Noch bis letztes Jahr exportierten zehn EU-Staaten Kriegsmaterial nach Russland. Trotz des Verbots seit der Krim-Annexion.

Pascal Sigg für die Online-Zeitung INFOsperber

Raketen, Flugzeuge, Bomben: Kriegsmaterial im Wert von total 346 Millionen Euro exportierten zehn EU-Mitgliedsstaaten von 2015 bis 2021 nach Russland. Zu diesem Schluss kommt das Recherchekollektiv Investigate Europe, welches Daten von der Working Party of the Council on Conventional Arms Exports (COARM) analysiert hat. Die Länder, die in unterschiedlichem Ausmass mit Russlands Armee handelten, sind Frankreich, Deutschland, Italien, Österreich, Bulgarien, Tschechien, Kroatien, Slowakei, Finnland und Spanien.

Am 31. Juli 2014, als Reaktion auf die russische Annexion der Krim, verbot sich die EU selbst die Ausfuhr von Kriegsmaterial nach Russland: «The direct or indirect sale, supply, transfer or export of arms and related materiel of all types, including weapons and ammunition, military vehicles and equipment, paramilitary equipment, and spare parts therefore, to Russia by nationals of Member States or from the territories of Member States or using their flag vessels or aircraft, shall be prohibited whether originating or not in their territories.» Dass die russische Armee seither trotzdem ausgerüstet wurde, dürfte an einem Schlupfloch liegen. Das Embargo schloss nämlich Handelsverträge, die vor dem 1. August 2014 abgeschlossen wurden, aus.

Die grössten Exporteure waren Frankreich und Deutschland. Die Investigativ-NGO Disclose zeigte bereits: Frankreich lieferte über 40 Prozent des europäischen Materials nach 2014, insbesondere Raketen, Bomben und Wärmebildkameras für russische Panzer. Russland kaufte diese den Rüstungsunternehmen Safran und Thales ab, deren Hauptaktionär der französische Staat ist. Aus Deutschland kam 35 Prozent des Materials. Es handelte sich dabei hauptsächlich um Eisbrecher, aber auch Gewehre und Spezialschutz-Fahrzeuge. Weil die deutschen Exporte nicht explizit zur Kriegsnutzung gekennzeichnet waren, werden sie auch von Friedens-NGOs nicht als gegen das Embargo verstossend betrachtet.

Frankreich und Deutschland exportierten Material im Wert von je über 100 Millionen Euro nach Russland. © Investigate Europe

Investigate Europe listet weitere Waffenlieferungen anderer Länder auf. Und weist zum Schluss noch darauf hin, dass Russland auch der zweitgrösste Importeur von Kriegsmaterial aus der Ukraine gewesen sei.