Der Bundesstaat Putumayo im Südosten Kolumbiens ist in der Geschichte immer wieder zur Zielscheibe krimineller Gruppen, Geschäften des Drogenhandels und der Ressourcenausbeutung geworden. Darunter leidet die Bevölkerung schon seit Jahrzehnten. Aktuell erlebt die Region ein erneutes Aufflammen kriegsähnlicher Zustände. Die rohe Gewalt versetzt die Bewohner*innen und Menschenrechtsorganisationen in Sorge.

Die schwierige Situation wird durch die Krise infolge der restriktiven Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie verschärft. Insgesamt sind in Putumayo 648 Personen gestorben, über 15.700 Personen haben sich angesteckt. Dagegen sind im gesamten Bundesstaat, in dem 350.000 Einwohner*innen leben, erst 60.000 Menschen vollständig geimpft.

Paramilitärs schützen Erdölkonzerne

Die Gemeinden und gemeinnützigen Organisationen mit Sitz in Putumayo weisen auf die zunehmende Gewalt in der Region hin, für die es keinen Ausweg zu geben scheint, solange nicht umfassende Maßnahmen ergriffen werden. Hinter der Gewalt stehen die Interessen der Erdölunternehmen, die Handelsrouten des Drogenhandels, die Kontrolle über den Koka-Anbau und die zunehmende Militarisierung, die vor allem Unternehmensinteressen dient.

Wegen des Einsatzes von Gewalt, der den Interessen der Erdölunternehmen in der Region dient, sind bereits zahlreiche Klagen erhoben worden. Gleichzeitig versuchen einige Initiativen, die sozialen und ökologischen Schäden, die die Erdölindustrie verursacht hat, abzuschwächen.

Auslaufendes Erdöl in Putumayo / Foto: contagio radio

Verschiedene Organisationen, darunter die kleinbäuerliche Schutzzone Perla Amazónica, die Umweltorganisation ADISPA und Menschenrechtsorganisationen wie die Kommission für Gerechtigkeit und Frieden haben Unternehmen wie Amerisur bereits angeklagt. Sie kritisieren unter anderem, dass die Unternehmen die Anwesenheit des Militärs und der paramilitärischen Gruppen wie den sogenannten Grenzkommandos nutzen, um ihre territoriale Kontrolle auszuweiten. Dies sorgt für Einschüchterungen und Vertreibungen lokaler kleinbäuerlicher und indigener Gemeinden.

Die Verbindung zwischen dem Unternehmen Amerisur und dem Paramilitarismus zeigte sich bereits im vergangenen Februar, als sich herausstellte, dass das „Grenzkommando“ in mehreren Landkreisen, unter anderem in Orito, Präsenz zeigte und Patrouillen und Kontrollen durchführte. Die paramilitärische Gruppe präsentierte sich sogar selbst in einem Video, in dem sie versicherte, dass sie mit den Gebietskontrollen fortfahren werde, um den Schutz der Erdölfirma zu gewährleisten.

Die gleiche Gruppe führt gleichzeitig Maßnahmen zur sozialen Kontrolle der Bevölkerung aus. Sie verbieten den kleinbäuerlichen und indigenen Gemeinden, darüber zu sprechen, was in der Region passiert und bedrohen jene mit dem Tod, die es vorhaben. Diese Situation wird durch den Kampf um die Kontrolle der Routen des Drogenhandels zusätzlich verschärft, den dissidente Gruppen der Frente 48 der ehemaligen Guerilla-Einheit FARC und Gruppen um den ehemaligen FARC-Führer Gentil Duarte ausfechten.

Todesdrohungen und Ermordungen von sozialen Aktivist*innen

Ein weiteres Beispiel, das die Brisanz der Probleme in Putumayo zeigt, ist der Fall der Menschenrechtsaktivistin und kleinbäuerlichen Anführerin Janny Silva. Im Juli wurde zum dritten Mal ein Plan aufgedeckt, der die Ermordung der Aktivistin zum Ziel hat. Daraufhin musste sie erneut mit ihrer Familie die Region verlassen, um ihr Leben zu schützen.

Schon drei Mal planten bewaffnete Gruppen Janny Silva, Menschenrechtsaktivistin und Bäuerin, zu ermorden / Foto: contagio radio

Janny setzte sich als Anführerin der Organisation ADISPA für Projekte ein, mit denen der Anbau illegaler Anpflanzungen (u.a. Koka) durch andere kleinbäuerliche Produkte ersetzt werden soll. Diese Projekte sind derzeit durch die Präsenz und Kontrollausübung paramilitärischer Akteure und die zunehmende Militarisierung massiv bedroht. Auch wenn in Putumayo aktuell keine massiven Vertreibungen registriert werden, gibt es Nachweise dafür, dass die kleinbäuerlichen und indigenen Gemeinden nicht frei über ihr Territorium entscheiden können, um etwa nachhaltige Landwirtschaftsprojekte im Einklang mit der Natur umzusetzen.

Laut der Menschenrechtsorganisation INDEPAZ wurden allein im Jahr 2021 bereits neun soziale Anführer*innen und Personen im Prozess der Wiedereingliederung im Bundesstaat Putumayo umgebracht. Der letzte war Miguel Muchavisoy, Autorität der indigenen Nasa, aus dem Dorf Sibundoy.

Die Militarisierung der Region macht Sicherheitsgarantien unmöglich

Regelrecht paradox ist die Tatsache, dass die zunehmende Kriminalität vor dem Hintergrund starker Militärpräsenz auftritt. In der Region ist unter anderem ein Bataillon der sechsten Division der kolumbianischen Armee stationiert, die Brigade 12 und weitere Bataillons der Infanterie und der Flotte.

Jedoch sieht man trotz der Militärpräsenz keinerlei Ergebnisse im Hinblick auf eine Bekämpfung oder Abrüstung der paramilitärischen Strukturen in der Region, die dem Schutz der Rechte der Bevölkerung zugute käme. Im Gegenteil: Die Maßnahmen zur gewaltsamen Vernichtung von Koka-Pflanzen richten sich direkt gegen die Kleinbäuer*innen.

Mehrere Organisationen, darunter die Komission für Gerechtigkeit und Frieden, haben wiederholt auf die Rechte hingewiesen, die die Gemeinden haben, um über ihre Territorien zu entscheiden und dort in Frieden zu leben. Jedoch wurden viele solcher Initiativen durch die Aktionen der bewaffneten Akteure gewaltsam unterbunden.

Übersetzung: Birgit Hoinle

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