlich hat die günstige weltwirtschaftliche Lage sehr geholfen. Die Rohstoffe, die speziell Südamerika exportierte, erzielten hohe Preise in diesen Jahren, aber der große Unterschied ist, dass dieser Reichtum endlich in das Buen Vivir unserer Völker investiert wurden.

Lateinamerika erlebte keine Zeit des Wandels, sondern einen wahren Epochenwandel, der auch das geopolitische Gleichgewicht der Region wesentlich veränderte. Deshalb war es für die faktischen Mächte und hegemonialen Länder unerlässlich, diesen Veränderungsprozessen zugunsten der großen Mehrheiten und die die zweite und endgültige regionale Unabhängigkeit anstrebten, ein Ende zu setzen.

Die konservative Restauration

Obwohl die Regierung von Hugo Chávez bereits 2002 einen misslungenen Staatsstreich aushalten musste, haben sich tatsächlich seit dem Jahr 2008 die undemokratischen Versuche gehäuft, mit den progressiven Regierungen Schluss zu machen: in Bolivien 2008, Honduras 2009, Ecuador 2010 und Paraguay 2012. Vier Destabilisierungsversuche, zwei davon erfolgreich – Honduras und Paraguay – und alle gegen linke Regierungen gerichtet.

Ab 2014 und unter Ausnutzung des veränderten Wirtschaftszyklus‘ festigten sich diese Anstrengungen zur Destabilisierung und bildeten eine wahre «konservative Restauration», mit nie gekannten Koalitionen der Rechten, internationaler Unterstützung, unbegrenzten Ressourcen, ausländischer Finanzierung usw. Die Reaktion hat sich vertieft und Schranken und Skrupel verloren. Jetzt haben wir die wirtschaftliche Hetzjagd und den Boykott gegen Venezuela, den parlamentarischen Putsch in Brasilien und die Verrechtlichung der Politik – Lawfare –, wie uns die Fälle von Dilma (Rousseff) und Lula (da Silva) in Brasilien, Cristina (Fernández de Kirchner) in Argentinien und des Vizepräsidenten Jorge Glas in Ecuador beweisen. Die Versuche, Unasur zu zerstören und die Celac zu neutralisieren sind ebenfalls offenkundig und nicht selten unverschämt. Ganz zu schweigen davon, was im Mercosur vor sich geht. Das Scheitern des Alca zu Beginn des Jahrhunderts (1) soll mit der Pazifik Allianz wettgemacht werden.

In Südamerika gibt es derzeit nur noch drei fortschrittliche Regierungen: Venezuela, Bolivien und Uruguay. Die ewigen Mächte, die Lateinamerika immer beherrscht und in Rückständigkeit, Ungleichheit und Unterentwicklung gestürzt haben, kehren nach mehr als einem Jahrzehnt ununterbrochener Niederlagen rachsüchtig zurück.

Die Eckpunkte der Strategie der konservativen Restauration

Die reaktionäre Strategie ist regional strukturiert und basiert hauptsächlich auf zwei Eckpunkten: dem vermeintlichen Scheitern des Wirtschaftsmodells der Linken und der angeblich fehlenden moralischen Kraft der fortschrittlichen Regierungen.

Was den ersten Punkt angeht, so erlitt die gesamte Region …..Weiterlesen

 

Rafael Correa, Wirtschaftswissenschaftler, Mitbegründer der Bürgerrevolution und der Regierungspartei Alianza País, war von 2007 bis 2017 Präsident von Ecuador

(1) Die von den USA propagierte gesamtamerikanische Freihandelszone (Alca), gegen die sich in Lateinamerika eine breite Protestbewegung gebildet hatte, wurde beim Amerikagipfel 2005 im argentinischen Mar del Plata von den Präsidenten Argentiniens (Néstor Kirchner), Venezuelas (Hugo Chávez) und Brasiliens (Luiz Inácio Lula da Silva) zurückgewiesen und war damit gescheitert

Quelle: Nodal

Der Originalartikel kann hier besucht werden