Auf der ganzen Welt erlebt der Landwirtschaftssektor die ersten, wenngleich bereits verheerenden Auswirkungen der Klimakrise. Die jüngsten Ereignisse, die die italienische Landwirtschaft betrafen, liefern dafür ein ebenso perfektes wie tragisches Beispiel.

Von Marco Pisano

Langanhaltende Dürreperioden, denen zerstörerische Fluten folgen, plötzliche Hagelstürme sowie späte und nicht vorhersehbare Fröste: Extreme Wetterereignisse treten immer häufiger auf und richten größere Schäden an, während die Politik, nachdem sie kläglich versucht hat, zu leugnen oder herunterzuspielen, was nun nicht mehr länger möglich ist, weiter verzögert, Versprechen macht und zu wenige Mittel bereitstellt.

Die durch die italienische Regierung und Handelsverbände bisher unternommenen bescheidenen Maßnahmen zur Anpassung und Linderung laufen auf eine desaströse Situation für die italienischen Landwirte hinaus. Die wirtschaftlichen Interessen der großen Agrarunternehmen sind noch immer ein Hindernis für die grüne Revolution, die dieser Sektor nötig hat. Ultrakapitalistische Interessen versperren den Weg zu Maßnahmen, wie die zur Reduzierung von Stickstoffemissionen, und sie verwandeln neue Praktiken, wie das Carbon Farming (Anreicherung von CO2 in landwirtschaftlich genutzten Böden) in reine Profitinstrumente.

Was ist Carbon Farming?

Von effektiven und nützlichen Maßnahmen zur Reduzierung der klimawirksamen Folgen der Landwirtschaft hört man wenig. Man spricht darüber in Universitäten, in einigen wenigen Konferenzen oder an entlegenen Orten und in Unternehmen, die ausgezeichnete Bedingungen für die Ernährung und die Umwelt schaffen und die in der Lage sind, Qualitätsprodukte herzustellen und dabei die Ökosysteme nicht nur schützen, sondern auch regenerieren. Regenerative Landwirtschaft, die auch in Italien offenbar immer attraktiver wird, gehört zu den landwirtschaftlichen Praktiken, die irgendwie „wundersam“ anmuten. Der Erhalt und die Steigerung der Bodenfruchtbarkeit während gleichzeitig der biologische Ausgleich des Bodens erfolgt, stellt eine nicht leicht zu lösende Herausforderung dar. Und doch ist dies gleichzeitig eine bedeutende wirtschaftliche und ökologische Chance für den gesamten Agrarsektor. Denn Tatsache ist, dass ein Boden in ausgezeichnetem Zustand eine zusätzliche Waffe im Kampf gegen den Klimawandel sein kann, denn er ist in der Lage, große Mengen CO2 aus der Atmosphäre zu binden.

“Die Erhöhung des organischen Kohlenstoffanteils in landwirtschaftlich genutzten Böden (SOC-Soil Organic Carbon) ist äußerst erstrebenswert und kann zur Linderung und zur Anpassung an den Klimawandel beitragen. Die Praktiken des Carbon Farming, die das ermöglichen, sind wohlbekannt und sie können zahlreiche weitere Nebenvorteile mit sich bringen, wie eine verbesserte Ertragsstabilität und den Erhalt der Biodiversität.“

Erneut dringt die Wissenschaft auf die Bedeutung radikaler Maßnahmen und notwendiger Kursänderungen, um zu retten, was noch zu retten ist. Das „Carbon Farming“, das kürzlich durch die Mitteilung zu Nachhaltigen Kohlenstoffkreisläufen seitens der EU-Kommission in den Emissionshandelsmarkt aufgenommen wurde, umfasst landwirtschaftliche Prozesse, die es ermöglichen, CO2 aus der Atmosphäre zu binden und es in Böden einzulagern. Der „Technische Leitfaden“ zählt mögliche Verfahren auf, die diesbezüglich angewendet werden können. Dabei kann in vier Bereichen eine Verminderung der Auswirkungen des Klimawandels erwirkt werden:

