Vor einigen Wochen habe ich Marx‘ Worte von vor fast zwei Jahrhunderten neu interpretiert: „Ein Gespenst geht um in Europa – das Gespenst der Bedeutungslosigkeit“. Die jüngsten Ereignisse deuten darauf hin, dass das Gespenst schnell zur Realität wird. Während die Europäische Union und Großbritannien auf Hochtouren arbeiten, ihre bedingungslose Unterstützung für die ukrainische Regierung zum Ausdruck bringen und sie zum Weiterkämpfen drängen, steht die Ukraine-Krise nicht mehr im Mittelpunkt des Dialogs zwischen Russland und den Vereinigten Staaten. Sie ist nur noch eines von vielen Themen – und möglicherweise nicht einmal das wichtigste – in der wachsenden strategischen Diskussion zwischen Moskau und Washington, einer Diskussion, die Europa ausschließt.

Die Europäer nehmen es natürlich übel, dass sie von den Verhandlungen ausgeschlossen sind. Viele führen diesen Ausschluss auf den drastischen Politikwechsel von Präsident Trump und seinem Team zurück. J.D. Vances kritische Rede auf der Münchner Sicherheitskonferenz, in der er den Schwerpunkt auf Werte und Demokratie legte, machte den Konflikt zwischen den globalistischen Führungskreisen der EU und der neuen nationalistischen amerikanischen Regierung deutlich. Er unterstützte offen die Nationalisten in Europa und bedauerte ihre Ausgrenzung, wobei er insbesondere Deutschland und Rumänien erwähnte.

Die amerikanische Haltung gegenüber der Europäischen Union ist jedoch nicht neu, sondern weist vielmehr eine gewisse Kontinuität auf. Es war eine hochrangige Beamtin der Obama-Regierung, Victoria Nuland, die diese Haltung 2014 lakonisch zum Ausdruck brachte. In einem Telefongespräch mit dem US-Botschafter in Kiew wies sie die vom Botschafter geäußerten europäischen Bedenken knapp zurück: „Fuck the EU“. Wenn überhaupt, dann waren die Trump-Beamten freundlicher und diplomatischer.

Diese Kontinuität spiegelt die chronische Abhängigkeit Europas von den Vereinigten Staaten wider. Die Krise in der Ukraine wurde durch die Ereignisse auf dem Maidan ausgelöst, die unter aktiver Beteiligung derselben Frau Nuland angeheizt wurden, die aussagte, dass die USA 5 Milliarden Dollar dafür ausgegeben hätten, um die ukrainische Führungsschicht weg von Russland und politischer Neutralität und hin zur NATO und einer euro-atlantischen Zukunft zu orientieren. Europa schloss sich der amerikanischen Politik an, und die europäischen Medien folgten diesem Beispiel, indem sie Russland und seinen Präsidenten dämonisierten. Russen wurden von den meisten internationalen Sportveranstaltungen, Filmfestivals und wissenschaftlichen Konferenzen ausgeschlossen. In den letzten Jahren wurde in den Mainstream-Medien kaum etwas Positives über Russland veröffentlicht. „Russophrenie“ – die Überzeugung, dass Russland kurz vor dem Zusammenbruch steht und die Welt erobern wird – wurde auf beiden Seiten des Atlantiks geschürt. Diese irrationale Sichtweise auf Russland hat sich in der westlichen Öffentlichkeit festgesetzt, selbst in Ländern wie Frankreich, das traditionell enge kulturelle, wirtschaftliche und politische Beziehungen zu diesem Land unterhält.

Die europäische Außenpolitik ist weitgehend zu einem Säbelrasseln verkommen. Ein Paradebeispiel dafür ist die Estin Kaja Kallas, die trotz ihrer Position als EU-Chefdiplomatin einen diplomatischen Ansatz gegenüber Russland ablehnt. In einer beredten Ansprache an die Nation bot Präsident Macron an, die nukleare Abschreckung auf andere europäische Länder auszudehnen, was Polen und die baltischen Republiken dankbar annahmen. Vor kurzem präsentierte er seinen Landsleuten ein „Überlebenshandbuch“, in dem er sie darüber aufklärte, welche Vorräte sie zu Hause lagern müssen, um einen Krieg zu überleben. Ursula von der Leyen versprach, Europa wieder aufzurüsten, zu diesem Zweck 800 Milliarden Euro aufzubringen und die stagnierende Wirtschaft Europas durch militärischen Keynesianismus wiederzubeleben.

Da die neu gewählten Bundestagsabgeordneten dies abgelehnt hätten, stimmte das scheidende Parlament über eine Änderung der Verfassung ab, mit der die Beschränkung der Regierung, Geld für das Militär zu leihen, aufgehoben wurde. Dies missachtet den demokratischen Willen der Bürger, kommt aber Rheinmetall, dem größten deutschen Rüstungsunternehmen, zugute. Die Alarmglocken läuten wegen der Sparmaßnahmen und weiterer Kürzungen bei den Sozialleistungen in ganz Europa, nicht nur in Deutschland. Der britische Premierminister Starmer, der wohl der enthusiastischste Befürworter der Kriegspartei Europas ist, kündigte eine Überarbeitung des Sozialsystems an, wodurch die Leistungen für Behinderte gekürzt und viele in die Armut gedrängt werden. All dies verheißt nichts Gutes für die liberalen herrschenden Kreise, da die Europäer zunehmend frustriert sind über politische Manipulationen, die ihre demokratische Wahl bedeutungslos machen und ihre Anliegen in den Hintergrund drängen.

