Der Gedanke, dass es notwendig ist, sich gegen die Aggression eher unzivilisierter Völker zu verteidigen, die die eigene Welt bedrohen, ist in unserer Geschichte nicht neu.

Zum Beispiel musste sich Rom, nachdem es zahlreiche Gebiete erobert und besetzt hatte, vor Völkern schützen, die sich seiner Macht nicht unterwerfen wollten. So wurde die Vorstellung vom „Barbaren“ geboren. Der römische Mensch, zivilisiert und menschlich, war das eine, der barbarische Mensch, der fast als wildes, nicht-menschliches Tier angesehen wurde, etwas ganz anderes. Diese Ideologie war so stark, dass viele Historiker behaupten, der Untergang des Weströmischen Reiches sei durch die Barbaren und ihre Invasionen verursacht worden. Sie schrieben fast nichts über die innere Dynamik des Römischen Reiches, über die Implosion eines Systems, das mit all seinen Widersprüchen seinen Lauf genommen hatte – so wie es in der Geschichte allen Imperien erging, die, nachdem sie ihren Höhepunkt erreicht hatten, unaufhaltsam auf den Niedergang zusteuerten.

Heute wird dieses Narrativ wiederholt, und die Mehrheit der „westlichen“ Regierungen ist der Meinung, dass die NATO diese Rolle der Verteidigung und des Schutzes unserer Welt übernehmen kann und sollte. Wir stellen nicht in Frage, dass wir auf eine mögliche Aggression vorbereitet sein müssen, und ein Bündnis von Staaten, die wirklich eine auf eine unbewaffnete Konfliktlösung abzielende Verteidigungspolitik wollen, ist wünschenswert. Aber wir bezweifeln, dass die NATO die Organisation ist, die diese Funktion erfüllen kann.

Heute ist die im Wesentlichen von den USA kontrollierte NATO der bewaffnete Arm des Finanzkapitals, das nicht mehr in der Lage ist, nach den Spielregeln mit den sogenannten aufstrebenden Mächten zu konkurrieren, und keine andere Antwort auf seine Krise findet, als Krieg zu führen.

Und so wie das Römische Reich, das einen äußeren Feind brauchte, um inneren Zusammenhalt zu schaffen und seine ständigen Kriege zu rechtfertigen, den „Homo Barbaricus“ erfand, so spricht man heute von aggressiven und undemokratischen Ländern, „Schurkenstaaten“, die die Werte der westlichen Welt gefährden.

Das heißt nicht, dass die „Anderen“ gute Menschen und Vorbilder sind, was die Hunnen in jener fernen Zeit sicher auch nicht waren. Vielmehr bedeutet es, dass das System auf der ganzen Welt einheitlich ist, auch wenn es große Unterschiede in den Details gibt. Überall kontrollieren einige wenige Menschen das gesellschaftliche Ganze, die Produktionsmittel, die Medien und die Politik, und für ihre eigenen Interessen „benutzen“ sie die Menschen als Dinge, als Schachfiguren, indem sie sie gegeneinander aufhetzen.

Hier passiert das Gleiche wie in anderen Breitengraden: Den Menschen wird vorgegaukelt, dass sie in der besten aller möglichen Welten leben und dass ihre Welt von anderen Völkern bedroht wird, die sie wirtschaftlich, politisch und sogar militärisch angreifen wollen. Tatsächlich hat ein Mensch, der in Rom, Moskau oder New York lebt, keine wirkliche Macht, die Welt zu verändern, in der er lebt.

Die Menschheit ist überall auf der Welt gleich und der wahre Feind, der Antihumanismus, ist überall auf der Welt derselbe, auch wenn er sich mit unterschiedlichen Gesichtern zeigt.

Echte Veränderung wird beginnen, wenn verstanden wird, dass der Feind nicht der „Andere“ ist, sondern das System selbst, das den Menschen als ein zu benutzendes Objekt betrachtet, ein Rädchen in einem von einigen wenigen kontrollierten Produktionsprozess, eine biologische Maschine, die geboren wird, arbeitet und stirbt, ein Wesen ohne Freiheit und ohne geistigen Horizont.

In diesem Zusammenhang steht die NATO für den Obskurantismus, der diesen tiefgreifenden Wandel verhindert, diesen Weg zum Erwachen des Bewusstseins, zur Freiheit und zur Humanisierung des Lebens.

Wie Silo schon sagte, können Probleme und Widersprüche, sowohl persönliche als auch gesellschaftliche, nur gelöst werden, wenn man sie an ihrer eigentlichen Wurzel versteht und nicht nach falschen Lösungen sucht.

Übersetzung aus dem Italienischen von Domenica Ott vom ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam erstellt. Wir suchen Freiwillige!