Menschen, die den Zugang zu sicheren Schwangerschaftsabbrüchen verteidigen und wichtige Dienstleistungen erbringen, werden in vielen Ländern stigmatisiert, eingeschüchtert, angegriffen und ungerechtfertigt verfolgt. Dies macht ihre Arbeit immer schwieriger und gefährlicher, wie Amnesty International in einem neuen Bericht feststellt.

Der Bericht mit dem Titel An Unstoppable Movement: A global call to recognize and protect those who defend the right to safe abortions zeigt, dass weltweit zahlreiche Beschäftigte des Gesundheitswesens sowie Aktivist*innen, Menschenrechtsverteidiger*innen und Begleitpersonen Menschenrechtsverletzungen, Festnahme, Strafverfolgung und Gefängnis fürchten müssen, weil sie sich für das Recht auf Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen einsetzen.

Dies geschieht selbst in Ländern, in denen Schwangerschaftsabbrüche unter bestimmten Umständen gesetzlich erlaubt sind. Wer Dienstleistungen in Verbindung mit Schwangerschaftsabbrüchen anbietet, muss mit der Angst leben, angegriffen oder von den Behörden strafrechtlich verfolgt zu werden, egal ob die Leistungen im jeweiligen Land legal sind oder nicht. Und wer entsprechende Dienstleistungen in Anspruch nehmen möchte, muss grosse Hindernisse überwinden. Dies gilt insbesondere für Angehörige ausgegrenzter Bevölkerungsgruppen.

«Das Recht auf einen Schwangerschaftsabbruch ist keine Meinung. Es ist in internationalen Standards und völkerrechtlichen Normen verankert und baut auf zahlreichen Menschenrechten auf, z. B. dem Recht auf körperliche und geistige Unversehrtheit, dem Recht auf Gesundheit sowie dem Recht, nicht durch den Entzug sicherer Dienstleistungen rechtswidrig oder willkürlich getötet zu werden», sagte Agnès Callamard, Generalsekretärin von Amnesty International.

«Das Recht auf Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen ist massgeblich für die Gewährleistung der Menschenwürde aller Personen, die schwanger werden können. Diejenigen, die dieses Recht verteidigen und seine Ausübung ermöglichen, verdienen unseren Respekt und Schutz. Dennoch halten viele Staaten auf der ganzen Welt an einer Politik der Überregulierung und Kriminalisierung fest, die für diejenigen, die den Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen verteidigen, ein feindliches, ja sogar gefährliches Umfeld schafft», so Callamard weiter.

«Öffentliche Rhetorik gegen Abtreibung sowie Gesetze und Verordnungen die Schwangerschaftsabbrüche kriminalisieren sorgen dafür, dass medizinisches Personal und Menschenrechtsverteidiger*innen ins Fadenkreuz geraten. Stigmatisiert, diskriminiert, kriminalisiert, inhaftiert, sogar getötet – die Rechte derjenigen, die den Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen verteidigen, sind unter Beschuss. Doch ihr Recht darauf, angstfrei arbeiten zu können, wichtige Dienstleistungen frei von Bedrohung zu erbringen und ihren Beruf ohne Diskriminierung auszuüben, muss geachtet und geschützt werden.»

Ausgegrenzt und alleingelassen

Obwohl Abtreibungsgesetze im Allgemeinen immer progressiver werden, wird der Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen durch die Förderung von Desinformationen und toxischen Narrativen behindert: Verleumdungskampagnen, die den öffentlichen Diskurs unterwandern und gegen das Recht auf Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen sowie gegen diejenigen, die dieses Recht verteidigen, mobil machen, sind auf dem Vormarsch.

Der Amnesty-Bericht stützt sich auf mehr als 40 Gespräche mit Menschenrechtsverteidiger*innen weltweit und entstand mit der Hilfe von lokalen Basisorganisationen und globalen Gesundheitsorganisationen. In dem Bericht erläutern Personen, die den Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen verteidigen, insbesondere im Gesundheitswesen Beschäftigte, dass sie sich häufig ausgegrenzt und alleingelassen fühlen. Ihre Arbeit erhält keine Anerkennung und sie müssen Kriminalisierung, Schikane, Stigmatisierung, Ausgrenzung, verbale Drohungen und Gewalt befürchten. Zudem führt ihre Arbeit oft zu Burnout. Einige Gesundheitsdienstleister*innen mussten beobachten, wie ihre persönlichen Daten im Internet verbreitet wurden; andere sind sich nicht sicher, ob sie es unversehrt nach Hause schaffen.

Hier einige Beispiele:

  • Die venezolanische Lehrerin und Menschenrechtsverteidigerin Vannesa Rosales wurde kriminalisiert, weil sie einer Frau und ihrer 13-jährigen Tochter geholfen hatte, Zugang zu einem Schwangerschaftsabbruch zu erhalten.
  • In Polen wurde Justyna Wydrzyńska, die dem Netzwerk Abortion Without Borders und dem Aktivist*innenkollektiv Aborcyjny Dream Team angehört, verurteilt, weil sie einer Frau zu Abtreibungspillen verholfen hatte – einer sicheren Methode zum Beenden einer Schwangerschaft.
  • Eine Person, die sich in Ghana für sexuelle und reproduktive Rechte einsetzt, gab an, dass Dienstleistende in diesem Bereich tätlich angegriffen und öffentlich blossgestellt werden, nur weil sie Aufklärung über Verhütungsmethoden betreiben.

Die Kriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen ist der Hauptgrund für die geschätzt 35 Millionen unsicheren Schwangerschaftsabbrüche, die pro Jahr vorgenommen werden. Aufgrund von Kriminalisierung befinden sich Beschäftigte des Gesundheitswesens ständig im Konflikt zwischen ihrer ethischen und beruflichen Pflicht, die bestmögliche Pflege zu leisten, und einer möglichen Strafverfolgung bei Nichteinhaltung regressiver Gesetze.

Menschenrechtsverteidiger*innen achten und schützen

«Diejenigen, die sich für das Recht auf einen Schwangerschaftsabbruch einsetzen, ermöglichen den Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen. Dabei dürfen sie keinen Anfeindungen ausgesetzt werden. Vielmehr müssen sie dringend von den Staaten und Behörden geschützt werden, damit sie ihre Arbeit ohne Repressalien verrichten können», sagte Agnès Callamard.

Darüber hinaus fordert Amnesty International die Staatengemeinschaft auf, den Einsatz von Menschenrechtsverteidiger*innen für den Zugang zu sicheren Schwangerschaftsabbrüchen als legitim und unverzichtbar für die Förderung und Verwirklichung der sexuellen und reproduktiven Rechte anzuerkennen.