Die Fusion des 21. Jahrhunderts

Ich wette, dass viele von Euch, die dies lesen, die Tatsache bemerkt haben, dass sich die grundlegenden Loyalitäten und Kernprogramme der beiden großen politischen Parteien in den USA mit jedem Jahr mehr und mehr zu vermischen scheinen. Vor allem im Bereich der Außenpolitik, wo die neokonservative Ideologie, den Neoliberalismus mittels Anwendung von Gewalt über den ganzen Globus zu verbreiten, in den letzten zwanzig bis fünfundzwanzig Jahren zur unbestrittenen überparteilichen Art des Vorgehens der politischen Klasse geworden ist.

Wenn Sie sich erinnern, war es die republikanische Regierung Bush Jr., die sich kurz nach dem 11. September 2001 kopfüber in eine Ära durch nichts provozierter US-Invasionen und Stellvertreterkonflikte auf dem ganzen Planeten stürzte. Als dies 2002/2003 begann, gab es anfänglich innerhalb der Demokratischen Partei hierzu eine verhaltene Gegenwehr einiger Stimmen. Auf der anderen Seite lehnte die linksgerichtete Hälfte der Öffentlichkeit die US-Invasionen im Irak, in Afghanistan und anderswo mit überwältigender Mehrheit ab, als sie von der doppelzüngigen, rücksichtslos kontraproduktiven Natur dieser blutgetränkten Unternehmungen erfuhr.

Schneller Wechsel zu 2022 – 2024. Jetzt ist es die Demokratische Partei, die dabei ist, unter Federführung einer ganzen Reihe der gleichen Neokonservativen, die die Invasionen im Irak und in Afghanistan während der Bush-Jr.-Jahre geplant haben, beispiellos gefährliche, unprovozierte Konflikte und Stellvertreterkriege mit mehreren atomwaffenfähigen Nationen in Europa, dem Nahen Osten und Asien zu schmieden. All dies geschieht mit der nahezu einstimmigen Unterstützung der inzwischen vollständig von Spendern abhängigen Politiker beider Parteien im Repräsentantenhaus und im Senat. Kurz gesagt, in den USA haben wir jetzt zwei große politische Parteien, die in Wirklichkeit zwei Seiten derselben Medaille sind. Sie sind beide Teil derselben Einheitspartei.

Die Konsolidierung der amerikanischen Einheitspartei

Die Weltanschauungen der amerikanischen Politiker auf der Linken und der Rechten haben sich einander völlig angeglichen, mit Ausnahme einiger verbliebener randständiger politischer Differenzen an der Heimatfront. Diese oft übersehene Verschmelzung der Ziele und Absichten beider Parteien ist zum Teil auf eine seit mehr als vierzig Jahren andauernde Deregulierung des US-Bankensystems, des politischen Wahlkampffinanzierungssystems und der Medien zurückzuführen. (1)

Die so erfolgte Aufhebung eines großen Teils der lange Zeit umkämpften Beschränkungen, die dazu gedacht waren, den Superreichen und Mächtigen die Möglichkeiten zu nehmen, die sozioökonomische Landschaft der USA zu dominieren, hat den ihrem Wesen nach modernen Raubrittern einen Freifahrtschein gegeben, um sich die Bereiche unter den Nagel zu reißen, die früher, in beträchtlichem Maße, öffentliche Institutionen waren. Tatsächlich haben die Superreichen seit dem Wirtschaftscrash von 2008 in Absprache mit dem militärisch-industriellen Komplex und Big Tech im Wesentlichen eine unkontrollierte Macht und Einfluss auf den demokratischen Prozess in den USA und die Inhalte aller amerikanischen Mainstream-Medien ausgeübt.

Der Turmbau zu Babel im 21. Jahrhundert

Obwohl die Identifikation der Öffentlichkeit mit „links“ und „rechts“ allmählich bröckelt, was ein Thema ist, auf das wir später in diesem Artikel eingehen werden, ist dieses Zugehörigkeitsgefühl bei einem beträchtlichen Teil der US-Bevölkerung immer noch ziemlich stark.

