EU-Lobbyisten und ein deutsches Staatsunternehmen fordern neue Flüssiggasterminals in den USA und fallen damit US-Klimaschützern in den Rücken. USA sind inzwischen größter Exporteur von Flüssiggas.

Ein deutsches Staatsunternehmen und EU-Lobbyisten wenden sich gegen Klimaschützer in den USA und dringen in Washington auf den Bau neuer Exportterminals für Flüssiggas. Genehmige die US-Regierung diesen nicht rasch, dann drohten in Zukunft Versorgungsprobleme in der EU, heißt es; der in Staatsbesitz befindliche deutsche Konzern SEFE (Ex-Gazprom Germania) erklärt in einem Schreiben an die US-Administration, ein geplantes, besonders großes Exportterminal an der US-Küste namens CP2 sei „für die Energiesicherheit Deutschlands lebensnotwendig“. CP2 ist eins der mehr als ein Dutzend geplanten Terminals, deren Bau in den USA auf energischen Protest stößt – zum einen, weil Anwohner über starke Umweltverschmutzung klagen, zum anderen, weil Klimaschützer den Ausbau der Infrastruktur für fossile Energieträger anprangern, wo doch eigentlich der Ausstieg aus klimaschädlichen Energien versprochen worden war. Die Vereinigten Staaten haben ihren Export von Flüssiggas, der 2016 noch gering war, rasant gesteigert und sind 2023 zum größten Flüssiggaslieferanten weltweit aufgestiegen. Ihr mit Abstand größter Abnehmer ist die EU.

Exportgetriebener Boom

Die Vereinigten Staaten weiten ihre Erdgasproduktion sukzessive aus. Im vergangenen Jahr stieg das Fördervolumen auf bislang noch nie dagewesene 104 Milliarden Kubikfuß pro Tag; dieses Jahr wird eine weitere Zunahme erwartet.[1] Laut Angaben der International Energy Agency (IEA) werden dabei mehr als vier Fünftel des Volumens per Fracking gefördert. Die Methode wird massiv kritisiert, weil sie darauf beruht, teilweise giftige Chemikalien in den Boden zu pressen; in vielen Ländern Europas ist sie daher verboten oder stark eingeschränkt. Der Erdgasboom wird weder durch die US-Privathaushalte noch durch die US-Industrie getrieben, deren Erdgasverbrauch in den vergangenen Jahren annähernd konstant blieb. Die Nutzung von Erdgas zur Stromerzeugung ist ebenfalls nur in begrenztem Umfang gestiegen. Die maßgebliche Steigerung ergibt sich daraus, dass der Export von Flüssiggas (Liquefied Natural Gas, LNG) rasant nach oben geschnellt ist, seit die Vereinigten Staaten im Jahr 2016 gefracktes LNG auszuführen begannen.[2] Im vergangenen Jahr steigerten sie ihre LNG-Ausfuhr auf 86 Millionen Tonnen und überholten damit Qatar und Australien, die noch 2022 die beiden größten Flüssiggasexporteure der Welt waren. Im Dezember erreichten die US-LNG-Ausfuhren einen Monatsrekord von 8,6 Millionen Tonnen.[3]

Hauptabnehmer Europa

Der US-Flüssiggasexport wiederum wird vor allem von der Ausfuhr nach Europa getrieben. Im ersten Halbjahr 2023 gingen 67 Prozent aller US-LNG-Lieferungen in die EU sowie nach Großbritannien; einer der größten Abnehmer war die Bundesrepublik, die den Rohstoff zum Teil direkt, zum Teil indirekt über niederländische oder belgische Importterminals bezieht.[4] Dabei ist der LNG-Import der EU durchaus noch steigerungsfähig. Die Union importiert immer noch russisches Erdgas – meistens Flüssiggas –, auf das sie eigentlich verzichten will; laut Angaben von Eurostat ist die Einfuhr auf weniger als ein Drittel des Vorkriegsvolumens zurückgegangen und belief sich zuletzt noch auf zwölf Prozent des EU-Gesamtimports.[5] Auch mit Blick darauf weitet die US-Branche ihre Exportkapazitäten zur Zeit energisch aus. Aktuell befinden sich fünf Projekte in Entwicklung, die – zusätzlich zu den bestehenden Kapazitäten von 86 Millionen Tonnen pro Jahr – die Ausfuhr von noch 73 Millionen Tonnen mehr ermöglichen werden.[6] 16 weitere Exportterminals sind in Planung. Eins davon, das Terminal CP2, das im US-Bundesstaat Louisiana gebaut werden soll, soll allein die Ausfuhr von 65 Millionen Tonnen Flüssiggas pro Jahr ermöglichen. Das ist mehr als das gesamte US-LNG, das die EU im vergangenen Jahr importierte.

