Die sichere Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln gehört zu den Grundrechten in der Verfassung von Bangladesch. Das bedeutet, dass jede(r) zu jeder Zeit Zugang zu ausreichend gesunden Nahrungsmitteln zur Erhaltung der Gesundheit hat. Die Verfügbarkeit von Lebensmitteln, sei es durch Eigenproduktion oder Importe, sowie der ständige Zugang für alle zu einer ausreichenden Menge an Lebensmitteln zu bezahlbaren Preisen gehören zu den grundlegenden Bestandteilen der Nahrungsmittelsicherheit.

Die Selbstversorgung mit Nahrungsmitteln ist nicht das Gleiche wie die Nahrungsmittelsicherheit. Viele Länder, darunter England und Japan, verfügen über Nahrungsmittelsicherheit, sind jedoch keine Selbstversorger. Demgegenüber können Länder, die sich selber mit Lebensmitteln versorgen können, einer Ernährungsunsicherheit ausgesetzt sein. Das bedeutet, dass ein signifikanter Teil der Bevölkerung keinen angemessenen Zugang zur benötigten Menge an Nahrungsmitteln haben kann.

Von Erina Haque

Während des Befreiungskrieges litt Bangladesch unter Nahrungsmittelknappheit. Nachdem Bangladesch seine Unabhängigkeit erlangt hatte, wurde daher die Nahrungsmittelsicherheit zur obersten Priorität der Regierung. Dabei wurde in den letzten zehn Jahren das Thema der Nahrungsmittelsicherheit um Lebensmittel- und Ernährungssicherheit erweitert. Bangladesch konnte bedeutende Erfolge in der Ernährung seiner 168 Millionen Einwohner durch heimische Landwirtschaft erzielen, obwohl der Verlust von Ackerflächen anhielt. Diese Entwicklung wurde durch ein kontinuierliches ökonomisches Wachstum begünstigt sowie dadurch, dass nahezu 40% der Bevölkerung in der Agrarindustrie arbeiten. Dadurch konnte der Anteil der unterernährten Menschen von 16% im Jahr 2000 auf 9,7% im Jahr 2019 gesenkt werden.

Ein bedeutendes Wachstum der heimischen Nahrungsmittelproduktion, höhere Haushalteinkommen und verbesserte Programme zur sozialen Absicherung, die eine positive Auswirkung auf die Ernährungssicherheit der Armen haben, werden zu großen Teilen von unserem nationalen Budget finanziert. Es sind verschiedene Programme zur Ernährungssicherheit etabliert, wie erleichterte Kontrollen, die Lebensmittelversorgung und Entwicklungsarbeit für gefährdete Bevölkerungsgruppen, Essen für Arbeit, Maßnahmen zur Arbeitsplatzsicherheit etc.

Die Regierung der Awami-Liga hat Programme zur sozialen Absicherung etabliert, so zum Beispiel zur Unterstützung für von Armut betroffene Frauen sowie Renten, um somit die Ernährungssicherheit der von extremer Armut Betroffenen zu sichern. Weiterhin wurden durch die Regierung zahlreiche Anreize geschaffen, wie Kredite mit flexiblen Laufzeiten und Optionen zum Steuernachlass, um somit die kommerzielle Ausweitung der heimischen Tier-, Geflügel-, und Milchproduktion zu unterstützen. Die Nationale Landwirtschaftspolitik 2018 und die Nationale Politik zur Landwirtschaftlichen Mechanisierung 2020 sind zwei der Programme, die die Regierung ins Leben gerufen hat, um sowohl eine gewinnbringende wie auch eine nachhaltige Landwirtschaft realisieren zu können. Darüber hinaus hat die Regierung eine Reihe von Schritten unternommen, um bis 2030 die Ziele für Nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals – SDG) zu erreichen und den Hunger zu beenden (Ziel 2 der SDG).