  • Landnutzung: Umwandlung von Anbauflächen in Grasland, um organischen Kohlenstoff im Boden zu lagern, eine neue Agroforstwirtschaft, die Umwandlung bzw. Wiederherstellung von Feucht- und Moorgebieten, Aufforstung, Verhinderung von Abholzungen und der Entnahme von Bäumen von landwirtschaftlichen Flächen, Waldmanagement, Hecken, bewaldete Pufferstreifen und Bäume auf bestehenden landwirtschaftlichen Flächen.
  • Ackerflächenmanagement: Verbesserte Fruchtfolge, reduzierte oder minimale Bodenbearbeitung (regenerative Landwirtschaft), das dauerhafte Verbleiben von Pflanzenrückständen auf der Oberfläche der Böden, das Beenden der Verbrennung von Vegetation und von pflanzlichen Rückständen aus der Landwirtschaft, die Anwendung von Gründüngung als Zwischenfrucht.
  • Viehhaltung: Gesundheitsmanagement in der Viehhaltung, Verwendung regulärer Samen zur Aufzucht von Ersatz für Milchviehbestände, Verwendung von Züchtungen mit geringerem Methanausstoß, Verwendung von Nahrungsergänzungsmitteln bei Wiederkäuern, Optimierung der Fütterungsprozesse.
  • Nährstoff- und Bodenmanagement: Pläne für Nährstoff- und Bodenmanagement, Verbesserung der Stickstoffeffizienz, biologische Stickstoffbindung bei Fruchtfolgen und Grasmischungen, Verbesserung der Energieeffizienz in landwirtschaftlichen Betrieben.

Laut EU-Kommission „sollten zum Sammeln von Erfahrungen Pilotvorhaben auf lokaler oder regionaler Ebene vorangebracht werden, um so das Carbon Farming zu verbessern. Damit werden Aspekte der Gestaltung, insbesondere die Zertifizierung der Entfernung von Kohlenstoff verbessert und das Wissen und Verständnis der potenziellen Vorteile für die Landwirte erweitert.“ Es existieren bereits zwei von der EU mitfinanzierte Projekte des Carbon Farming: Das Life Carbon Farming Programm und das INTERREG Carbon Farming Projekt, die beide zum Ziel haben, den Klimawandel abzuschwächen, indem der Zustand der landwirtschaftlich genutzten Böden verbessert und neue Anreize für Verfahren der Kohlenstoffbindung geschaffen werden.

Maximalen Nutzen aus der Landwirtschaft zu gewinnen und gleichzeitig die Umwelt zu schützen ist demnach möglich. Zusätzlich zu Reservoirs für Regenwasser (nützlich aber nicht ausschlaggebend), der Wartung und Pflege von Flussbetten (notwendig aber nicht ausschlaggebend) sowie landwirtschaftlichen Versicherungen, sollten die italienischen Landwirte und Viehzüchter dazu ermuntert werden, nachhaltige Produktionsverfahren anzuwenden und sich zuvor Informationen zu diesen Verfahren anzueignen. In dem Zusammenhang, dass die wachsenden Bedürfnisse der Menschen mit Produktionsmethoden in Einklang gebracht werden müssen, die den Klimawandel vermindern, bietet laut der Studie „Carbon Farming: Perspektiven und Herausforderungen” das „Carbon Farming Methoden für ein allumfassendes und nachhaltiges Flächennutzungsmanagement, das sowohl der Umwelt wie auch der Gesellschaft von Nutzen ist.“

All das scheint utopisch in einem Land, das die Bedeutung von Nahrungsmittelsouveränität verdreht und sie zu einem Konzept herabgewürdigt hat, das für eine souveränistische Propaganda nützlich ist. Die fragwürdigen öffentlichen Äußerungen von Minister Francesco Lollobrigida, die die volle Unterstützung der großen Handelsverbände fanden, komplettieren das traurige Bild einer schon jetzt komplizierten Situation. Leeres Gerede über ‚Made in Italy‘ und die anhaltende Verteidigung der Interessen der italienischen Landwirte werden schon bald mit der traurigen Realität kollidieren. Wenn jetzt keine effektiven Maßnahmen unternommen werden, wird es schon bald weder ein ‚Made in Italy‘ mehr geben, das verstärkt werden soll noch irgendein landwirtschaftliches Interesse, das es zu verteidigen gilt.

Die Übersetzung aus dem Französischen wurde von Silvia Sander vom ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam erstellt. Wir suchen Freiwillige!