Professor*innen der Universitäten Sussex, Princeton, Carleton und Exeter haben ein Schreiben veröffentlicht, zu dessen Unterzeichnung sie aufrufen.

Solidaritätsschreiben mit der Westsahara

Als Wissenschaftler*innen, Forscher*innen, Aktivist*innen und Einzelpersonen verurteilen wir, die Unterzeichnenden, aufs Schärfste die Proklamation von Donald Trump, die die marokkanische Souveränität über die Westsahara anerkennt.

Die Westsahara ist ein Fall von nicht abgeschlossener Dekolonisation.

Dekolonisierung ist nicht nur ein rechtlicher Prozess, sondern ein politischer Kampf, der oft durch die globale Öffentlichkeit geführt wurde. Die Weltöffentlichkeit, transnationale Solidarität und globale Aufmerksamkeit waren historisch gesehen integraler Bestandteil erfolgreicher Dekolonisierungskämpfe, von Algerien bis Palästina. Den antikolonialen Kämpfen in der Westsahara hat es an internationaler Sichtbarkeit gefehlt, was durch Solidaritätsarbeit ausgeglichen werden kann.

Solidarität mit dem saharauischen Selbstbestimmungsanliegen erfordert die Zusammenarbeit mit bestehenden Menschenrechts- und Aktivist*innengruppen (Equipe Media, Western Sahara Resource Watch), um die Sichtbarkeit dieses Kampfes zu erhöhen und das Bewusstsein für seinen Einsatz zu fördern.

Wir solidarisieren uns mit dem Recht des saharauischen Volkes auf Selbstbestimmung und fordern daher Folgendes:

  1. Trumps Proklamation, die die marokkanische Souveränität über die Westsahara anerkennt, muss rückgängig gemacht werden. Trump hat die marokkanischen Ansprüche auf die Westsahara als Gegenleistung für die Normalisierung der diplomatischen Beziehungen Marokkos zu Israel anerkannt. Gleichzeitig verhandelten die USA über den Verkauf von Flugdrohnen an Marokko und setzten damit ein langjähriges System der militärischen Unterstützung der USA für destabilisierende, kolonisierende Regime in der Region fort. Das Quid pro quo macht den miteinander verbundenen Kolonialismus Israels in Palästina und Marokkos in der Westsahara deutlich – und ihre Verbindung zum US-Imperialismus. Bei der Dekolonisierung der Westsahara geht es nicht nur um die Einhaltung von UN-Normen für Selbstbestimmung und gegen Fremdherrschaft. Es geht auch darum, die Kolonial- und Besatzungsmächte zu bremsen, die Afrika und den Nahen Osten seit langem destabilisiert haben.

Die Westsahara, eine ehemalige spanische Kolonie, ist nach wie vor ein nicht selbstverwaltetes Territorium, seit Marokko 1975 in einen Großteil des Gebietes einmarschierte und es annektierte. Die marokkanische Invasion unterbrach das UN-sanktionierte Recht auf Dekolonisierung durch Selbstbestimmung.

Das Selbstbestimmungsrecht der Sahrauis wurde vom Internationalen Gerichtshof, vom Europäischen Gerichtshof, von der Afrikanischen Union (AU), von der UN-Generalversammlung und vom UN-Sicherheitsrat anerkannt.

Die Anerkennung der Annexion der Westsahara durch Marokko durch die USA ist beispiellos und unterstützt die koloniale Besatzung und muss daher zurückgenommen werden.

