Die Geschichte der Corona-Politik ist eine lange Liste der verpassten Chancen – Vitamin D, HCQ, Ivermectin, Schnelltests…

Werner Vontobel  für die Online-Zeitung INFOsperber

Der «Tages-Anzeiger» beginnt seine Aufarbeitung der Geschichte am 6. August 2020. Damals habe die «BAG-Arbeitsgruppe Strategie» Bundesrat Alain Berset davor gewarnt, Grossveranstaltungen wieder zu erlauben. Dieser habe die Warnung ignoriert. «In der Konsequenz starben deshalb mehr Leute», kommentierte der TA.

Meine Aufarbeitung beginnt im Jahre 2012. Damals hat ein Rapport zuhanden der Eidgenössischen Kommission Ernährung festgestellt, dass etwa die Hälfte der Schweizer einen Vitamin-D-Spiegel von weniger als 20 ng/mL aufweist und dass weniger als 24 ng/mL zu einer erhöhten Mortalität führen. Deshalb hat die Kommission eine generelle Supplementierung täglich 800 iU (für 2.45 Franken pro Monat) für gesunde Erwachsene bzw. von 1500 bis 2000 iU für die Risikogruppen (Alter, Übergewicht, hoher Blutdruck etc.) empfohlen.

Vitamin-D-Mangel beheben

Als im Februar 2020 Corona auch hier zum Thema wurde, gab es sofort Stimmen, die an den Zusammenhang von Immunschwäche und Vitamin-D-Mangel bei den Risikogruppen erinnerten. Im September veröffentlichte die Schweizerische Gesellschaft für Ernährung SGE ein White-Paper, indem mit Verweis auf 91 einschlägige Studien eine Corona-Vorbeugung mit den Vitaminen D und C, Selen, Zink und Omega 3 empfohlen wurde. «Blick» berichtete. Vertreter der Covid-Taskforce «zerrissen» das White-Paper. Die SGE zog es reumütig zurück und löschte es von ihrer Homepage.

Inzwischen belegen 49 klinische Studien, dass Vitamin D gegen Covid wirkt. Im frühen Stadium beträgt die durchschnittliche Erfolgsquote 90 Prozent gegenüber der Standardbehandlung.  Ein Vertreter der Taskforce meint dazu, dass alle diese Studien unseriös seien. In der Tat ist die bisher grösste Studie mit 930 Patienten vor kurzem wegen methodischen Mängeln (einstweilig) zurückgezogen worden. Dabei handelt es sich um die Kopie einer kleineren Studie, in der 50 Patienten in einem fortgeschrittenen Stadium der Krankheit mit hohen Dosen von Calcifediol (eine schnell verfügbare Form von Vitamin D) behandelt wurden. Von den 50 behandelten  Patienten musste nur einer auf die Intensivstation verlegt werden und niemand starb. In der Kontrollgruppe mussten 13 von 26 auf der Intensivstation behandelt werden und zwei starben.

In der nun zurückgezogenen Studie sollte dieses Ergebnis überprüft werden. Dabei ergab sich ein Problem: Wie bringe ich bei dieser Ausgangslage einen Patienten dazu, die Intensivstation und den Tod zu riskieren? Das übliche Randomisierungsverfahren mit Losentscheid kam aus ethischen Gründen nicht in Frage.

Die Forscher behalfen sich damit, den Vergleich mit einer Gruppe aus anderen Spitälern zu machen, mit der Folge, dass die beiden Gruppen nicht so gut vergleichbar sind, wie bei einem «ordentlichen» Menschenversuch. Diese Mängel haben nun dazu geführt, dass die Studie überprüft werden muss – und dass das BAG weiterhin behaupten kann, die Wirkung von Vitamin D sei nicht bewiesen. (Nebenwirkungen von Calcifediol gab es übrigens in keiner der beiden Studien.)

Nutzen auch für Krebspatienten

Eine brandneue Studie belegt eine der vielen positiven Nebenwirkungen von Vitamin D3. Danach verhindert die Einnahme von täglich 1000 iU Vitamin D (zu 25 Euro pro Jahr) bei den 36 Millionen über 50jährigen Deutschen jährlich gut 30’000 Krebstote (Reduktion um 13 Prozent). Damit können laut Studie mit Kosten von 900 Millionen Euro (für Vitamin D) 1,54 Milliarden Euro Gesundheitskosten eingespart werden. Zum Vergleich: Ein PCR-Test kostet weit über 100 Euro.

HCQ bei ersten Symptomen

Das war die erste verpasste Chance. Die zweite betrifft die Therapien auf der Basis von Hydroxychloroquin HCQ (meist kombiniert mit Zink) im Frühstadium der Krankheit. Die Chinesen haben HCQ schon im Januar 2020 eingesetzt, Indien folgte kurz danach. Im April gab der Hersteller Sanofi 100 Millionen Dosen dieses «gut verträglichen und effizienten Covid-19-Mittels» gratis an 50 Entwicklungsländer ab. In den Industrieländern hingegen war HCQ aus zwei Gründen chancenlos. Erstens weil die Gesundheitsbehörden – bei uns das BAG – von Beginn an dekretierten, dass es gegen Covid «kein spezifisches Mittel» gebe. Mit der Folge, dass Covid-19 erst im Spital behandelt wurde, und somit in einer Phase, in der nur noch wenige Covid-Patienten auf antivirale Mittel wie HCQ ansprechen.

