Rheinmetall gründet ein Joint Venture mit dem ukrainischen Rüstungskonglomerat UkrOboronProm und will zu einem zentralen Ausrüster des ukrainischen Heeres werden.

Der deutsche Rüstungskonzern Rheinmetall will zu einem zentralen Ausrüster der ukrainischen Landstreitkräfte werden. Dies geht aus den Plänen der Düsseldorfer Waffenschmiede für die Bildung von Joint Ventures mit dem ukrainischen Rüstungskonglomerat UkrOboronProm hervor. In dem Konglomerat sind seit 2010 mehr als hundert ukrainische Rüstungsunternehmen zusammengeschlossen; Kiew will mit ihm „eine der mächtigsten Verteidigungsindustrien der Welt“ schaffen“. Mehrere Unternehmen aus anderen Ländern haben inzwischen begonnen, mit UkrOboronProm zu kooperieren und etwa eine gemeinsame Munitionsproduktion aufzubauen – dies allerdings außerhalb der Ukraine, beispielsweise in Polen, um vor russischen Angriffen sicher zu sein. Rheinmetall kündigt nun für Juli ein Joint Venture zum Bau gepanzerter Fahrzeuge an und plant darüber hinaus Gemeinschaftsunternehmen zur Herstellung von Munition und von Flugabwehrsystemen. In Berichten heißt es, mit einem breiten Spektrum von – überwiegend – Rheinmetall-Waffen könne sich die Ukraine „gegen russische Angreifer verteidigen“. Im Gespräch ist unter anderem die gemeinsame Produktion des Kampfpanzers Panther.

UkrOboronProm

Die Düsseldorfer Waffenschmiede Rheinmetall ist nicht der erste westliche Rüstungskonzern, der im Verlauf des Krieges eine enge Zusammenarbeit mit UkrOboronProm eingegangen ist. Das ukrainische Konglomerat ist erst 2010 gegründet worden – als Dachkonzern für mehr als hundert ukrainische Rüstungsunternehmen, darunter der Flugzeughersteller Antonow sowie mehrere Panzer- und Raketenbauer, die ihre Ursprünge in der Regel noch in der Sowjetunion hatten. UkrOboronProm sollte der maroden ukrainischen Rüstungsbranche auf die Beine helfen und ihre Modernisierung vorantreiben. Dies gelang bislang nicht; auf der Rangliste der weltgrößten Rüstungskonzerne, die das Stockholmer Forschungsinstitut SIPRI regelmäßig publiziert, fiel das Unternehmen zuletzt auf Platz 79. Zum Vergleich: Der deutsche Hensoldt-Konzern lag auf Platz 69. Bereits vor knapp zwei Jahren beschloss das ukrainische Parlament die Umwandlung des Staatskonglomerats in eine Aktiengesellschaft, um eine Wende für die Branche herbeizuführen. Ein entsprechendes Dekret hat die ukrainische Regierung am 21. März beschlossen. Der ukrainische Ministerpräsident Denys Schmyhal erläuterte dazu, Kiew wolle „eine der mächtigsten Verteidigungsindustrien der Welt schaffen“.[1] Laut offiziellen Angaben zählt UkrOboronProm rund 65.000 Mitarbeiter.

Produktion im NATO-Ausland

Der Krieg hat zu desaströsen Arbeits- und Produktionsbedingungen für UkrOboronProm geführt. Zahlreiche Fabriken sind durch russische Angriffe schwer beschädigt oder gar völlig zerstört worden. Im März hieß es zwar, dem Konzern sei es gelungen, rund 3.000 gepanzerte Fahrzeuge, die in den Kämpfen gegen Russland beschädigt wurden, zu reparieren. Dabei seien allerdings bis zu 95 Prozent aller Fahrzeuge von mobilen Reparaturteams in Frontnähe instandgesetzt worden. Bereits im September 2022 schloss der US-Konzern Honeywell ein Kooperationsabkommen mit UkrOboronProm. Ende 2022 wurde berichtet, Rüstungsfirmen aus sechs Staaten hätten mit dem Konglomerat Verträge über gemeinsame Entwicklung und Herstellung von schweren Waffen und von weiteren Rüstungsgütern geschlossen. Genannt wurden Polen, Tschechien, Frankreich und Dänemark.[2] Im Februar teilte UkrOboronProm nun mit, man habe begonnen, gemeinsam mit einem Unternehmen aus einem NATO-Staat Munition zu produzieren. Um welches Land es sich handelte, ließ die Firma offen. Im April folgte eine Mitteilung, man kooperiere bei der Munitionsherstellung nun auch mit dem Rüstungskonzern Polska Grupa Zbrojeniowa. Laut UkrOboronProm wird die Fertigung, um eine Zerstörung der Produktionsstätten durch russische Angriffe zu verhindern, in Polen durchgeführt.[3]