  1. Die Bedingungen eines UN- oder AU-vermittelten Friedensprozesses müssen neu verhandelt und wieder aufgenommen werden. Seit dem 13. November 2020 befindet sich die Westsahara im Krieg. Im Jahr 2016 brach Marokko die Bedingungen eines von der UN vermittelten Waffenstillstands mit der Polisario-Front von 1991, indem es ohne Zustimmung der Sahrauis eine Straße durch Guerguerat (ein Gebiet unter der Kontrolle der Polisario-Front) baute. Als Marokko im November 2020 friedliche saharauische Demonstrant*innen gewaltsam daran hinderte, den kommerziellen Transit über diese Straße zu blockieren, die gegen die Bedingungen des Waffenstillstands verstößt, kündigte die saharauische Volksbefreiungsarmee (SPLA) die Wiederaufnahme ihres bewaffneten Kampfes an. Dieser neunundzwanzig Jahre andauernde Friedensprozess war jedoch schon lange vor seinem kürzlichen Ende ins Stocken geraten. Das lag vor allem daran, dass Marokko die wiederholten Bemühungen um ein längst überfälliges Referendum für die Selbstbestimmung der Kolonie behindert hat, was im Mai 2019 im Rücktritt des letzten persönlichen Beauftragten des UN-Generalsekretärs der Westsahara, Horst Köhler, gipfelte.
  2. Die UN-Friedenssicherung in der Westsahara muss wieder aufgenommen und um eine Menschenrechtsüberwachung erweitert werden. Die UN-Mission für das Referendum in der Westsahara (MINURSO) ist die einzige friedenserhaltende Mission, die seit dem Ende des Kalten Krieges gegründet wurde, der ein Menschenrechtsmandat fehlt; sie sollte daher mit einem Menschenrechtsmandat ausgestattet werden. Trumps beispiellose Anerkennung der marokkanischen Souveränität über die Westsahara beinhaltete eine Erklärung seiner Unterstützung für den „Autonomieplan“, den Marokko erstmals 2007 als Lösung für den Konflikt um die Westsahara vorgeschlagen hatte. Angesichts zahlreicher Beweise für Marokkos brutale Unterdrückung saharauischer Aktivist*innen und für Menschenrechtsverletzungen an saharauischen politischen Gefangenen (über die saharauische Vereinigungen wie Equipe Media, CODAPSO und ASVDH, aber auch internationale Organisationen wie Human Rights Watch und Amnesty International berichten) ist Marokkos Autonomieplan jedoch weder realistisch noch glaubwürdig.
  3. Multinationale Konzerne müssen von der Kommerzialisierung der Ressourcen der Westsahara Abstand nehmen, bevor eine politische Lösung des Konflikts, der beide Parteien zugestimmt haben, realisiert wird. Während der gesamten Dauer des kürzlich beendeten Waffenstillstands zwischen Marokko und der Polisario-Front haben multinationale Konzerne mit Marokko zusammengearbeitet, um die Ölreserven der Westsahara rechtswidrig zu erschließen, in wirtschaftliche Entwicklungsvorhaben zu investieren und die Ressourcen der Westsahara auszubeuten, einschließlich Phosphaten, Wind, Sand, landwirtschaftlichen Produkten und der Fischerei. Wie der stellvertretende UN-Generalsekretär für Rechtsfragen, Hans Corell, 2002 feststellte, ist die Ausbeutung der natürlichen Ressourcen der Westsahara ohne die Zustimmung der Sahrauis ein direkter Verstoß gegen das Völkerrecht. Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Union aus den Jahren 2015, 2016 und 2018 sowie Anhörungen vor dem britischen High Court aus dem Jahr 2015 zu Handelsabkommen zwischen der EU und Marokko, die Ressourcen aus der besetzten Westsahara einschlossen, legen dieselbe Schlussfolgerung nahe, ebenso wie ein Urteil des südafrikanischen High Court aus dem Jahr 2018 zu Phosphatexporten aus der besetzten Westsahara.

Alice Wilson (University of Sussex), Mark Drury (Princeton University), Vivian Solana (Carleton University) und Meriem Naïli (University of Exeter). Kontaktieren Sie die Autor*innen der Petition.

Die Übersetzung aus dem Englischen wurde von Elena Heim vom ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam erstellt. Wir suchen Freiwillige!