Um ein Beispiel zu nennen: Dieselben Demokraten, die früher die kriegsbesessenen Hauptakteure der Bush-Regierung, (Leute wie Bill Kristol, Nicholas Burns und Victoria Nuland,) und ihre Politik verabscheuten, folgen nun 20 Jahre später stillschweigend den unveränderten Drehbüchern dieser Hauptakteure. Jene Kristol, Burns und Nuland, um nur einige dieser neokonservativen Ideologen der Biden-Regierung zu nennen, waren 2004 Republikaner. Jetzt sind sie Demokraten. (2)

All dies hat zu einer Art politischer Schizophrenie der Bevölkerung geführt, die sich zum großen Teil immer noch entweder mit dem „linken oder dem rechten Team“ identifiziert. Das Ergebnis ist eine Art Turmbau zu Babel im 21. Jahrhundert, in dem viele Teile der Bevölkerung jetzt Positionen vertreten und unterstützen, die ihren vordem erklärten Überzeugungen zuwiderlaufen. Sie tun dies, ohne zu bemerken, dass sie eine neue Weltanschauung übernommen haben, die Ideologie derjenigen Fraktion, von der sie fälschlicherweise glauben, dass sie ihr immer noch ablehnend gegenüberstehen.

Die Folgen des Russiagate-Skandals und das Scheitern des US-Stellvertreterkriegs in der Ukraine

Die bisherige vorherrschende Art des Vorgehens der US-Neokonservativen im 21. Jahrhundert war folgende: Der erste Teil des Ziels bestand darin, die amerikanische Öffentlichkeit von ihren eigenen innenpolitischen und wirtschaftlichen Sorgen abzulenken. Das zweite Ziel war es, eine Rechtfertigung für die US-Wirtschaftssanktionen und die militärische Gewalt gegen Nationen, die sich nicht an die Vorschriften halten, zu schaffen.

Im Unterschied zu davor sind jetzt die beiden Operationen, Russiagate und der von den USA erzeugte Stellvertreterkrieg in der Ukraine, unbestreitbar und vollständig gescheitert. (3) Der Russiagate-Skandal und der Krieg in der Ukraine haben den Personen, die diese Bestrebungen ausgeheckt und vorangetrieben haben, viel mehr Schaden zugefügt als denjenigen, denen diese Bestrebungen schaden sollten. Diese Misserfolge, insbesondere der katastrophal gehandhabte Stellvertreterkrieg der USA in der Ukraine, haben der nicht-westlichen Welt deutlich gemacht, dass die USA nicht mehr allmächtig sind. Darüber hinaus gibt es jetzt andere entwicklungsfähige Optionen für partnerschaftliche Zusammenarbeit, die außerhalb der Kontrolle der USA liegen. (4)

Bis Ende 2023, als klar wurde, dass Russland und China die USA bei ihrem gescheiterten Versuch, die Ukraine als Stellvertreter-Rammbock gegen Russland einzusetzen, ausmanövriert hatten, bewarben sich über vierzig neue Länder um die Mitgliedschaft in der BRICS-Wirtschaftsallianz, die vor allem von China, Russland und Indien angeführt wird. Dieses wachsende Kontingent von Nationen, die den USA nicht mehr trauen, ist bereits auf dem Weg, eine neue Leitwährung zu entwickeln. Diese Länder wollen nicht länger von den USA ausgeplündert und eingeschüchtert werden. Dies alles hat den Beginn einer neuen multipolaren Ära eingeläutet. (5)

Der Untergang der unipolaren Ära und der Aufstieg der amerikanischen Einheitspartei

Vor etwa eineinhalb Jahren schrieb ich einen Artikel für Pressenza mit dem Titel „Es ist das Ende der unipolaren Welt, wie wir sie kennen (und ich fühle…)„. In diesem Artikel bin ich ein wenig ins Detail gegangen, inwiefern wir uns am Ende einer dreißigjährigen unipolaren Periode (1990 – 2020) befinden, in der die USA die unangefochtene globale Supermacht, die Nummer Eins waren. Der Niedergang der USA als dominanter globaler Hegemon ist nicht nur bereits im Gange, sondern wurde in letzter Zeit durch die immer wieder gescheiterten Versuche der Biden-Regierung, die USA mittels Einschüchterungen und Schikanen zu ihrem vormaligen Status als „König des globalen Hügels“ zurückzubomben, erheblich beschleunigt.

Der Niedergang der von den USA beherrschten unipolaren Weltordnung und der Aufstieg der multipolaren Ära begannen jedoch schon lange vor dem Amtsantritt von Joe Biden. Während die wirtschaftliche Stärke Chinas und Indiens in den ersten beiden Jahrzehnten des 21. Jahrhunderts in die Höhe schoss, haben die USA trotz ihres hohen Bruttosozialprodukts zunehmend astronomische Schulden angehäuft, während sie gleichzeitig mit einer stetig wachsenden Zahl von innenpolitischen Problemen konfrontiert waren. Seit 2008 befinden sich die Menschen in Amerika in einer sich ständig verschlimmernden wirtschaftlichen Talfahrt in Form eines institutionellen Zusammenbruchs.

