Sein «Maledetti pacifisti» (Verdammte Pazifisten), das mit dem Ilaria Alpi-Preis ausgezeichnet wurde, ist eine wichtige Anklageschrift mit einem provokanten Titel. Aber ist es wirklich noch möglich, Journalismus im Dienste des Lesers und nicht der kriegstreiberischen Monomanie zu betreiben?

Nico Piro ist ein erfahrener Kriegsberichterstatter, und wir sprachen mit ihm über Konflikte, Frieden und die Kommunikation über diese beiden zentralen Themen, besonders in der heutigen Zeit.

Europa und die ganze Welt streben nach Frieden. Ist es möglich, ihn zu erlangen?

Es gibt immer eine Chance, denn es hängt von uns ab. Teresa Sarti Strada hat gesagt, dass alle ihren kleinen Beitrag leisten müssen, aber dann müssen diese kleinen Teile zusammengesetzt werden und ein Mosaik bilden, das die Welt verändern kann. Ich glaube fest daran, dass wir alle aufgerufen sind, etwas zu bewirken, und dafür brauchen wir Entschlossenheit und Kraft. Ich glaube, wir müssen mit seriöser, fairer, wahrer Information beginnen, die Gino Stradas Kampf für die Abschaffung des Krieges wieder aufnehmen muss.

Die Zeit ist mehr als reif, auch wenn einige sagen werden, dass es unmöglich ist, den Krieg abzuschaffen. Doch bis in die 1980er Jahre schien es auch unmöglich, die Apartheid abzuschaffen, und dann haben wir es doch geschafft. In den 1960er Jahren schien es unmöglich, die Rassentrennung in Amerika abzuschaffen. Dann setzte sich irgendwann eine Frau auf den falschen Platz in einem Bus und änderte alles. Wir müssen also daran glauben. Natürlich bedeutet der Glaube auch, dass wir bereit sind, einen Preis zu zahlen, aber ich glaube, dass wir es alles in allem schaffen können.

Was hältst du von dem absoluten Schweigen um den TPNW, den UN-Vertrag über das Verbot von Atomwaffen, für den das internationale ICAN-Netzwerk 2017 den Friedensnobelpreis erhalten hat? Ein echter Durchbruch für die pazifistische Welt, aber was bedeutet es, dass dieser Vertrag von den NATO-Ländern nicht ratifiziert wird, auch nicht von unserem Land?

Leider befinden wir uns in einer Phase, in der die großen Fortschritte der 1990er Jahre bei der Rüstungskontrolle, insbesondere bei der nuklearen Rüstungskontrolle, einen erheblichen Rückschlag erleiden. Wir gehen rückwärts. Ich denke, wir sollten nicht nur über eine bestimmte Episode nachdenken, sondern darüber, was insgesamt passiert. Leider ist das, was früher ein Negativwert war – Waffen und Aufrüstung – jetzt wieder zu einem Wert geworden. Wir erleben einen globalen Wettlauf um den Handel und den Transport von Waffen.

Denken wir an den Fall des italienischen Parlaments: In nur ein paar Stunden schaffte es das Parlament, sich auf eine Erhöhung der Militärausgaben auf 2 % des BIP zu einigen, ohne sich die Frage zu stellen, wie viele Krankenhäuser, wie viele Kliniken, wie viele Schulen, wie viele Kindergärten wir schließen werden, um diese Summe zu erreichen. Meiner Meinung nach geht es heute darum, das Wettrüsten zu stoppen, denn wir nähren damit den Kreislauf des Krieges, aber nicht nur das: Wir nehmen auch der Zivilgesellschaft Geld weg, und das ist wirklich sehr beunruhigend.

Haben diejenigen Recht, die sagen, dass es Kriege gibt, weil Waffen, sobald sie produziert sind, mit entsprechenden Marketingstrategien verkauft werden müssen?

Nein. Ich denke, wir brauchen eine umfassendere Sichtweise: Die Rüstungsindustrie macht ihren Job. Ganz einfach. Das eigentliche Problem ist die Tatsache, dass sich eine Kriegskultur in den Medien durchgesetzt hat, die „den Krieg normalisiert“ hat. Das eigentliche Thema ist folgendes: Frieden hat keine Sponsoren, Krieg schon – auch weil der Krieg für eine Reihe von Machtzentren monetäre und nicht-monetäre Gewinne abwirft. Ein Beispiel? Boris Johnson ist einer, der den bewaffneten Konflikt in der Ukraine nutzte, um sich zu rehabilitieren, was ihm einige Monate lang gelang, wenn er auch am Ende kapituliert hat. Aber er lenkte die Aufmerksamkeit von den Protesten ab, die sein Umgang mit der Pandemie ausgelöst hatte.

Gibt es also eine eindeutige politische Verantwortung?

Der Frieden hat keine Stimme. Der Frieden hat keine Investoren, und das ist meiner Meinung nach die Schuld der Regierungen. Wenn ein Krieg vorbereitet wird, sind die vorherrschenden Stimmen oft diejenigen, die den Konflikt unterstützen. Die monomane Kriegstreiberei stigmatisiert alle Andersdenkenden und untergräbt die Demokratie. Die Frage, die wir uns also stellen müssen, lautet: Können wir heute über Frieden reden, ohne als Feinde des Vaterlandes behandelt zu werden, die im Sold des Feindes stehen?

Denkst du, dass nach der verpassten Chance in Italien die Zeit reif ist für eine Friedenspartei, die bei den nächsten Europawahlen in allen Mitgliedsstaaten antritt?

Ich glaube ehrlich gesagt nicht an Parteipolitik. Ich denke, dass eine Friedenspartei eine Einschränkung wäre. Denn was ist Frieden am Ende? Vor ein paar Tagen war ich in der Bibliothek von San Matteo degli Armeni in Perugia, wo ich mein Buch ‚Maledetti pacifisti‘ vorgestellt habe. In dieser Bibliothek befinden sich alle Dokumente von Aldo Capitini, einem Propheten des Friedens. Ich war beeindruckt, diese Figur zu sehen und zu verstehen, der zufolge Frieden ein Fortschritt ist, eine kreative Kraft.

Was bedeutet Frieden in Italien heute?

Italien – das sollten wir nie vergessen, auch wenn es kaum gesagt werden darf – erlebt die längste Friedensperiode seiner Geschichte, die mit der Periode des größten Wohlstands in unserem Land zusammenfällt. Schöpferischer Frieden bringt Dividenden für alle, Krieg Profite für wenige. Das Problem ist, dass Frieden diese Dividenden erst auf lange Sicht schafft. Aber wir müssen uns um den Frieden kümmern und ihn in allen Bereichen verbreiten, von der Gerechtigkeit bis zu den Menschenrechten. Ich glaube, das muss alles zusammen erreicht werden. Ich halte es für einschränkend, eine aktive Friedenskampagne zu führen, die nicht alle diese Aspekte berücksichtigt.

Übersetzung aus dem Italienischen von Domenica Ott vom ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam erstellt. Wir suchen Freiwillige!

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