Rheinmetall-Panzer in der Ukraine

In der vergangenen Woche hat Rheinmetall Berichte bestätigt, nach denen die Düsseldorfer Waffenschmiede ebenfalls eine enge Kooperation mit UkrOboronProm aufnehmen wird. Dabei wird zunächst ein Joint Venture gegründet, das schon Mitte Juli operationsfähig sein soll. Rheinmetall wird mit 51 Prozent die Mehrheit halten und zudem die unternehmerische Führung innehaben. Das Rheinmetall-UkrOboronProm-Joint Venture soll in einem ersten Schritt Militärfahrzeuge instandsetzen, insbesondere solche, die aus der EU bereitgestellt wurden.[4] Langfristig wollen die beiden Konzerne mit ihrem Gemeinschaftsunternehmen auch Rheinmetall-Panzerfahrzeuge in der Ukraine produzieren. In Berichten heißt es, dabei könne man mit dem Radpanzer Fuchs beginnen, der als Transportpanzer oder auch als Kommandoeinheit genutzt werden könne.[5] Ihm folgen könnten der Schützenpanzer Lynx (KF41) sowie der neue Kampfpanzer Panther (KF51). Insbesondere eine Produktion des Panther in der Ukraine wird in Branchenkreisen als Coup mit weitreichender Bedeutung für Rheinmetall eingestuft. Der Konzern hat das Fahrzeug als möglichen Nachfolger für den Leopard 2 entwickelt und konkurriert mit ihm gegen das deutsch-französische MGCS, das von Krauss-Maffei Wegmann (KMW) in Kooperation mit Nexter aus Frankreich entwickelt wird.[6] Mit der Ukraine hätte Rheinmetall einen ersten Großkunden – ein bedeutender Konkurrenzvorteil.

Munition und Flugabwehrsysteme

Dabei wird sich die Kooperation zwischen Rheinmetall und UkrOboronProm nicht auf die Produktion gepanzerter Fahrzeuge beschränken. Geplant sind zwei weitere Joint Ventures, die ebenfalls in Kürze gegründet werden und Munition bzw. Flugabwehrsysteme fertigen sollen. Rheinmetall ist zwar vor allem für seine Beteiligung an der Herstellung des Leopard sowie weiterer gepanzerter Fahrzeuge bekannt, hat aber zuletzt stark in die Entwicklung neuer Flugabwehrsysteme investiert. Dazu zählen moderne Systeme, die nicht nur Drohnen jammen und elektronische Tarnmittel nutzen, sondern auch andere, die anfliegende Geschosse mit Lasern oder mit einem Nebel aus Wolframsplittern zerstören.[7] Die Ukraine wäre nicht nur ein dankbarer Abnehmer derartiger Flugabwehrsysteme. Deren Installation in dem Land könnte sich für Rheinmetall als PR-Erfolg erweisen. Russland hat gedroht, sollte der deutsche Konzern noch während des Krieges eine Panzerfabrik in der Ukraine errichten, würde sie umgehend zerstört. Rheinmetall hält dagegen und erklärt, man könne die Fabrik mit eigener Technologie, mit der man etwa auch Feldlager regulärer Streitkräfte gegen potenzielle Angriffe abschirme, erfolgreich schützen. Sogar bei der Installation der Flugabwehrsysteme nach Kriegsende wäre der Maßnahme wohl große internationale Aufmerksamkeit gewiss.

„Das Land verteidigen“

Mit den neuen Rheinmetall-UkrOboronProm-Joint Ventures zeichnet sich ab, dass das deutsche Unternehmen zu einem der wichtigsten Ausrüster der ukrainischen Landstreitkräfte werden könnte. „Gedeckt von einer mobilen Flugabwehr und Artillerie“ aus dem Hause Rheinmetall „könnten Infanterie und Panzerverbände“, gleichfalls von Rheinmetall gefertigt, „das Land gegen russische Angreifer verteidigen“, heißt es in einem Bericht: Mit Hilfe der Düsseldorfer Waffenschmiede erhielte die Ukraine eine rüstungsindustrielle Basis auf modernstem Niveau, um ihre Streitkräfte zu einem guten Teil eigenständig mit High-Tech-Waffen auszustatten.[8] Bei Rheinmetall heißt es ergänzend, es könnten zudem in der Ukraine gemeinsam produzierte Waffen, so etwa der Kampfpanzer Panther, gewinnbringend in Drittstaaten exportiert werden. Die Planungen sind geeignet, den weiteren Aufstieg von Rheinmetall in der globalen Rüstungsbranche zu forcieren. Zudem eröffnen sie Optionen für den schon vor Monaten auch in westlichen Hauptstädten erwogenen Fall, dass der nahende US-Wahlkampf der Biden-Administration Verhandlungen über eine Beendigung der Krieges ratsam erscheinen lässt und eine NATO-Mitgliedschaft der Ukraine nicht durchsetzbar ist (german-foreign-policy.com berichtete [9]). Gewaltige Aufrüstung gemäß NATO-Standards wäre womöglich ein Beitrag zu den Sicherheitsgarantien, die Kiew verlangt.


[1] Illia Ponomarenko: Ukraine’s state defense conglomerate UkrOboronProm transformed into stock company. kyivindependent.com 29.03.2023.

[2] Ukroboronprom and six Nato nations to jointly produce military equipment. army-technology.com 21.11.2022.

[3] Ukraine, Poland to produce Soviet-era tank shells together. news.yahoo.com 06.04.2023.

[4] Strategische Kooperation in der Ukraine: Rheinmetall und Ukroboronprom vereinbaren Zusammenarbeit. rheinmetall.com 13.05.2023.

[5] Larissa Holzki, Martin Murphy: Rheinmetall repariert und baut Panzer in der Ukraine – Aktie legt zu. handelsblatt.com 12.05.2023.

[6] S. dazu Der Panthersprung nach Kiew und Eine neue Epoche der Konfrontation.

[7] Rüdiger Kiani-Kreß, Max Biederbeck-Ketterer: Warum Rheinmetall eine Fabrik in der Ukraine baut. wiwo.de 15.05.2023.

[8] Larissa Holzki, Martin Murphy: Rheinmetall repariert und baut Panzer in der Ukraine – Aktie legt zu. handelsblatt.com 12.05.2023.

[9] S. dazu Untragbare Opfer www.german-foreign-policy.com/news und Nach der Offensive.

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