Bangladesch kann sich mittlerweile bei in der Fischerei, dem Gemüse- und Kartoffelanbau und der Getreideproduktion selbst versorgen. Das Land liegt aktuell an weltweit vierter Stelle beim Reisanbau, an dritter Stelle beim Gemüseanbau und bei der Fischerei, an siebenter Stelle beim Anbau von Mangos sowie an achter Stelle beim Kartoffelanbau. All das zeigt den landwirtschaftlichen Erfolg Bangladeschs und die Vielfalt seiner Erträge. Weizen, Zucker, Speiseöl, Hülsenfrüchte und Getränke hingegen können nicht heimisch produziert werden und das Land ist damit stark von Importen abhängig. Abhängigkeit besteht von Öl, Ölsaaten, verarbeiteten Lebensmitteln und der heimischen Produktion von Senf, Sesam, Sonnenblumen und Reiskleie-Öl, um den Bedarf an Speiseöl zu decken. Angaben zufolge produziert Bangladesch jährlich lediglich 1,8 Tausend Tonnen Sonnenblumenöl und 0,343 Millionen Tonnen Reiskleie-Rohöl – nicht genügend, um den globalen Bedarf zu decken. Trotz der wachsenden Zahl von Geflügelfarmen ist die heimische Produktion und die Versorgung mit Fleisch und Milch noch nicht ausreichend. Aufgrund der Kosten und der veralteten Ausrüstung ist auch die Produktion von Zucker nicht ausreichend und teuer.

Während der COVID-19 Pandemie, die weltweit für signifikante Auswirkungen auf die Lieferketten für Lebensmittel, zunehmende Nahrungsmittelknappheit und gestiegene Lebensmittelpreise gesorgt hat, zeigte Bangladesch eine gewisse Resilienz. Zu Beginn 2020 erlebten ländliche Haushalte den Höhepunkt einer moderaten Ernährungsunsicherheit, doch bis zum Ende von 2021 hatte sich die Lage wieder stabilisiert und lag auf vor-pandemischem Niveau. Bangladesch bildet hingegen keine Ausnahme bei der Verschlechterung der Ernährungssicherheit im Zusammenhang mit dem Konflikt in der Ukraine. Um die Kosten für importierte Lebensmittel inmitten der Finanzkrise niedrig zu halten, hat die Regierung des Landes Importtarife und Mehrwertsteuern gesenkt und mehrere Initiativen ins Leben gerufen, um den heimischen Lebensmittelmarkt zu regulieren.

Zu großen Teilen hängt die Lebensmittel- und Ernährungssicherheit Bangladeschs von der heimischen Nahrungsmittelproduktion, von politischer Stabilität, dem Anlegen von Reserven auf behördlicher und privater Ebene sowie von der Versorgung und dem Handel von Lebensmitteln auf internationaler Ebene ab. Das Anwachsen der Bevölkerungszahl, die Abnahme der Bodenfruchtbarkeit, die wachsende Ausbeute natürlicher Ressourcen, Ernten, die von Schädlingen und Krankheiten befallen sind, politische Unruhen, Naturkatastrophen wie Überflutungen und Dürren – all das hat Auswirkungen auf unsere Ernährungssicherheit. Exportbeschränkungen der Lieferländer, Instabilität durch Pandemien oder Konflikte und der Anstieg der Lebensmittelpreise auf den internationalen Märkten führen zu einem verminderten Zugang zu Nahrungsmitteln im Land und führen zu Unsicherheiten hinsichtlich der Verfügbarkeit von Lebensmitteln.

Um verstehen zu können, wie Bangladesch die Ziele zu nachhaltigen Nahrungsmitteln und zur Ernährungssicherheit erreichen kann, müssen praktische Lösungen gefunden werden, die sowohl Herausforderungen des Binnenmarktes als auch der globalen Märkte sowie die des Klimawandels berücksichtigen. Die aktuelle Regierung hat bereits eine Reihe von Initiativen und Prozessen gestartet, die die Ernährungssicherheit Bangladeschs gewährleisten sollen. Die Pandemie und der Krieg jedoch erinnern uns daran, dass wir noch mehr kurz- und langfristige Maßnahmen ins Auge fassen und realisieren müssen, um so auf unvorhergesehene Umstände im Falle einer globalen Krise, eines Ausfalls der heimischen Produktion oder einer Naturkatastrophe reagieren zu können.