Die offensichtlichen Kriegsvorbereitungen Europas basieren auf der Überzeugung, dass Russland auf Eroberung aus ist – zuerst die gesamte Ukraine, dann der Rest Europas. Jede Erwähnung der Tatsache, dass die russische Regierung solche Absichten nie geäußert hat, wird einfach als „Desinformation des Kremls“ abgetan.

Diese Überzeugung speist sich aus einer seit langem bestehenden europäischen Phobie, die Russland als bedrohlichen Anderen darstellt. Diese Ideologie nahm eine äußerst aggressive und völkermörderische Form an, als antirussischer Rassismus, der den Vernichtungskrieg befeuerte, den Soldaten aus einem Dutzend europäischer Nationen unter deutscher Schirmherrschaft von 1941 bis 1945 gegen die Sowjetunion führten. Die Rehabilitierung und Feier von Nazi-Kollaborateuren in diesem Krieg ist in Osteuropa, einschließlich der Ukraine, zum Mainstream geworden, und diese Ansicht verbreitet sich auch anderswo mit dem wachsenden Einfluss der Osteuropäer in Brüssel.

Statt einer realistischen Einschätzung des sich entwickelnden internationalen Kontextes bestimmen hitzige Rhetorik und selbstgerechte Posen die europäische Politik, ohne dass ein Ausweg in Sicht wäre. Die oft wiederholte Idee, europäische Soldaten in die Ukraine zu entsenden, ist ein Rohrkrepierer – nicht nur für Russland, sondern auch für Europa selbst, dem es sowohl am Willen als auch an der Macht fehlt, den russischen Streitkräften entgegenzutreten. Alle Gespräche über eine „Koalition der Willigen“ – ein angesichts des Debakels des Westens im Irak ominöser Begriff – sind von einem amerikanischen „Backstop“ abhängig, den die USA zu stellen sich weigern.

Europa scheint entschlossen, den derzeitigen Friedensprozess in der Ukraine zu untergraben, indem es die Unnachgiebigkeit Kiews fördert und unrealistische Forderungen formuliert, die die militärischen und politischen Realitäten ignorieren. Der erfahrene Politologe Anatol Lieven hat diese europäische Haltung als „bösartig dumm“ bezeichnet und die militärischen Vorbereitungen Europas als „Kostümspiel“ charakterisiert, in dem Macron Napoleon und Starmer Winston Churchill spielt. Seltsamerweise hat Selenskyj im Oval Office im vergangenen Februar bei der Beantwortung einer Frage zu seiner Garderobe auf Englisch das Wort „costume“ (Kostüm) missbraucht, das in seiner Muttersprache Russisch „Anzug“ bedeutet.

Trump hat die Außenpolitik des Landes trotz der vorherrschenden antirussischen Stimmung in den USA, die von den vorherigen Regierungen und den ihnen loyalen Medien aktiv geschürt wurde, erheblich verändert. Bislang verschärfen europäische Politiker ihre Verurteilung Russlands weiter, verzichten jedoch klugerweise darauf, Washington zu verärgern – ein riskantes Unterfangen. Sie nähren weiterhin Selenskyjs Hoffnung auf einen NATO-Beitritt, obwohl Trump und sein Team diese Idee wiederholt abgelehnt haben. Europa ist zum Gefangenen seiner eigenen Rhetorik geworden, die zunehmend wahnhaft erscheint.

Europa entfernt sich immer weiter von dort, wo das eigentliche Geschehen stattfindet, und wird so zur westlichen Peripherie Eurasiens.

Ironischerweise gibt es Hoffnung für Europa – nicht nur in der wachsenden Wut der europäischen Wählerschaft, die die derzeitigen liberalen Politiker aus dem Amt wählen könnte, sondern auch in der Gewohnheit der europäischen Staats- und Regierungschefs, Washington zu folgen. Allmählich könnten sie ihre ideologischen Überzeugungen aufgeben und sich der amerikanischen Position annähern, auch wenn sie diese ablehnen. Es mag sich wie ein trotziger Teenager verhalten, wie Prinz William kürzlich demonstrierte, als er hundert Meilen von der russischen Grenze entfernt in einem britischen Panzer posierte. Der Spitzname „Alte Welt“ deutet jedoch darauf hin, dass Europa zur Vernunft kommen könnte, insbesondere angesichts seines wirtschaftlichen und demografischen Niedergangs. Andernfalls könnte Europa einen weiteren Weltkrieg auslösen – diesmal den letzten.

Die Übersetzung aus dem Englischen wurde von Heike Pich vom ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam erstellt. Wir suchen Freiwillige!