Vor Hunderten von Jahren empfanden die Maya, Azteken und Mixteken das Sterben nicht als etwas Tragisches oder Endgültiges, sondern als einen natürlichen Teil des Lebenszyklus. Deshalb werden bei den Feierlichkeiten zu Ehren der Toten die Gesichter und Kleider der Lebenden mit Farben geschmückt und Blumen, Liebesgaben, traditionelle Speisen sowie geliebte Spielsachen zu den Gräbern derer gebracht, die niemals vergessen werden.
Vor der Ankunft der Spanier feierten die Ureinwohner das Miccailhuitontli zu Ehren der verstorbenen Kinder und das Hueymiccaílhuitl zu Ehren der verstorbenen Erwachsenen und der Götter der Unterwelt.
Später verschmolzen die uralten Traditionen mit den katholischen Feiertagen der Kolonisten und so entstand der Tag der Toten – das schönste, monumentalste und beliebteste Fest der mexikanischen Kultur, das von der UNESCO zum immateriellen Kulturerbe der Menschheit erklärt wurde und voller Dankbarkeit gefeiert wird.
Eine Reise nach Mexiko ist wie eine Umarmung des Lebens. Man spürt es auf einer Trajinera in Xochimilco oder in einem Cayuco in Veracruz. Eine Reise nach Mexiko und hoffentlich auch das Erleben des Landes bedeutet, den Geist der Erde zu erfahren: die DNA der lateinamerikanischen Wurzeln, die Kraft der Meere und Vulkane sowie die Frauen, die sich nach so viel männlicher Gewalt wieder ermächtigt haben.
Nichts darf unbemerkt bleiben! Weder ein Alebrije noch ein Geschichtenerzähler, ein großer Wandmaler oder ein Zeichner auf einem Markt, nichts darf das Klingeln einer Engelsglocke übertönen. Die von Mädchen und Großmüttern genähte Stoffpuppe darf nicht allein auf dem Bahnsteig zurückbleiben. Hören Sie den Drehorgelspieler, die Reifen des Dreirads mit Verdeck und Hupe und die Spielzeugtrommeln, die das Kommen der Jungfrauen von Guadalupe aus Maisblättern ankündigen. Besuchen Sie einen Marktplatz, die Proteste auf dem Zócalo und den Schmerz von Tlatelolco im Jahr 1968.
Betreten Sie die mit Goldblättern verzierten Kapellen und die Changarros, in denen Agavenlimonade verkauft wird. Gehen Sie am Taco-Korb und an den Universitäten vorbei, in denen die Kinder des Ladenbesitzers und des Anwalts studieren. Es gibt sechs oder sieben lebendige Sinne in Museen, Buchhandlungen, Theatern und bei Serenaden, an den Docks von Chapala und in Krankenhäusern, wo man lernt, Leben zu retten, bei Bäckern, die Conchas, Teleras und Bolillos kneten, sowie bei Handwerkern, die alles herstellen, was zwischen den Fingern und den Fäden der Fantasie Platz findet.
Vor einigen Tagen räumte der spanische Außenminister ein, dass es in der gemeinsamen Geschichte mit Mexiko „Leid und Ungerechtigkeit gegenüber den Ureinwohnern gegeben hat”. Der ehemalige Präsident López Obrador hatte König Felipe VI. aufgefordert, sich bei den Mexikanern für die begangenen Übergriffe zu entschuldigen. Die Äußerungen von Minister Albares entsprechen vielleicht nicht ganz den Vorstellungen von Andrés Manuel López Obrador, aber Präsidentin Claudia Sheinbaum, die anderen Regierungschefs gezeigt hat, dass Humanismus und wissenschaftliche Strenge, Politik, Würde und Diplomatie nebeneinander existieren können, bekräftigt, dass dies ein wichtiger erster Schritt zur Anerkennung der Wahrheit ist.
Am vergangenen Samstag widmete Martha Patricia Ruiz Anchondo, die Botschafterin Mexikos in Kolumbien, zum dritten Mal in Folge die Feierlichkeiten zum Tag der Toten den Unterzeichnern des Friedensabkommens, den in Kolumbien ermordeten sozialen Anführer:innen, den ermordeten Anführer:innen und Mitgliedern der linken Partei „Unión Patriótica“, den mithilfe von Verstrickungen von Staatsbeamten verschwundenen Personen sowie den Müttern der von Sicherheitskräften ermordeten Jugendlichen. Sie betete für all unsere Opfer und dafür, dass sich in unseren Ländern eine Kultur des Friedens durchsetzen möge.
Danke, Frau Botschafterin, dass Sie uns Ihr Herz geöffnet haben. Danke auch für den Altar mit Fotos von Pepe Mujica, Jaime Garzón, Zapata, Juárez, Madero und Morelos zwischen Catrina-Figuren aus Papier, wunderschön bestickten Tenangos und Studentenblumen – den Blumen der Sonne –, die die Seelen leiten und symbolisieren, dass die Liebe trotz der Zerbrechlichkeit des Lebens fortbesteht.
Die Übersetzung aus dem Spanischen wurde von Kornelia Henrichmann vom ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam erstellt. Wir suchen Freiwillige!