Der Ansatz der Selbstversorgung bei Grundnahrungsmitteln stellt eine machbare Lösung dar, um jede Lebensmittelkrise überstehen zu können. Daher ist eine weiterwachsende Investition in die Landwirtschaft essenziell, um unsere Abhängigkeit von Lebensmittelimporten zu reduzieren. Um die Verfügbarkeit von Lebensmitteln, die für die Ernährung notwendig sind, sicherzustellen, müssen sowohl die Regierung wie auch die Wirtschaft und die Bürger*innen ausreichend investieren. Die Regierung hat bereits damit begonnen, Pläne und Programme zum Einsatz modernerer landwirtschaftlicher Techniken und Technologien zu entwickeln. Präzisionslandwirtschaft muss als Mittel der Steigerung der Agrarproduktion untersucht werden. Das bedingt mehr Mittel für die Forschung sowie kostenfreie Beratungsleistungen für Farmer.

Auf Grund von einer gestiegenen Binnennachfrage und günstigen Marktpreisen hat sich in jüngster Zeit die Produktion von Ölsaaten gesteigert. Die Regierung sollte hier auf Vielfalt setzen, um die Ölsaatenproduktion weiter wachsen zu lassen. Um unsere starke Abhängigkeit von importiertem Speiseöl zu verringern, müssen wir mehr Reiskleie, Senf, Sesam, Kokosnüsse und Kokosöl lokal produzieren und unseren eigenen Speiseölmarkt aufbauen.

Die Händler in unserem Land ziehen ihren Vorteil aus der unsteten Verfügbarkeit und den Preisen auf dem globalen Markt, um Speisegetreide zur Steigerung ihrer Profite zu horten, wodurch der Markt instabil wird. Daher sollte die Regierung ihre Lagerkapazitäten verbessern, um die Marktkontrolle zu erlangen und die Ernährungssicherheit zu gewährleisten.

Nahezu 60% unserer weiblichen Arbeitnehmer sind in der heimischen Gemüseproduktion und der Bedarfslandwirtschaft bei der Geflügel- und Viehhaltung tätig. Die Frauen, die in der Landwirtschaft arbeiten, sollten eine intensive Weiterbildung zur Produktion von organischem Futter für Fische, Geflügel und Rinder erhalten. Sie sollten die Fähigkeit erlangen, Fische und Fleisch zu verarbeiten und Tierkrankheiten schnell zu erkennen sowie Zugang zu entsprechender Technologie sowie zu Niedrigzinskrediten bekommen. Um unserem nationalen Landwirtschafssektor zu helfen, sollten Frauen mehr Unterstützung seitens der Regierung und privater Investoren erhalten.

Wie bei vielen anderen Industriezweigen ist auch bei der Landwirtschaft in Bangladesch die Digitalisierung vorangeschritten. Dank ihrer können Farmer nun landwirtschaftliche Berater per Video-Call erreichen, um bei der Lösung von Problemen Hilfe zu erhalten. Um die Lebensmittelproduktion weiter voranzubringen, sollte der Nutzen der Digitalisierung weiter untersucht werden. Es ist wichtig, neue Strategien und Initiativen in Gang zu setzen, um die Bedarfslandwirtschaft zu verstärken und dabei die Bedürfnisse und Kapazitäten der Kleinbauern zu beachten. Bei diesen Bestrebungen könnten Unternehmer ermuntert werden, Dienstleister für die Landwirtschaft zu werden, indem sie Maschinen verleihen, landwirtschaftliche Ausrüstung teilen bzw. durch Modernisierung wirtschaftlicher machen. Kleinbauern und landwirtschaftliche Dienstleister können für den Verleih von preiswerter Ausrüstung durch die Entwicklung von Apps miteinander vernetzt werden. Das könnte unseren landwirtschaftlichen Ertrag steigern und die nächste Generation anregen, sich für innovative landwirtschaftliche Dienstleistungen einzusetzen.