Zweitens: In diversen klinischen Studien und vor allem in der von der WHO gesponserten grossen Recovery-Studie, wurden den Patienten in den ersten drei Tagen insgesamt 4 Gramm statt den bewährten 1,8 Gramm Hydroxychloroquin (HCQ) verabreicht.  Dies obwohl man eigentlich wissen musste, dass so hohe Dosen kontraproduktiv sind. Siehe diesen Text im «New England Journal of Medicine». Seither «weiss man», dass Therapien mit HCQ «nichts bringen».

Doch wenn man HCQ in einem frühen Stadium der Krankheit richtig dosiert, ist es durchaus hilfreich. Dazu liegen inzwischen 26 klinische Studien vor, die eine durchschnittliche Erfolgsquote (Reduktion der Sterblichkeit bzw. Spitaleinweisung) um 66 Prozent (12 bis 96 Prozent) zeigen. Dies bei Medikamentenkosten von etwa 5 Franken pro Behandlung. Das auf Infektionskrankheiten spezialisierte Uni-Spital in Marseille hat diese Methode laufend verfeinert und weist bei inzwischen über 13’000 Patienten eine Fall-Sterberate von nur 0,12 Promille aus (siehe hier).

Auch die dritte Chance wurde kläglich verschlafen. Schon im Februar 2020 hat das US-Start-Up E25Bio einen Spuck-Test entwickelt, mit dem man – zuhause oder am Arbeitsplatz – innert 15 Minuten feststellen kann, ob jemand genügend Corona-Viren hat, um ansteckend zu sein. Mit einer Massenproduktion hätte man die Kosten pro Test wohl schnell unter 2 Dollar drücken können. Damit hätte man mit wenig Geld alle Ansteckenden punktgenau aus dem Verkehr ziehen können. Doch bis vor kurzem hielten die Gesundheitsbehörden an dem viel teureren PCR-Test fest, mit dem man die Ansteckungsgefahr erst erkennt, wenn sie häufig schon vorbei ist.

RKI: «Ivermectin ist potenziell wirksam»

Jetzt geht es darum, wenigstens noch die vierte Chance zu packen. Es handelt sich um das Antiparasiten-Mittel Ivermectin, das in allen Stadien der Krankheit wirkt. Das zeigen inzwischen 41 klinische Studien (hier) mit Erfolgsquoten von 89 Prozent in der Vorbeugung, 83 Prozent bei einer frühzeitigen Behandlung und 67 Prozent bei bereits hospitalisierten Patienten. Die Dosierungen schwanken zwischen 12 und 56 mg pro Behandlung. Der Lernprozess scheint somit noch nicht abgeschlossen zu sein. Es liegt vermutlich noch mehr drin.

Inzwischen sind auch viele Anhänger von HCQ der Meinung, dass Ivermectin in jeder Phase von Covid das Mittel der Wahl ist. In vielen Ländern der 3. Welt sowie in der Slowakei ist Ivermectin bereits zugelassen. In der Schweiz hat sich Professor Paul Vogt vom Universitätsspital Zürich für ein Behandlungsprotokoll stark gemacht, das sich am Modell des Marseiller Professors Didier Raoult orientiert, zusätzlich aber auch Ivermectin und Vitamin D einsetzt. Bereits im Dezember hat er den Bundesrat aufgefordert, eine Notfallzulassung für diesen Medikamentencocktail zu erwirken und die bürokratischen Hürden schnell zu überwinden. Dabei verwies er nicht nur auf die damals schon klare Studienlage, sondern auch auf seine eigene positive Erfahrung.

Die Botschaft ist beim BAG offenbar nicht angekommen. Auf eine Nachfrage von Infosperber im Januar verwies das BAG lapidar auf die «zuständigen Fachgesellschaften». Auf der Homepage des BAG findet man weiterhin kein Wort zu Ivermectin.  In Deutschland hat das Robert Koch-Institut RKI Ivermectin inzwischen immerhin zur Kenntnis genommen.  Seit Anfang Februar wird es in der Gruppe der «potentiell wirksamen Substanzen ohne nachgewiesenen Nutzen bei der Behandlung von Covid-19» aufgeführt, und ist für klinische Studien zugelassen. Das RKI zitiert ein rundes Dutzend klinische Studien mit allesamt sehr positiven Ergebnissen. Mit dem Verweis auf «zahlreiche methodische Limitationen» fällt Ivermectin dennoch unter die Rubrik «ohne nachgewiesenen Nutzen».

Teures Remdesivir

Das einzige Mittel, das laut RKI in der Frühphase wirkt, ist Remdesivir (Handelsname Verklury), das aber erstens erst bei Sauerstoffnot injiziert werden darf, das zweitens die Leber belastet und deshalb nur stationär gegeben werden darf, drittens pro 5-tägige Behandlung 2400 Franken kostet und viertens – immer laut RKI – keinen Einfluss auf die Mortalität hat. Dasselbe hat Mitte Oktober auch schon die WHO festgestellt.

Die Schweizer Zulassungsbehörde Swissmedic hat Remdesivir zugelassen «zur Behandlung der Coronavirus-Krankheit (COVID-19) bei Erwachsenen und Jugendlichen ab 12 Jahren, die an einer Sars-Cov-2-bedingten Lungenentzündung leiden und zusätzlich Sauerstoff benötigen».

Konsultiert man hingegen die zuständigen Fachgesellschaft, die Schweizerischen Gesellschaft für Infektiologie (SSI), erfährt man dort, dass Remdesivir selbst bei einer 10-tägigen Anwendung keinen Nutzen gezeigt habe.

Offensichtlich legen unsere Gesundheitsbehörden punkto «nachgewiesenen Nutzen» sehr selektive Massstäbe an. Mit der Folge, dass wir auch diese vierte Chance verpassen.

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