„Eine Kohlenstoffbombe“

Der Bau neuer LNG-Exportterminals stößt bei Anwohnern wie auch bei Klimaschützern in den USA auf energischen Protest. Anwohner konstatieren, die Terminals an der US-Südküste würden überwiegend in Armutsgebieten mit einer oft nicht-weißen, ohnehin diskriminierten Bevölkerung gebaut. Dort gebe es bereits eine hohe Zahl an Chemieunternehmen, die die Umwelt erheblich verschmutzten; nun kämen noch Erdgasverflüssigung und LNG-Transport hinzu.[7] Klimaschützer weisen darauf hin, dass die USA – wie auch die EU – auf der UN-Klimakonferenz in Dubai kürzlich angekündigt hätten, aus der Nutzung fossiler Brennstoffe auszusteigen. Der rasante Ausbau der LNG-Infrastruktur bewirke das Gegenteil. CP2 etwa werde sich als „Kohlenstoffbombe“ erweisen.[8] Vor allem der Protest der Klimaschützer setzt die US-Regierung aktuell unter Druck. Präsident Joe Biden hat sich stets als Kämpfer gegen den Klimawandel inszeniert; im bevorstehenden Wahlkampf muss er Rücksichten auf die Forderungen des ökologisch orientierten Parteiflügels nehmen. Im November verlangten mehr als 60 Abgeordnete der US-Demokraten, umgehend zu überprüfen, ob der Bau neuer LNG-Terminals im öffentlichen Interesse liege. Aktuell zeichnen sich Verzögerungen bei der Erteilung von Bau- und Exportgenehmigungen für neue Flüssiggasterminals ab.

„Für Deutschland lebensnotwendig“

Gegen dies und die Versuche von Klimaschützern, den weiteren Ausbau der Flüssiggas-Exportterminals zu stoppen, wenden sich neben der US-Frackingindustrie mittlerweile auch Branchenverbände und Unternehmen aus Europa – Deutschland inklusive. So erklärt etwa der Präsident der Lobbyorganisation EuroGas, Didier Holleaux, ein Mangel an zusätzlichen LNG-Exportkapazitäten in den Vereinigten Staaten riskiere es, „das globale Ungleichgewicht in der Versorgung zu vergrößern und zu verlängern“.[9] Bleibe eine Ausweitung der US-Lieferungen aus, dann würden europäische Firmen nicht umhin kommen, neue Verträge mit Qatar zu schließen, urteilt Leslie Palti-Guzman, eine Expertin des Analyseunternehmens Synmax. Laut einem Bericht der Financial Times hat auch das deutsche Staatsunternehmen SEFE (Securing Energy for Europe), das im Jahr 2022 aus der Verstaatlichung von Gazprom Germania hervorgegangen ist, in Washington zugunsten der US-LNG-Branche interveniert und sich mit einem Schreiben eigens an die zuständigen US-Regierungsstellen gewandt. In dem Brief heißt es demnach, die US-Behörden sollten insbesondere den raschen Bau des Exportterminals CP2 genehmigen; dieses sei „für die Energiesicherheit Deutschlands lebensnotwendig“.[10]

Ungefähr so schädlich wie Kohle

Unabhängig vom Ausbau der LNG-Exportterminals in den Vereinigten Staaten protestieren Klimaschützer schon lange gegen die zunehmende Nutzung von Flüssiggas. Ursache ist zum einen, dass das Erdgas bei der Verflüssigung auf extrem niedrige Temperaturen gekühlt und dann über weite Strecken transportiert werden muss; beides treibt die Energiekosten in die Höhe. Hinzu kommt, dass bei Verflüssigung und Transport immer wieder Methan entweicht; Methan ist ein Treibhausgas, das weitaus schädlicher wirkt als CO2: berechnet auf 100 Jahre rund 28 mal, berechnet auf 20 Jahre sogar 80 mal stärker.[11] Seit Jahren werden immer wieder Studien publiziert, die sich vor allem darin unterscheiden, dass sie die Nutzung von Flüssiggas entweder als geringfügig weniger schädlich als die Verfeuerung von Kohle oder als sogar noch schädlicher einstufen.[12] Allerdings stimmen sie in einem üblicherweise überein: darin, dass der Umstieg von Pipeline- auf Flüssiggas dem Klima schadet.

[1] U.S. Henry Hub natural gas prices in 2023 were the lowest since mid-2020. eia.gov 04.01.2024.

[2] Benoît Morenne: America’s Gas Bonanza Brings Biden New Political Dilemmas. wsj.com 12.01.2024.

[3] Ben Cahill: U.S. LNG Export Boom: Defining National Interests. csis.org 11.01.2024.

[4] The United States exported more LNG than any other country in the first half of 2023. eia.gov 12.09.2023.

[5] EU trade with Russia – latest developments. ec.europa.eu November 2023.

[6] Myles McCormick, Jamie Smyth: US energy security role in question as gas exports receive new scrutiny. ft.com 17.01.2024.

[7] Jamie Smyth, Myles McCormick: ‘Sacrifice zone’: booming US LNG sector leaves its mark on the Gulf. ft.com 27.11.2023.

[8] Myles McCormick, Jamie Smyth: US energy security role in question as gas exports receive new scrutiny. ft.com 17.01.2024.

[9] Ben Lefebvre, Gabriel Gavin: US rethinks gas exports, spooking Europe. politico.com 19.01.2024.

[10] Myles McCormick, Jamie Smyth: US energy security role in question as gas exports receive new scrutiny. ft.com 17.01.2024.

[11] Klimabilanz: Ist Flüssiggas wirklich schädlicher als Steinkohle? mdr.de 24.11.2023.

[12] Esther Geisslinger: Klimakiller Flüssiggas. taz.de 02.07.2019.

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