Vor dem Landgericht Chemnitz begann – mit fünf Jahren Verspätung – der Prozess gegen sechs von 122 rechtslaufenden Deutschlandverrätern und AfG-Fußgängern wegen Körperverletzung und Nazirei. Die restlichen verfolgten Kegelbrüder von Höcke und Pegida wurden vom Gericht sinnigerweise in Neuner-Gruppen aufgeteilt: Alle Neune! Die Opfer der Chemnitzer Gewalt fürchten, dass die meisten Angeklagten noch vor einem Gerichts- und Gottes-Urteil entweder das Zeitliche gesegnet haben oder es in Sachsen keine unabhängige Justiz mehr gibt, weil alles fremdelt.

Vorsicht – das ist jetzt eine reinrassige Spekulation, denn es könnt‘ auch deutlich schneller gehen mit dem Abstieg der Demokraten. Die Pegelstände steigen dieser Tage selbst an seichten Ufern, während die Kaufkraft sinkt und die Montagsspaziergänge an anderen Wochentagen republikweit zunehmen. Der politischer Klimawandel wird, wenn überhaupt, dann nicht also solcher, vastehste? Die Zuwanderung wiederum als solche wird von den restdeutschen Angsthasen radikal abgelehnt. Als Zugabe erfahren immer wieder demokratische Institutionen und ihre personenbezogenen Körper eine faustdicke Verachtung: Paar in die Fresse, wenn nicht mehr. Der Schoss ist noch weitaus fruchtbarer, als Brecht glaubte.

Offen gestanden, ich les‘ viel rum in der Welt. „Als Philosoph bleibt Dir nüscht andres übrig“, unterstützt mich meine Omi Glimbzsch aus Zittau, wenn sie mich beim Lesen der Fake-News erwischt oder mit der örtlichen Stuttgarter Wein-Zeitung auf dem Klo. Ich les‘ sogar Gestriges und Vorgestriges, Lumumba, Rose Ausländer, Tucholsky (schon wegen dieser Namen!), auch was vom Juden Heine, bissel Böhmermann, Kameliendame, Ronja Räubertochter – selbst als Frau! Und was den Kurt Tucholsky angeht – Sie wissen schon: „Küsst die Faschisten“ – da halt‘ ich’s mit Sheila Mysorekar, eine wie wir, nur anders. Sheila hat fürs Neue Deutschland festgestellt, dass man in den meisten Redaktionen die Hosen voll hat und unter allen Umständen das F-Wort vermeidet. Rechtspopulisten? Ja, gern, das geht. Rechtsaußen auch, gelegentlich auch Rechtsradikale, allenfalls noch Postfaschisten zu einer Faschistin wie Melloni, der Olaf Scholz die Haare krault.

Was ich sagen will? Das frag‘ ich mich selbst oft. Klare Sprache, klare Ansage, klare Trennungslinien. Das schmerzt vielleicht, ist aber notwendig: Die Republik, die Demokratie, selbst die mit den vielen Fehlern, als kleinster gemeinsamer Nenner. Sorry, aber drunter geht’s nicht.

Peter Grohmann’s „Wettern der Woche“

Peter Grohmann ist Kabarettist und Koordinator des Bürgerprojekts Die AnStifter.