Experten zufolge sichert ein wachsender Ertrag an Nahrungsmitteln nicht die Ernährungssicherheit ab. Die Reduzierung von Abfall und nachhaltige Konsumgewohnheiten sind für die Ernährungssicherheit gleichermaßen von Bedeutung. Ein nachhaltiges Konsumverhalten ist unabdingbar, da die Produktion von Lebensmitteln und das Konsumverhalten Auswirkungen auf die Umwelt und auf die verfügbaren Ressourcen haben. Die Lebensmittel- und Ernährungssicherheit kann verbessert werden, indem Bestimmungen zu nachhaltigem Lebensmittelkonsum basierend auf der gesellschaftlichen Praxis entwickelt und eingeführt werden.

Während ihres Besuchs in Indien bat Premierministerin Sheikh Hasina das Nachbarland um eine beständige Belieferung mit Reis, Weizen, Zucker, Zwiebeln, Ingwer und Knoblauch. Da die Waren des täglichen Bedarfs ein Fünftel aller importierten Güter ausmachen, ist es für die Regierung unabdingbar, Vereinbarungen mit Ländern wie Indonesien, Indien, Russland, Japan, den USA, Malaysia, Brasilien und den VAE zu treffen, um die Versorgung mit Waren des täglichen Bedarfs zu gewährleisten. Es kann möglich sein, eine zuverlässige Versorgung mit Nahrungsmitteln zu erreichen und Preise zu reduzieren, wenn mit den Ländern, die wichtige Waren exportieren, bilaterale Vereinbarungen getroffen werden können. Bangladesch muss sich nicht auf die recht teure heimische Zuckerproduktion konzentrieren, wenn eine Vereinbarung mit Russland über den Import von Zucker zu einem geringeren Preis getroffen werden kann.

Der Zugang für alle zu einer sicheren Ernährung hat für die Regierung der Awami-Liga Priorität. Deren Manifest und Programm für 2019 hatte klar Initiativen und Strategien im Blick, mit denen die Ernährungssicherheit für alle garantiert werden kann. Im Ergebnis dessen hat die Regierung Anstrengungen unternommen und zahlreiche Prozesse eingeführt, die sich auf die Verbesserung der sozialen Absicherung und auf die Landwirtschaft beziehen. Um den Bedarf der wachsenden Bevölkerung zu decken, den steigenden Lebensmittelpreisen auf dem Weltmarkt zu begegnen, oder sich weiteren Herausforderungen im Zusammenhang mit der Ernährungssicherheit zu stellen, müssen weitere Anstrengungen unternommen werden, um ein nachhaltiges System der Ernährungssicherheit zu etablieren. Diesbezüglich kann die Awami-Liga über Zusagen in ihrem künftigen Manifest und der Programmagenda für die 21. allgemeinen Wahlen nachdenken – der Entwicklung eines Marktes für landwirtschaftliche Dienstleister und von digitalen Anwendungen, um Kleinbauern mit den Dienstleistern zu vernetzen, um so die Möglichkeiten der Regierung zur Bevorratung mit Lebensmitteln zur Kontrolle des heimischen Marktes zu verbessern, dem Schließen von Abkommen mit Exportländern für eine zuverlässige Belieferung mit Waren des täglichen Bedarfs sowie der Erkundung von praktikablen Möglichkeiten.

Die Übersetzung aus dem Englischen wurde von Silvia Sander vom ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam erstellt. Wir suchen Freiwillige!


Erina Haque ist eine freischaffende Schriftstellerin und recherchiert zu Entwicklungen in Bangladesch, Themen zu China, Indien und Pakistan, Myanmars sowie zu Flüchtlingsangelegenheiten der Rohingya und Afghanistans.