Urs P. Gasche für die Onlinezeitung Infosperber
Neuste Enthüllungen bestätigen, dass Netanyahu die Hamas als Garantie missbrauchte, dass es nie zu zwei Staaten kommt.
Die «New York Times» enthüllte am 17. Dezember, dass sowohl die Regierungen Israels als auch die US-Regierung seit 2018 wussten, in welchen Vermögenswerten die Hamas Hunderte Millionen Dollar angelegt hatte. Trotzdem haben weder Israel noch die USA diese Firmen und Vermögen der Hamas mit Sanktionen belegt. Erst letztes Jahr wurden Sanktionen verhängt, nachdem mit der Hamas verbundene Personen gegen bestehende US-Sanktionen verstossen hatten.
Israels Sicherheitsbehörden waren seit 2018 im Besitz einer detaillierten Auflistung von Hamas-Vermögen. Die Daten stammen von einem Computer eines ranghohen Hamas-Vertreters. Die NYT konnte die Liste einsehen.
Gemäss Liste kontrollierte die Hamas im Sudan Bergbau-, Hühnerzucht- und Strassenbauunternehmen, in den Vereinigten Arabischen Emiraten zwei Wolkenkratzer, in Algerien eine Immobilienfirma und ein Immobilienunternehmen, das sogar an der türkischen Aktienbörse kotiert ist.
Namentlich Netanyahus Regierungen haben gegen die Vermögen und Finanzierungsquellen der Hamas nichts unternommen. Dies fügt sich ins Bild, dass Israel auch tolerierte, dass Katar seit 2012 die Hamas massiv finanzierte. «Mit Israels Einverständnis unterstützte Katar den Gazastreifen mit einer Milliarde Dollar», schrieb die israelische Zeitung «Haaretz» im Jahr 2019. Netanyahu schaute weiter zu.
Am 8. Oktober 2023, einen Tag nach dem Terrorangriff der Hamas, titelte «The Times of Israel»: «For years, Netanyahu propped up Hamas. Now it’s blown up in our faces» («Jahrelang hat Netanjahu die Hamas gestützt. Jetzt ist es uns um die Ohren geflogen»).
Netanyahu: «Teil unserer Strategie»
Im März 2019 hatte Netanyahu auf einer Sitzung seiner Mitte-Rechts-Partei Likud zu seinen Likud-Kollegen gesagt:
«Wer die Gründung eines palästinensischen Staates vereiteln will, muss die Hamas und den Transfer von Geld an die Hamas unterstützen […] Das ist Teil unserer Strategie, um die Palästinenser in Gaza von den Palästinensern im Westjordanland zu isolieren.»
Infosperber informierte am 29. Oktober, dass der deutsche Politik- und Islamwissenschaftler und langjährige Nahostkorrespondent der «ZEIT», Michel Lüders, die Strategie Netanyahus gleich einschätzt:
«In seiner langen Regierungszeit hat Netanjahu die Hamas in Gaza gerne toleriert. Denn diese Terrororganisation war für ihn eine Garantie, dass es nie einen unabhängigen palästinensischen Staat geben wird.»
Der Journalist Gershom Gorenberg, der sich in Jerusalem in der progressiven orthodox-jüdischen Gemeinde «Kehillat Yedidya» engagiert, teilt diese Einschätzung: Netanyahu habe das Hamas-Regime an der Macht erhalten und tolerierte dessen Finanzierung durch Katar. Denn mit Terroristen müsse er nicht verhandeln und die auf das Westjordanland beschränkte Fatah bleibe schwach. Diese Konstellation habe Israel erlaubt, im Westjordanland die Siedlungspolitik voranzutreiben und eine Zweitstaatenlösung zu verhindern.
Diese Strategie entspricht der Sicht der Ultrareligiösen in Israel. Bezalel Smotrich, Vorsitzender der rechts-religiösen Partei HaTzionut HaDatit hatte im Jahr 2015 in einem Interview argumentiert, dass die eigentliche Gefahr für Israel nicht von der Hamas komme, sondern von der Diplomatie mit Fatah-Präsident Mahmud Abbas: «Die Fatah ist uns lästig, aber die Hamas ist unser Trumpf […] Die Hamas ist eine terroristische Organisation, niemand wird sie anerkennen, niemand wird sie eine Resolution im UN-Sicherheitsrat einbringen lassen.» (Quelle hier)
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Siehe dazu:
Israel will die Palästinenser aus Gaza vertreiben
Vieles deutet darauf hin: Das Kriegsziel der Regierung Netanyahu ist ein Israel vom Jordan bis zum Mittelmeer.