Die christlichen Kirchen befinden sich zweifelsohne seit geraumer Zeit in einer Krise. Schlagzeilen über sexuelle Übergriffe, Korruption und/oder Machtmissbrauch scheinen nicht enden zu wollen. Das Gleiche mag für die parallel dazu gerade im 21. Jahrhundert nicht immer nachvollziehbaren, internen Streitigkeiten über vielleicht von Beginn an falsch interpretierte Kernpunkte der christlichen Lehre gelten. Wer könnte angesichts dieses Versagens nicht dazu geneigt sein, die Institution Kirche zu hinterfragen? Sich vielleicht nicht nur als Opfer gar völlig davon loslösen zu wollen?

Auch wenn diese Punkte berechtigt angeprangert und mit diesem Artikel nicht heruntergespielt werden sollen, denn die Kirche braucht Veränderung, will ich heute an ein anderes, oft vergessenes Gesicht dieser Institution zeigen. Ich will Andrea Speranza meine Stimme leihen, die eben genau dieser so in der Kritik stehenden Institution angehört und deren wertvolle Arbeit als Aktivistin für CAFOD (Catholic Agency for Overseas Development) jedoch ebenso wie das Engagement vieler anderer neben diesen negativen Schlagzeilen vollends unterzugehen droht.

Was genau ist und macht CAFOD?

„CAFOD ist eine internationale Wohltätigkeitsorganisation und die offizielle Hilfsorganisation der katholischen Kirche in England und Wales. Wir sind in über 35 Ländern aktiv und unterstützen lokale Partnerprojekte, die beispielsweise Armut in Lateinamerika bekämpfen, Klimaziele in Nigeria umzusetzen oder unter anderem Frauenrechte im Kongo stärken. Im Grunde geht es darum, basierend auf christlichen Werten wie Nächstenliebe, Toleranz oder religionsübergreifender sozialer Verantwortung und ohne Missionsauftrag benachteiligten Menschen in Not zu helfen oder diesen zu ermöglichen, sich selbst zu helfen. Darüber hinaus engagiert sich CAFOD auf verschiedenste Art und Weise in Großbritannien, um Strukturen zu brechen, die soziale Ungerechtigkeit und Armut auf nationaler und internationaler Ebene aufrechterhalten. Es ist erstaunlich, wie weit weg gerade BürgerINNEN westlicher Länder oftmals mehr als bedenkliche Auswirkungen von wirtschaftspolitischen Verflechtungen auf sogenannte Drittweltländer verbannen können.“

Das klingt auf jeden Fall sehr spannend. Ein aktuelles Projekt von CAFOD ist die Fix the food system Campaign. Warum muss das jetzige Ernährungssystem das überhaupt?

„Wenn man bedenkt, dass es auf diesem Planeten mehr als genug Nahrung gibt, jedoch jeden Tag 811 Millionen Menschen hungrig zu Bett gehen und paradoxerweise jedes Jahr gut ein Drittel der weltweit produzierten Nahrung nicht verwertet oder weggeworfen wird, macht das nachdenklich, oder? Zusätzlich dazu ist das jetzige Ernährungssystem für gut ein Drittel des globalen Treibhausgasausstoßes zuständig. Das zeigt sehr deutlich, dass die Art und Weise wie wir als Weltgemeinschaft Nahrung anbauen, verarbeiten, transportieren und konsumieren nicht funktioniert.“

Welche weiteren Folgen zieht das mit sich?

„Umweltschädliche Spritzmittel und übermäßige Abholzung zur Gewinnung neuer landwirtschaftlicher Flächen für Exportprodukte haben schwerwiegende Auswirkungen auf die lokale Bevölkerung und die Klimakrise. Beispielsweise werden Wälder abgeholzt oder -gebrannt um riesige Flächen zum Anbau von Exportprodukten zu schaffen anstelle die Bedürfnisse der Einheimischen zu berücksichtigen. In vielen Fällen führt das unter anderem auch zur Umsiedelung der indigenen Bevölkerung.

In gleicher Weise begünstigt unser Ernährungssystem ein Machtungleichgewicht zwischen einigen einflussreichen multinationalen Agrarkonzerne und lokalen Gemeinden. Letztere sind oftmals abhängig von Agrarmonopolisten und haben kaum die Möglichkeit selbst über den Aussaatszeitpunkt, die Bebauungsweise oder beispielsweise die Auswahl der Produkte zu bestimmen. Dennoch sind diese Kleinbauern für einen nicht unbeachtlichen Anteil der produzierten Nahrungsmenge verantwortlich.

Darüber hinaus erweist sich dieses System als nicht resilient genug. Die derzeitige Nahrungskrise, die aufgrund des Ukrainekriegs verstärkt wird, ist die dritte in den letzten 15 Jahren und veranschaulicht deutlich, wie anfällig es für externe Schocks ist.“

Wie genau geht CAFOD´s Fix the food system Campaign dagegen vor?

„In der ersten Phase der Kampagne beabsichtigen wir Bewusstsein über die Aspekte des Ernährungssystems zu schaffen, welche nicht funktionieren und so Alternativen zu unterstützen, die es der lokalen Bevölkerung im Globalen Süden ermöglich, ihren Lebensunterhalt zu kontrollieren. Einige von CAFODs Partnern, welche diese Ideen bereits umsetzen, erzielen positive Ergebnisse.

Hierzu hat CAFOD eine Anleitung, die sog. A Seven Station Journey, erstellt, welche auf unserer Internetwebsite heruntergeladen und von Gemeinden genutzt werden kann. Leser können anhand der Anleitung gemeinsam verschiedene Stationen bearbeiten, die alle verschiedenen Aspekte behandeln. Darüber hinaus haben wir im Zuge der Kampagne eine Onlineaktion gestartet, die den britischen Außenminister dazu aufruft, seine während des COP26 Treffens versprochenen Zusagen einzuhalten und landwirtschaftliche Systeme zu fördern, die gut für Mensch und Planet sind. Britische Staatsbürger können diese Kampagne unterstützen, indem sie auf der Seite cafod.org.uk/fixfood eine E-Mail an den Außenminister senden.

Die Art und Weise, wie die Welt die globale Nahrungsversorgung organisiert, ist etwas, das alle angeht. Das derzeitige Ernährungssystem so zu transformieren, dass es jeden berücksichtigt – auch die nächsten Generationen – mag nach einer überwältigenden oder gar unmöglichen Aufgabe klingen. Dennoch sollten wir nicht die Macht vieler kleiner Handlungen unterschätzen und immer die Worte von Papst Franziskus bedenken: „Jeder von uns hat eine Rolle bei der Transformierung unseres Ernährungssystems zum Wohle aller und des Planeten zu spielen.“