Ein französisch-deutsches Paar, Caroline und Reiner, organisierten am letzten Sonntag eine sehr spontane Kundgebung in Düsseldorf, um sich zu treffen und ein Zeichen zu setzen. Für Paris, für Frieden und für Gewaltfreiheit. Sie wollten ein Forum bieten für den Ausdruck der Solidarität mit Frankreich und Paris. Es sollte nicht politisch werden, sondern vielmehr eine Gelegenheit sein, sich gegenseitig Trost zu spenden und zu stärken durch die Anwesenheit und den Austausch von persönlichen Erfahrungen. Weil der Bericht aus sehr persönlicher Sicht zeigt, dass jeder von uns die Möglichkeit hat, etwas gegen Angst und Gewalt zu tun, wollen wir ihn hier veröffentlichen.

Caroline hatte es als wohltuend empfunden, als Anfang des Jahres eine Solidaritätsdemo nach den Charlie Hebdo Attentaten von Franzosen organisiert worden war. Da sie keine entsprechende Veranstaltung nach dem schrecklichen Freitag gefunden haben, meldeten die beiden am Samstag für Sonntag eine Kundgebung mit 50 Teilnehmer an. Über facebook verbreitete sich die Nachricht schnell, so dass sich am Ende etwa 300 Teilnehmer und auch Pressevertreter versammelten.

Reiner und Caroline hielten die unten aufgeführte Rede auf Deutsch und Französisch:

„Wir begrüßen Euch bei dieser Solidaritätsveranstaltung. Wir, das sind Caroline und Reiner. Wir sind ein Deutsch – Französisches Paar das in Düsseldorf lebt. Wir freuen uns sehr, dass so viele Menschen so kurzfristig den Weg hierhin gefunden haben. Heute wollen wir unsere Solidarität für die Menschen in Frankreich und in Paris zum Ausdruck bringen. Vor allem für die französische Gemeinschaft, die hier lebt, ist es jetzt wichtig sich zu versammeln, um zusammen ihre Trauer zum Ausdruck zu bringen. Die Demonstration nach Charlie Hebdo hatte uns viel Trost gespendet und es war uns ein Bedürfnis, uns noch einmal zu versammeln nach den Attentaten in Paris.

Aber uns allen ist natürlich klar, dass Paris nur ein Symbol ist und möchten gerne alle Opfer von Krieg, Terrorismus und Gewalt in unsere Gedanken einschließen.

Man sieht mittlerweile überall <betet für Paris> oder <betet nicht für Paris> oder <ihr vergesst Bagdad oder Beirut> oder <#lifeisforliving>. Jeder versucht seiner Trauer einen Sinn zu geben auf eine Art, die ihm oder ihr kohärent erscheint. Eigentlich sind wir mit allem einverstanden. Betet oder betet nicht. Jeder soll frei sein, seinen Schmerz auf seine Art zu verarbeiten.

Wir für unseren Teil, um überhaupt anfangen können zu verarbeiten, hatten das Bedürfnis eine Gemeinschaft zu erleben. Wir hatten das Bedürfnis Eure Gesichter zu sehen und zu erleben, dass, auch wenn wir unsere Trauer auf unterschiedliche Art und Weise ausdrücken, wir durch diesen Schmerz vereint sind. Jeder wird seinem Rhythmus folgen und nach und nach zurück zum Alltag finden. Sei es als ein Bedürfnis oder als eine Form des Widerstandes gegenüber der Aggression, der die Menschheit Tag für Tag ausgesetzt ist, in Paris und woanders.

Wir schlagen jetzt eine Minute der Stille vor, während der jeder auf seine Art den Opfern gedenken kann. Wer religiös ist und still beten mag, kann das selbstverständlich tun, aber wer nicht religiös ist und lieber Energie schicken möchte oder einfach nur ganz fest an diese Menschen denken möchte, dann ist das genauso wertvoll. Hauptsache, unsere Gedanken sind für diesen Moment vereint.“

Nach der Minute der Stille las Caroline einen Text auf Französisch vor, der Ihre Gefühle widerspiegelt. Es ging darum, den Hass und der Angst keinen Platz in unseren Herzen zu geben.

Danach konnte jeder, der wollte, ein paar persönliche Worte sagen.

Ein Vertreter des „Kreisverband der Düsseldorfer Muslime“ fand erfreulich unpolitische Worte und stellte selbstverständlich klar, dass sie den Terror und die Anschläge verurteilen, die den Islam missbrauchen.

Die Teilnehmer bildeten ein spontanes Peacezeichen und während alle im Peacezeichen standen, kam eine Gruppe von Mädchen von der französischen Schule, um noch einige Worte zu sagen. Auch eine junge französische Studentin hielt auf Englisch eine sehr bewegende Rede, in der sie die Menschheit dazu aufrief, sich vor Augen zu halten, dass nicht nur in Paris die Gewalt herrscht, sondern überall auf der Welt. Dass wir froh und dankbar sein sollten, morgens aufzuwachen und uns nicht zu fragen, ob wir heute Abend noch leben. Sie rief auf zum globalen Zusammenhalt und Mitgefühl für alle Gewaltopfer.

Reiner erzählt uns: „Am Ende der Veranstaltung sind sehr viele Menschen zu Caroline gegangen, um sich bei ihr zu bedanken. Einige Leute haben geweint und auch ich konnte während die Leute das Peacezeichen gebildet haben kurz nicht weiter reden weil mir die Tränen gekommen sind. Für einige, wie für Caroline, war diese Veranstaltung die einzige Möglichkeit unter Franzosen zu kommen, um gemeinsam den Schock zu verarbeiten. Eine junge Frau sagte durch ihre Tränen, dass sie neu in Düsseldorf wäre, noch keine Freunde hier hätte und nicht wüsste, wohin mit sich selbst. Sie empfand es als große Erleichterung und Trost, mit gleichgesinnten Menschen zusammen zu kommen.“

Einige weitere schöne Erfahrungen: Als sich herausstellte, dass mehr Ordner für die Veranstaltung gebraucht wurden meldeten sich spontan ein junger Franzose, ein Syrer, der seit 11 Monaten in Düsseldorf lebt und Asyl beantragt hat und ein deutsches Pärchen aus Düsseldorf, die als Malteser Erfahrung hatten und sich auch als Ersthelfer angboten. Ebenso wurde ein Megaphon gebraucht, woraufhin sich ein DJ meldete, er würde seine PA Anlage mitbringen. Den Strom konnten sie vom Düsseldorfer Riesenrad anzapfen, dessen Verantwortlicher sehr freundlich und zuvorkommend war.