Ist dir aufgefallen?

Ist dir aufgefallen, dass alle recht haben? Vielleicht denkst du, ich mache Witze? Vielleicht denkst du, ich will dich reinlegen, wenn ich sage, dass alle recht haben, und du wirst schon nervös, wenn du das hier liest? Du bist in Stellung! Du bist in der Position der Unbeirrbarkeit. Überraschung, Überraschung! Ich schreibe dies nicht, um dich hinters Licht zu führen.

Allerdings – auch wenn ich dir gezeigt habe, wie ich nicht versuche, dich auszutricksen, könntest du trotzdem das Gefühl kriegen, ausgetrickst worden zu sein. Wenn das aber der Fall ist, beschwindelst du dich nur selbst. Wenn du also weiterlesen willst, dann tu das mit Vorsicht. Oder lies nicht mit Vorsicht weiter. Oder lies nicht weiter, aber bleibe vorsichtig. Wie auch immer, es bleibt dir überlassen, ob du der Tatsache zustimmst oder nicht, dass alle immer recht haben und dass ich auf keinen Fall versuche, dich auszutricksen.

Frag deine Nachbarn

Klopfe mal an die Türen der ganzen Nachbarschaft in deinem Viertel, in deinem Wohnblock oder wo auch immer du wohnst. Wenn ein Nachbar, eine Nachbarin die Tür öffnet, stell ihm oder ihr Fragen. Frag sie nach ihrer Meinung zu jedem Thema, das dich interessiert. Politik, Musik, Kunst, Wissenschaft, Klatsch und Tratsch aus der Nachbarschaft, Fernsehsendungen, worüber auch immer du sie ausfragen möchtest. Wenn du darauf achtest, die Fragen freundlich zu stellen, und ihnen versicherst, dass du sie nicht ertappen oder lächerlich machen willst, wirst du feststellen, dass sie zu absolut allem eine Meinung, einen Standpunkt oder eine Philosophie haben. Du wirst auch feststellen, dass sie immer recht haben. Ja, wirklich, immer recht. Selbst wenn jemand etwas sagt wie: „Aber ich könnte mit dem letzten Teil falsch liegen …“, auch dann, wirst du sehen, haben sie immer noch genauso recht.

Verstehst du, worauf ich hinaus will? Selbst bei einem Thema wie, sagen wir, dem Unbekannten, wirst du sehen, dass die Leute eine ganze Reihe von Ideen und Meinungen dazu haben, wenn sie sich bei dir entspannt und nicht eingeschüchtert fühlen. Nochmals: Ich will dich nicht austricksen. Versuchs doch einfach mal in irgendeiner Form. Der Gedanke daran, etwas zu tun, und der Akt, etwas tatsächlich zu tun, liegen in zwei völlig unterschiedlichen Gebieten. Du musst das wirklich ausprobieren, um zu wissen, ob es wahr ist oder nicht. Und denk daran, dass der Erfolg dieses Experiments davon abhängt, wie wohl und sicher deine Nachbar:innen sich mit dir fühlen, wenn du ihnen deine Fragen zu allem und jedem stellst.

Die Ausnahme

Es gibt eine Ausnahme von der Regel, dass alle immer recht haben. Diese Ausnahme bin ich. Ja, das ist richtig, nur ich. Durch eine wundersame Fügung, die ich dir hier nicht erklären kann, ist es mir gelungen, das scheinbar unumgängliche Problem, immer recht zu haben, zu umgehen. Ich habe versucht, meine Schritte über die Jahre zurückzuverfolgen, um eine Art Muster, eine logische Erklärung dafür zu finden, wie ich das geschafft habe, aber das ist mir leider nicht gelungen.

Weisst du, irgendwie habe ich durch eine äußerst glückliche Kombination von bisher unsichtbaren Faktoren eine, wie ich es nenne, „objektive Subjektivität“ erlangt, die, soweit ich weiß, niemand sonst erreicht hat. Mir ist klar, dass das, was du jetzt liest, wahrscheinlich wie der Gipfel der Hybris und/oder der Abgrund des Irrsinns klingt. Ich versichere dir aber, dass ich die Matrix des Immer-Rechthabens irgendwie durchbrochen habe. Ich habe das tatsächliche Unrechthaben erreicht. Diese Fähigkeit, dieses Geschenk/dieser Fluch des Universums hat mich zum einzig geeigneten Richter über alles, was es zu beurteilen gibt, gemacht, weil ich allein die speziesweite mentale Tendenz, immer recht zu haben, überwunden habe.

Ich könnte das immer weiter ausführen, aber ehrlich gesagt würde ich damit nur im Dunkeln herumstochern. Es ist so, wie es ist. Für mich sind die Dinge einfach so.

Allein durch Gnade

An diejenigen unter euch, die es bis hierher geschafft haben, diejenigen, die ihre Widerstände überwunden haben und diese Wahrheit sehen – ich sage euch, ich spüre, dass ihr bereits anfangt zu streben, euch etwas vorzustellen und etwas zu beabsichtigen. Das sind gesunde Impulse, aber es ist besser, wenn ihr sie so schnell wie möglich wieder fallen lasst. Wohlgemerkt, ich sage nicht, dass ihr es nicht in euch habt, unrecht zu haben. Ich sage nur, dass das Unrechthaben nur durch Gnade allein erreicht werden kann. Du kannst es nicht mit Willen erreichen. Du kannst das Universum nicht darum bitten, es dir zu schenken. Das Unrechthaben wird entweder in dir auftauchen oder es wird nicht auftauchen. Offen gesagt kannst du so oder so nichts dafür tun.

Abschließend möchte ich sagen:

c’est la vie! Wenn du eine objektiv subjektive Meinung zu etwas brauchst, scheue dich nicht, mir eine E-Mail zu schicken.

Übersetzung aus dem Englischen von Domenica Ott vom ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam erstellt. Wir suchen Freiwillige!