Gleichzeitig mit dem institutionellen Niedergang, der Arbeitsplatzknappheit und dem Rückgang der Reallöhne in der breiten Öffentlichkeit hat in den letzten zwanzig Jahren auch eine beispiellose Anhäufung von Reichtum und Macht durch einige wenige Superreiche stattgefunden. Eine kleine Gruppe von hochrangigen Bankern und Big-Tech-Multimilliardären hat zusammen mit dem militärisch-industriellen Komplex die Kontrolle über die amerikanischen Medien und den politischen Prozess an sich gerissen, indem sie sie vollständig von Spendern abhängig gemacht haben. Mit anderen Worten, das kleine, oben erwähnte Aufgebot der Superreichen hat die echte Demokratie abgeschafft und sie durch ein formell demokratisches, von Reichtum beherrschtes System ersetzt. (6)

Eine überdehnte, erschöpfte Hülle

Die ständigen Drohungen der USA und der Einsatz wirtschaftlicher und physischer Gewalt zur Bestrafung derjenigen Nationen, die nicht ihren weltanschaulichen Vorgaben folgen, sowie die von Gier getriebene Umwandlung realer Vermögenswerte in abstrakte Finanzkonstrukte und die Deindustrialisierung unserer inzwischen prekären US-Infrastruktur haben Amerika zu einer überdehnten, erschöpften Hülle der Nation gemacht, die es im 20. Jahrhundert einmal gewesen war.

Hinzu kommt eine verärgerte, verwirrte, schuldengeplagte amerikanische Bürgerschaft, die sich von der wirtschaftlichen Inflation erstickt und von einer Regierung im Stich gelassen fühlt, die mehr damit beschäftigt ist, Eroberungen im Ausland zu tätigen, als den Menschen zu helfen, die sie eigentlich vertreten und denen sie dienen sollte. Wir, die USA, sind kein Schadensfall, der erst noch passieren wird. Vielmehr handelt es sich um einen bereits geschehenen Störfall, der immer größer wird, je mehr unser unternehmerischer, politischer, militärischer, industrieller Bankenkomplex versucht, gewaltsam zu dem zurückzukehren, was er für die glücklichen Tage der unipolaren Dominanz der USA hält.

Anstatt zu versuchen, eine gemeinsame Basis zu finden und in einer Welt, die sich in den letzten Jahrzehnten dramatisch verändert hat, partnerschaftlich mit anderen Nationen zusammenzuarbeiten, haben sich die USA stattdessen dafür entschieden, zu versuchen, sich ihren Weg zurück zu ihrem früheren Status als einzigem „König des Hügels“ zu bahnen.

Nichts davon ist ein Geheimnis

Was diese Leute angeht gibt es nichts Mysteriöses. Und wir nähern uns einem Punkt, an dem der Löwenanteil der genannten Fakten von der Mehrheit der Öffentlichkeit verstanden wird, wenn es nicht bereits der Fall ist. Es ist die oben erwähnte Konsolidierung superreicher Kräfte, die die außen- und innenpolitische Entscheidungsfindung der USA im 21. Jahrhundert vorangetrieben hat. Diese kleine Gruppe von superreichen Bankern und Big-Tech-Giganten im Tandem mit dem militärisch-industriellen Komplex sind zusammen die Erzeuger und Gralshüter der amerikanischen Einheitspartei.

Die Übersetzung aus dem Englischen wurde von Ulrich Karthaus vom ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam erstellt. Wir suchen Freiwillige!


Anmerkungen:

1- https://www.theregreview.org/2019/03/11/dudley-brief-history-regulation-deregulation/
2- https://responsiblestatecraft.org/neoconservative-ukraine/
3- https://www.cnn.com/2023/05/15/politics/john-durham-report-fbi-trump-released/index.html
4- https://www.jeffsachs.org/newspaper-articles/m6rb2a5tskpcxzesjk8hhzf96zh7w7
5- https://www.economist.com/the-world-ahead/2023/11/13/the-brics-are-expanding
6- https://www.brookings.edu/articles/rising-inequality-a-major-issue-of-our-time/