Gewalt gegen Frauen und Mädchen hat System. Sie ist fest verwurzelt in unseren Gesellschaftsstrukturen, die auf einer hierarchischen Geschlechterordnung fußen und Gewalt legitimieren. Das Ergebnis: Weltweit sind jeden Tag unzählige Frauen und Mädchen von geschlechtsspezifischer Gewalt betroffen.

Die alle zehn Minuten durch Familienangehörige oder (Ex-)Partner getöteten Frauen[1], die systematische sexualisierte Kriegsgewalt im Sudan, im Jemen oder in der Ukraine, der offene Frauenhass, der Anstieg von geschlechtsspezifischer Gewalt und der antifeministische Backlash auf erkämpfte Fortschritte sind die Spitze dieser misogynen Pyramide. Die Gewalt wirkt in alle Lebensbereiche hinein, benachteiligt Frauen beim Zugang zu Bildung, Arbeit oder politischer Teilhabe und verletzt sie systematisch in ihren Menschenrechten. Sie entzieht Lebensgrundlagen, zerstört Existenzen und endet oftmals tödlich. Durch den internationalen Rechtsruck und die Klimakrise verschärft sich die Lage weiter – insbesondere für Frauen, die u.a. aufgrund von Beeinträchtigungen, Armut, Herkunft, sexueller Orientierung und/oder geschlechtlicher Identität weitere Diskriminierung erfahren.

Die allgegenwärtige, systemische Gewalt gegen Frauen wird trotz eindeutiger Faktenlage weder in politischen Entscheidungsprozessen und der Rechtsprechung noch im Gesundheitsbereich, der Bildung und vielen weiteren Gesellschaftsbereichen ausreichend anerkannt. Stattdessen wird die Gewalt bagatellisiert oder unter Rückgriff auf rassistische und klassistische Narrative als Problem bestimmter Gesellschaftsgruppen konstruiert. Es kann und darf daher nicht verwundern, dass die Gewalt nicht abnimmt. Solange die Bemühungen für eine gewaltfreie Gesellschaft symbolisch bleiben und nicht die Wurzeln der Gewalt adressieren, wird die Gewalt fortbestehen und weiter zunehmen.

Als Bundesarbeitsgemeinschaft Täterarbeit Häusliche Gewalt e.V. fordern wir zum 25. November strukturelle Lösungen für ein strukturelles Problem! Die Überwindung von Gewalt gegen Frauen muss endlich ins Zentrum politischer Entscheidungsprozesse gestellt und auf allen Gesellschaftsebenen konsequent vorangetrieben werden. Statt Kürzungen und Appellen brauchen wir ganzheitliche Ansätze, die auf die Überwindung patriarchaler Machtverhältnisse abzielen. Zentral ist hierbei der Ausbau von geschlechtersensibler Primärprävention und der Abbau der Benachteiligung von Frauen bei Bildung, Arbeit und politischer Teilhabe, in der Gesundheitsversorgung und beim Wohnen.

Im Bereich des unmittelbaren Gewaltschutzes fordern wir die lückenlose Umsetzung der für Deutschland verpflichtenden Istanbul-Konvention. Wie der kürzlich veröffentlichte Alternativbericht zur Umsetzung der Istanbul-Konvention zeigt, wird Deutschland seiner menschenrechtlichen Verantwortung nicht gerecht.[2] Die aktuelle Schieflage im Gewaltschutz, die sich in prekären Arbeitsbedingungen und einer dramatischen Unterversorgung gewaltbetroffener Frauen und ihren Kindern äußert, steht im krassen Widerspruch zur Relevanz der Arbeit und muss unverzüglich behoben werden. Wir brauchen ausreichend barrierefreie Schutz- und Beratungsplätze für Betroffene sowie einen umfassenden Ausbau der Angebote für Frauen, die von mehreren Diskriminierungsformen betroffen sind.

Gleichzeitig müssen wir auch im Gewaltschutz stärker an den Wurzeln des Problems ansetzen und ganzheitliche Ansätze weiterentwickeln. Dazu zählen einheitliche Risikoeinschätzungen, die Etablierung flächendeckender interdisziplinärer Fallkonferenzen sowie der Ausbau von gleichstellungsorientierter Täterarbeit. Wie unsere Statistik für 2024 zeigt, kommt nur ein Bruchteil der Gewaltausübenden in den Täterarbeitseinrichtungen an.[3] In einem Großteil der Fälle werden gewaltausübende Personen nicht in die Verantwortung genommen, die Gewaltursachen bleiben unbearbeitet und Betroffene gefährdet. Im Sinne eines präventiv ausgerichteten Betroffenenschutzes muss gleichstellungsorientierte Täterarbeit nach den Anforderungen der Istanbul-Konvention unbedingt ausgebaut werden. Darüber hinaus müssen zeitnahe wie verbindliche Zugangswege in Täterarbeitseinrichtungen geschaffen werden. Dass mit einem aktuellen Gesetzesvorhaben soziale Trainingskurse oder Gewaltpräventionsberatungen durch Familiengerichte angeordnet werden können, ist grundsätzlich zu begrüßen und wird vonseiten der BAG TäHG mit der Entwicklung eines Konzeptes zur Gewaltpräventionsberatung unterstützt.

Zum Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen und Mädchen solidarisieren wir uns mit allen betroffenen Frauen und Kindern. Wir fordern ein Ende der Gewalt und strukturelle Lösungen für ein strukturelles Problem!

Pressemitteilung der Geschäftsstelle der Bundesarbeitsgemeinschaft Täterarbeit HG e.V.


[1] https://www.unwomen.org/en/news-stories/press-release/2024/11/one-woman-or-girl-is-killed-every-10-minutes-by-their-intimate-partner-or-family-member (aufgerufen am 20.11.2025)
[2] https://www.buendnis-istanbul-konvention.de/wp-content/uploads/2025/11/DE_ONLINE_251120_Alternativbericht_2025_1.pdf (aufgerufen am 24.11.2025)
[3] https://www.bag-taeterarbeit.de/wp-content/uploads/2025/10/BAG-Statistik-Publikation_A4_v05.pdf (aufgerufen am 20.11.2025)