Kürzungen zurücknehmen! – offener Brief
In den letzten Wochen und Monaten erreichen uns im Österreichischen Berufsverband der Sozialen Arbeit (obds) aus allen Bundesländern erschreckende Berichte von Kolleginnen und Kollegen aus Sozialarbeit und Sozialpädagogik, sowie zahlreiche Medienberichte, die quer durch alle Sektoren des Sozial- und Gesundheitsbereiches gehen und Titel wie „massive Kürzungen“, „Kahlschlag“, „Existenzgefährdung“ und ähnliches tragen.
Je nach Bundesland und Kostenträger werden die Bereiche Jugend, Integration, Beschäftigung, Menschen mit Behinderung, Kinder- und Jugendhilfe, Pflege, Suchthilfe und andere mehr, genannt. Seitens der Kostenträger, die die Kürzungen angekündigt haben, reicht die Liste von den Ländern und Gemeinden über das AMS, vom Sozialministeriumsservice bis hin zum Justizministerium. Sogar die Sozialhilfe bzw.
Mindestsicherung als letztes Auffangnetz bleibt in einigen Bundesländern nicht verschont.
Niemand hat einen Gesamtüberblick über die Kürzungen, die Anbieter der Angebote schweigen oft aus Angst, dadurch auch andere Aufträge der Kostenträger zu verlieren. Es ist völlig unklar, ob Maßnahmen besonders vulnerable Personengruppen gleich mehrfach betreffen, da die Zuordnung zu Angeboten oft mehrere Ressorts betrifft (z.B. Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen im Kontext Arbeitsmarkt, Jugendliche im Kontext Bildung und Integration u.v.a.m.).
Die Gemeinsamkeiten lassen sich wie folgt zusammenfassen:
- Bei den Verhandlungen zeigt sich das Machtungleichgewicht zwischen Fördergebern und Trägerorganisationen. Wir stellen fest, dass oft nur mit einzelnen Anbietern gesprochen wird, diese Gespräche sind meist sehr einseitig, das heißt es wird nicht verhandelt, sondern vor vollendete Tatsachen
- Leidtragend sind nicht nur die Nutzer der Hilfsangebote, sondern auch deren familiäres und persönliches Umfeld! Die Auswirkungen auf soziale Teilhabe sind massiv, Möglichkeiten aus eigener Kraft wieder am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen, werden Es trifft Personengruppen, die sich aus vielerlei Gründen selten öffentlich zu ihrer Benachteiligung äußern.
- Auswirkungen für die Beschäftigten im Sozial- und Gesundheitsbereich sind neben teilweisem Jobverlust eine Erhöhung der Arbeitsbelastung für die verbleibenden Mitarbeiter*innen. In der Regel werden die zu erbringenden Leistungen nicht im selben Ausmaß gekürzt wie die Dazu kommt, dass Personen, deren Angebote und Leistungen jetzt gekürzt werden, dadurch ja nicht ihre Problemlagen beseitigt haben und auf andere Einrichtungen ausweichen müssen – Wartezeiten und Belastung der Mitarbeitenden dort werden steigen!
- Mit Hilfe der Angebote gelang es in der Vergangenheit gut, diese Menschen ein Stück des steinigen Weges zu begleiten und ihnen ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen. Gut eingespielte Unterstützungsnetzwerke – viele Einrichtungen arbeiten zusammen oder bauen aufeinander auf – werden zerstört. Die langfristigen Folgen wurden nicht bedacht! Ein späterer Wiederaufbau kommt ungleich teurer!
- Durch die für die Jahre 2026 bis 2028 angekündigten Kürzungen (auch wenn die Politik lieber von „Einfrieren der Budgets“ oder „Nicht-Valorisierung“ spricht) sind soziale Sicherheit und die gesellschaftliche Stabilität massiv gefährdet! Die Schere zwischen jenen, die an der Gesellschaft teilhaben können, und jenen, die nicht mehr mitkönnen, geht weiter auf! Der soziale Frieden ist gefährdet.
Wir vom obds wenden uns daher mit folgendem Appell an Sie:
Nutzen Sie Ihre Verantwortung und Gestaltungsmacht, um langfristige Schäden im Sozialsystem zu verhindern! Ja, Sparmaßnahmen können notwendig sein, doch sie dürfen nicht jene am härtesten treffen, die ohnehin am wenigsten haben. Familien, Arbeitslose, Erkrankte, Armutsbetroffene, Kinder, Alleinerziehende, Schutzsuchende, Jugendliche und ältere Menschen – sie alle wären von Kürzungen in zentralen Bereichen unverhältnismäßig betroffen.
Zudem werden diese ohne jegliche Evidenzbasierung und ohne entsprechende Studien, die mögliche Folgewirkungen beleuchten, durchgezogen. Das wäre im Wirtschaftsbereich undenkbar. Auch Übergangsfristen, um Adaptierungen vorzunehmen oder Strukturen anzupassen, fehlen völlig.
Wer im Sozialbereich das Angebot derart massiv zurückfährt, spart am Ende deshalb nicht! Jeder Euro, der in Integration, Prävention, Inklusion usw. investiert wird, muss später nicht in vielfacher Höhe für Folgekosten ausgegeben werden! Da der Bedarf nicht verschwindet, wird das Problem nur in die Zukunft verschoben.
Dabei geht es in Summe um einen vergleichsweise kleinen Anteil des Gesamtbudgets, der jedoch für die Betroffenen existenzielle Bedeutung hat.
Die Stärke einer Gesellschaft zeigt sich im Umgang mit ihren verletzlichsten Mitgliedern. Treffen Sie Entscheidungen, die ein starkes und solidarisches Österreich sichtbar machen!
Die Absicherung eines menschenwürdigen Lebens und die Zurverfügungstellung sozialer Dienstleistungen dürfen nicht von verfügbaren Budgetmitteln abhängig gemacht werden. Menschenrechte und Menschenwürde müssen trotz der finanziell angespannten Lage gewährleistet werden!
Es braucht aus unserer Sicht dringend eine Gesamtreform aller Bereiche, in denen Steuergelder investiert werden – die Grenzen zwischen den Sektoren Soziales, Gesundheit, Arbeitsmarkt, Jugend, Integration u.v.a.m. sind fließend und müssen gesamtheitlich betrachtet werden! Das Hin- und Herschieben der Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten muss beendet werden! Dazu gehört auch eine kritische Betrachtung des Föderalismus.









