Am 29. Juli 2023 kündigte die griechische Polizei Ermittlungen gegen 21 Personen an, darunter Mitglieder von Nichtregierungsorganisationen, die an der Unterstützung der auf Lesbos ankommenden Asylsuchenden beteiligt sind. Mary Lawlor, die UN-Sonderberichterstatterin für Menschenrechte, bezeichnete dies auf Twitter als „sehr beunruhigende Nachricht“, die im Einklang mit besorgniserregenden Situationen stehe, die sie während eines Besuchs im Land erlebt habe. Sie betonte, dass „unbegründete Ermittlungen gegen Menschenrechtsverteidiger und deren Verwendung zur Verleumdung von Menschenrechtsverteidigern über die Medien ein wichtiges Thema“ seien, das Anlass zur Sorge gebe.

Diese Anschuldigungen sind nicht die ersten, die gegen Personen erhoben werden, die sich für Menschen einsetzen, die an den europäischen Grenzen um Asyl bitten.

Im Jahr 2022 bezog Human Rights Watch Stellung zu den Vorwürfen, dass zehn „ausländische Staatsangehörige“, darunter vier Mitarbeiter von NRO, „Migranten bei der illegalen Einreise in das griechische Hoheitsgebiet geholfen (und) Spionage betrieben“ hätten, und beschuldigte die griechischen Behörden, „strafrechtliche Ermittlungen zu betreiben, um Gruppen zu schikanieren und einzuschüchtern, die Misshandlungen von Migranten an der griechischen Grenze untersuchen“.

In ähnlicher Weise wurde im Mai dieses Jahres das Verfahren gegen Seán Binder und Sarah Mardini fortgesetzt, die „wegen Spionage und Urkundenfälschung angeklagt sind, was zu Haftstrafen von bis zu acht Jahren führen kann. Darüber hinaus wird seit 2018 gegen sie wegen unbegründeter Straftaten ermittelt, die mit bis zu 20 Jahren Gefängnis geahndet werden können“.

Diese ständigen Drohungen und Unsicherheiten verlängern das Leiden der Menschen. Das betrifft nicht nur diejenigen, die aktiv an den Prozessen beteiligt sind, sondern alle Menschenrechtler, die sich fragen, ob ihre Solidaritätsaktionen sie zum nächsten Verdächtigen der griechischen Behörden machen werden. Eine andere Organisation, die des Schmuggels beschuldigt wird, der Aegean Boat Report, erklärte im Jahr 2021, dass sie „nicht Teil eines Schmugglerrings ist, niemals war und niemals sein wird, egal wo auf der Welt“ und dass sie in Wirklichkeit gezwungen ist, die Rolle des griechischen Staates zu übernehmen, der „sich lieber vor seiner Verantwortung drückt und, schlimmer noch, Gesetze bricht, die Griechenland direkt unterzeichnet hat“. Insbesondere die völkerrechtlichen Verpflichtungen, diejenigen zu schützen, die in ein Land einreisen, um Asyl zu beantragen, ihren Antrag auf Schutz anzuhören und keine Zurückweisung vorzunehmen.

In Gesprächen mit Menschen, die in diesem Sommer auf den „Hotspot“-Inseln arbeiteten und ehrenamtlich tätig waren, wurde mir deutlich, dass nicht nur Menschen, die Menschen beim Überqueren der Grenzen unterstützen, um Sicherheit zu suchen, wie in dem von Lawlor zitierten Fall auf Lesbos, sondern auch Menschen, die selbst die Grenzen überqueren, um Sicherheit zu suchen, erneut kriminalisiert werden. Vor allem Menschen, von denen man annimmt, dass sie Boote steuern, werden erneut als Schleuser beschuldigt; in den letzten Wochen wurde eine Reihe von Anklagen erhoben. Solche Anschuldigungen werden jedoch der Realität nicht gerecht, mit der Menschen in dieser Lage konfrontiert sind, und der Realität, dass sie gezwungen sind, diese irregulären Methoden der Einreise nach Europa zu nutzen, um Sicherheit zu suchen. I Have Rights weist darauf hin, dass „die Schmuggler die Menschen oft auf dem Meer zurücklassen und ihnen die Möglichkeit geben, sich selbst zu helfen, wenn sie das Boot in Sicherheit bringen“. Dies macht diese Menschen nicht zu „Bootsfahrern“ oder „Schmugglern“, wie ihnen in diesen Strafanzeigen vorgeworfen wird, sondern vielmehr zu Menschen, die versuchen, sich selbst und andere vor dem Risiko zu schützen, ihr Leben auf See zu verlieren.

Ein solcher Ansatz der Kriminalisierung hatte in der Vergangenheit tragische Folgen: Menschen, die ihre Kinder auf dem Meer verloren haben, wurden wegen Gefährdung des Lebens ihres Kindes angeklagt und strafrechtlich verfolgt, und diejenigen, die die Rolle des Bootsführers übernommen haben, um ihre Mitreisenden in Sicherheit zu bringen, wurden des Schmuggels beschuldigt. Im Fall von Hasan, einem der #Samos2, drohen ihm 230 Jahre Gefängnis wegen des mutmaßlichen Verbrechens der „unerlaubten Beförderung von 24 Drittstaatsangehörigen in griechisches Hoheitsgebiet (Schmuggel), mit den erschwerenden Umständen der Gefährdung des Lebens von 23 Personen und der Verursachung des Todes von einer Person“.

Die Realität ist jedoch, dass jeder, der sich in dieser Lage befindet, alles tun würde, um sein eigenes Leben und das der Menschen, mit denen er reist, zu retten, die innerhalb der EU-Grenzen Sicherheit suchen. Am Tag der Urteilsverkündung im Fall #Samos2 im Mai 2022 wurde Hasan zu 1 Jahr und 5 Monaten auf Bewährung verurteilt. Achim Rollhäuser, der den Prozess als Mitglied der European Democratic Lawyers beobachtete, argumentierte, dass ein solches Urteil vorhersehbar war. Insbesondere, „dass Hasan, der Bootsfahrer, verurteilt wurde. Er musste der Sündenbock sein. Ein Mensch, ja ein Kind, war gestorben; das konnte nicht ungestraft bleiben. Da weder die griechische Küstenwache, noch der griechische Staat als Ganzes, noch die EU mit ihrer mörderischen Grenzpolitik vom Gericht zur Verantwortung gezogen werden konnten, blieb nur die Möglichkeit, den Flüchtling, der das Boot steuerte, verantwortlich zu machen“.

Was all diese Fälle gemeinsam haben, sind nicht die Anschuldigungen oder die Menschen, die ihnen gegenüberstehen, von denen viele unterschiedliche Erfahrungen, Hintergründe und Beziehungen zu den Grenzen der EU haben. Gemeinsam ist ihnen vielmehr die besorgniserregende und „beunruhigende“ Tendenz, dass Schutzsuchende und die Menschen, die sie zu unterstützen versuchen, daran gehindert und dabei kriminalisiert werden, während staatliche und EU-Akteure, deren Aufgabe es ist, diesen Schutz zu bieten, nicht nur versagen, sondern auch versuchen, diejenigen zu kriminalisieren, die versuchen, die von ihnen hinterlassenen Lücken zu füllen. Wie Rollhäuser betonte, sind es die Grenzen selbst und die Politik, die sie durchsetzt, die „mörderisch“ sind, aber die Menschen, die sie überwinden wollen, werden grausam und absichtlich bestraft.

Die Übersetzung aus dem Englischen wurde von Alina Kulik vom ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam erstellt. Wir suchen Freiwillige!