Milena Rampoldi von ProMosaik fürt ein Interview mit Benjamin Fredrich vom Katapult-Magazin über Journalismus, Flüchtlinge, Rechtsradikalismus. Das Hauptziel des Magazin wird von der Redaktion wie folgt umschrieben: „Die Redaktion von Katapult hat sich deshalb zum Ziel gesetzt, Sozialwissenschaft populär aufzubereiten. Auch komplizierte Zusammenhänge sollen durch unsere Artikel ohne Vorwissen zu verstehen sein. Ergänzt wird dieses Angebot durch Artikel der Katapult-Redaktion, die neue Sichtweisen auf das Tagesgeschehen eröffnen. Unsere Karten sollen dabei beim Verstehen helfen.“

Milena Rampoldi: Mit welchen Hauptschwerpunkten setzt sich die Redaktion von Katapult auseinander?

Benjamin Fredrich: Wir verbinden wissenschaftliche Studien mit aktuellen gesellschaftlichen Themen. Konkret bedeutet das, dass wir Daten, Statistiken und Studien zu Themen wie beispielsweise PEGIDA, der Griechenlandkrise oder der Flüchtlingspolitik suchen. Wir wollen die journalistische Diskussion also bereichern, indem wir die Wissenschaft hinzufügen, diese aber journalistisch verpacken.
Nach den ersten Brandanschlägen auf Flüchtlingsheime haben beispielsweise viele Journalisten danach gefragt, ob der Osten fremdenfeindlicher ist, als der Westen. Viele haben darüber emotionale und subjektive Artikel geschrieben. Wir haben stattdessen eine Studie (Mitte-Studie) rausgesucht, die diese Frage beantwortet, und zwar ziemlich genau. Das Ergebnis: Ausländerfeindlichkeit ist ein gesamtdeutsches Problem, aber in den neuen Bundesländern (22,4%) ist es auf einem etwas höheren Niveau als in den alten Bundesländern (17%).

Wie wichtig ist es, Menschen die Kehrseite einer vorgefertigten Meinung zu zeigen? Welche Strategien verfolgen Sie?

Zunächst einmal sind Bürger mit „vorgefertigten Meinungen“ oft aufmerksame Leser. Sie denken politisch und beteiligen sich an der Diskussion, das ist nicht bei jedem der Fall. Das Problem: Sie lassen nur selten Meinungsänderung zu, egal wie gut die alternativen Argumente sind. Ein Kennzeichen der Wissenschaft ist, ergebnissoffen zu arbeiten. Wenn ein Wissenschaftler beginnt über ein Thema zu forschen, darf er noch nicht entscheiden, wie sein Ergebnis sein wird. Er muss jedes Ergebnis zulassen. Diese Ergebnisoffenheit ist ein hoher Anspruch und er wird sicher nicht immer eingehalten. Vielleicht sollten sich aber auch Nicht-Wissenschaftler frei machen und an dieser Norm orientieren. Denn zu viele haben Ihre Meinung einfach deshalb, weil sie sie schon immer hatten. Tradition ist ersetzt keine Argumente.

Vielleicht können wir mit unseren Studien und Grafiken hin und wieder für einen Aha-Moment sorgen. Ob wir damit auch diejenigen erreichen, die bereits vorgefertigte Meinungen haben, hängt von der Stärke unserer Veröffentlichungen und deren Flexibilität ab. Es wird aber sich nicht von heute auf morgen funktionieren.

Wie wichtig sind heute die sozialen Medien für die journalistische Arbeit?

Sie sind für unsere Internetseite die zweitstärkste Besucherquelle. Wir nutzen die sozialen Medien als Werbeplattform, aber auch als Anzeiger dafür, wie Themen angenommen werden. Auch wenn das Niveau, vor allem bei Facebook, oft gering ist – die Leser haben eine hohe Reaktionsquote und die Artikel können dort eine hohe Reichweite erlangen.

Auf welchen Ebenen muss man sich in Deutschland dringend mit dem Rechtsextremismus auseinandersetzen?

Vor einem Jahr hätte ich Ihnen auf diese Frage ganz entspannt geantwortet und gesagt, dass die deutsche „Rechte Szene“ schlecht organisiert ist und Personalmangel hat. Seit PEGIDA hat sich das wieder geändert. Ausländerfeindlichkeit und Rassismus befinden sich allerdings nicht nur am rechten Rand, sondern in der Mitte der Gesellschaft. 17% aller SPD und CDU Wähler sind fremdenfeindlich eingestellt (Mitte-Studie). Es ist zunächst also besonders wichtig diejenigen zu überzeugen, die noch demokratische Partien wählen, aber auch empfänglich für radikale Gruppierungen sind. Die demokratischen Parteien haben deshalb zuerst die Aufgabe ihre eigenen Wähler zu bilden und aufzuklären. Schaffen sie das nicht, könnte der Rechtsextremismus in Deutschland noch viel unerträglicher werden, als er ohnehin schon bereits ist.

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