Angesichts der Forderung der USA an Europa, noch mehr Druck gegen China wegen der Taiwan-Krise auszuüben, haben die jüngsten Beratungen zwischen Frankreich, der EU und der Volksrepublik etwas Entspannung in die chinesisch-europäischen Beziehungen gebracht. Allerdings könnte der kürzliche China-Besuch von Bundesaußenministerin Baerbock diesen diplomatischen Erfolg in Frage stellen. 

Von Alexander Männer

Die Lage im Konflikt zwischen China und den Vereinigten Staaten um die chinesische Provinz Taiwan bleibt angesichts der starken Präsenz der Flotten beider Länder im Südchinesischen Meer weiter sehr gefährlich. Auf der politischen Ebene droht Washington Peking zudem unlängst mit „schwerwiegenden Sanktionen“ und versucht die EU in dieser Frage mit ins Boot zu holen.

Die Beratungen zwischen dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron, der Europäischen Kommissionschefin Ursula Von der Leyen und dem chinesischen Staatsoberhaupt Xi Jinping haben jedoch gezeigt, dass sowohl Frankreich als auch die gesamte EU vorerst keine Konfrontation mit China riskieren wollen. Auch die Chinesen wollen ihr Engagement mit Europa aufrechterhalten. In dieser Angelegenheit brachten sie aber bereits im Vorfeld der Gespräche klar zum Ausdruck, dass sie für eine nachhaltige und für beide Seiten vorteilhafte Partnerschaft eine von den USA unabhängige Politik der EU voraussetzen.

Diesbezüglich signalisierte Macron schon kurz nach seinem China-Besuch, dass er für sich die entsprechenden Schlüsse aus den Verhandlungen gezogen hat und forderte so eine unabhängige Rolle Europas gegenüber den USA im Umgang mit der Volksrepublik. In einem Interview sprach er sich unter anderem dafür aus, dass die EU bei dem Taiwan-Konflikt außen vor bleiben und ihre Abhängigkeit von dem US-Dollar verringern sollte.

Baerbocks Sicht auf China

Diese Offenbarungen des französischen Staatschefs sind bei dem breiten Polit-Establishment in Deutschland, das sich offenkundig in Richtung der USA orientiert, ganz klar auf Ablehnung gestoßen. Höchstwahrscheinlich auch bei der Bundesaußenministerin Annalena Baerbock, die China kürzlich eine Visite abstatte und im Gegensatz Macron, der offenbar nicht nur die Verbesserung der bilateralen Beziehungen im Blick hatte, sondern auch für eine Führungsrolle innerhalb der EU bei den chinesisch-europäischen Beziehungen für Frankreich warb, andere Ziele verfolgt.

Grundsätzlich ist anzumerken, dass Baerbock China als einen „Konkurrenten“ und „systemischen Gegner“ betrachtet und der Europäischen Gemeinschaft einen aktiveren geopolitischen Kampf gegen Peking abverlangt. Sie kritisiert die Chinesen wegen ihrer Haltung zum Krieg in der Ukraine und wiederholt häufig die antichinesische Rhetorik der USA in Bezug auf Taiwan und die anderen innerstaatlichen Angelegenheiten des asiatischen Landes. Darüber hinaus wirft die Grünen-Politikerin China vor, seinen Einfluss durch die Schaffung einer wirtschaftlichen Abhängigkeit der EU erweitert zu haben – eine Ansicht, die die gegenseitigen Wirtschaftsbeziehungen zusätzlich belastet.

Dass Baerbock vor nicht so langer Zeit zudem ankündigte, eine „neue Strategie“ für die deutsch-chinesischen Beziehungen zu entwickeln und die transatlantische Einigkeit angesichts der von Peking mit verursachten „Herausforderungen der internationalen Ordnung“ zu stärken, trägt nicht gerade zur Verbesserung der Situation bei.

Belehrungen und Kritik

Und auch ihre jüngsten Ausfälle gegen China haben im Hinblick auf die Forderung Pekings nach mehr Autonomie der EU keine gute Grundlage für konstruktive Verhandlungen geschaffen. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass die deutsche Außenamtschefin bei ihrem Besuch Macrons Initiative torpedierte und die chinesische Führung unter Druck setzte, obwohl nicht ganz klar wurde, was die Ministerin bei den Gesprächen konkret erreichen wollte. Abgesehen von ihrer üblichen Rhetorik, die in Bezug auf China wie immer mit der offiziellen Position der USA einhergeht, gibt es dazu kaum Informationen.

Etwas Licht darauf werfen könnte die abschließende gemeinsame Pressekonferenz, bei der sich Baerbock mit ihrem chinesischen Amtskollegen Qin Gang einen verbalen Schlagabtausch lieferte und China in mehreren Themenbereichen sehr scharf anging.

Bei dem Thema Menschenrechte etwa belehrte sie die Gegenseite auf ihrer anmaßende Art beim Umgang mit den Uiguren. Zu Fragen des Taiwan-Konflikts warnte sie die Chinesen vor den Folgen einer militärischen Eskalation in der Straße von Taiwan. Durch diese Meerenge führe schließlich ein so großer Teil des internationalen Frachtschiffverkehrs, dass auch Deutschland von einem Krieg empfindlich getroffen würde, sagte Baerbock der Tageszeitung zufolge.

Auch in puncto Ukraine-Krieg hat die Ministerin sehr deutlich Kritik an Peking geäußert und sprach zudem von einer „besonderen Verantwortung“ Chinas als Mitglied des UN-Sicherheitsrats. In ihrer gewohnt respektlosen Manier erklärte sie unter anderem: „Aber ich muss offen sagen, dass ich mich frage, warum die chinesische Positionierung bisher nicht die Aufforderung an den Aggressor Russlands beinhaltet, den Krieg zu stoppen.“

Was die gegenseitigen Wirtschaftsbeziehungen betrifft – einen Bereich, in dem Baerbocks neue China-Strategie ebenfalls sehr deutlich zum Ausdruck kommen soll und wo die Politikerin schon heute für einen Wettbewerb mit einer härteren Haltung gegen China eintritt –, so war von einem möglichen Abbruch der Handelsbeziehungen zu Peking (etwa wegen dem Taiwan-Konflikt) nicht die Rede. Außenminister Qin seinerseits hat in diesem Zusammenhang laut Angaben des Magazins „Politico“ mehr Entspannung gefordert und erklärt: „Wir sollten strategische Missverständnisse oder Fehleinschätzungen vermeiden. Wir sind Partner, keine Gegner. […] Wenn Sie eine China-Strategie entwickeln, sollten Sie sich von den ureigenen Interessen unserer beiden Länder leiten lassen.“

Außerdem sagte der chinesische Diplomat etwas, das sich vor allem Baerbock verinnerlichen sollte: „Unsere Politiker und Diplomaten sollten immer Nüchternheit und Vernunft bewahren. Historische Fehler dürfen nicht wiederholt werden, und historische Tragödien sollten auch vermieden werden.“

Der Originalartikel kann hier besucht werden